
Die geplante große Wohnanlage oberhalb von Herschfeld bleibt ein Zankapfel. In der Stadtratssitzung wurden nun in erster Lesung die Stellungnahmen aus der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung gelesen und über die Beschlussfassungen der Stadt abgestimmt. In den einzelnen Abstimmungen zu den eingegangenen Stellungnahmen stimmte jeweils die Mehrheit im Stadtrat für den von der Stadt vorgelegten Beschluss. Die bis zu zehn Gegenstimmen belegen allerdings die ablehnende Haltung der Stadträtinnen und Stadträte, die mit der Wohnanlage und somit auch mit dem Bebauungsplan nichts anfangen können.
Eine Bürgerinitiative aus Herschfeld konnte die Planungen für eine Wohnanlage an der Von-Guttenberg-Straße bislang ebenso wenig stoppen wie ein Bürgerbegehren und ein Bürgerentscheid. Dass die Proteste gegen das geplante Bauvorhaben mit mehr als 80 Wohnungen leiser werden, ist wohl kaum zu erwarten.
Zahlreiche Gegenstimmen
Der Stadtrat hat nun die Ausführungen der 20 Träger öffentlicher Belange ausgewertet, die Stellungnahmen eingebracht hatten, und Beschlussfassungen auf den Weg gebracht. Im Rahmen der privaten Öffentlichkeitsbeteiligung sind drei umfangreiche Stellungnahmen eingegangen.
Die von vielen Herschfeldern befürchteten Nachteile des Bauvorhabens sind in diesen Stellungnahmen erneut deutlich formuliert: Unpassend und viel zu groß an dieser Stelle, die Zunahme des Autoverkehrs durch den Stadtteil, der Zweifel am Bedarf für so viele Wohnungen, die Opferung eines kleinen Waldes und eines Grünstreifens am Ortsrand sowie der stetige Vorwurf an die Investoren, über die Köpfe der Bevölkerung hinweg Profite machen zu wollen, bildeten den Kern der im Stadtrat anonymisiert behandelten Stellungnahmen.
Die zahlreichen Stellungnahmen, die weitestgehend standardisiert bei der Erweiterung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen eingereicht werden, passierten auch in diesem Fall weitestgehend geräuschlos den Stadtrat. Bei einzelnen Stellungnahmen gab es aber mehr Gegenstimmen, vornehmlich aus den Reihen der Fraktionsgemeinschaft Neuschter Liste/FDP und Bündnis 90/Grüne sowie einer Reihe an Abgeordneten aus Herschfeld wie Gudrun Hellmuth (Freie Wähler) oder Jürgen Pröscholdt (SPD).
Es gab auch positive Rückmeldungen
Diskutierte Punkte im Einzelnen: Der Abwasserzweckverband Saale-Lauer will die anfallende Abwassermenge notfalls mit einer Drossel auf 25 Liter pro Sekunde begrenzen, ein Regenrückhaltebedarf von 475 Kubikmetern wurde ebenfalls festgelegt. Die Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt betonte, die Erschließung des Baugebietes müsse über die Von-Guttenberg-Straße erfolgen, eine Erschließung über die Kreisstraße NES 20 könne nicht erfolgen. Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten betonte den Ausgleich für den teilweise wegfallenden kleinen Wald, der tatsächlich als Wald und nicht als "Feldgehölz" eingeordnet wird. Ausgleichsflächen stünden, so die Stadt, in Hollstadt und in Lebenhan zur Verfügung.
Das Rhön-Klinikum äußerte sich zustimmend zu dem Bauvorhaben: "Die Mitarbeiter werden von der attraktiven Wohnbebauung sehr profitieren", heißt es in der Stellungnahme. Die höhere Naturschutzbehörde der Regierung von Unterfranken stellte das Vorkommen von Fledermäusen und Zauneidechsen auf dem Grund fest. Für beide Tierarten muss es Ausgleichsmaßnahmen oder Umsiedelungen geben.
Imageverlust für Bad Neustadt?
"Riesenbebauung", "Bedrohung des ganzen Stadtteils", "starke Beeinträchtigung der Lebensqualität", "Erhöhung des Verkehrsaufkommens um 400 bis 500 Autos pro Tag" waren die Schlagwörter einer privaten Stellungnahme, die sachlich von der Stadt beantwortet wurde. In der zweiten Stellungnahme wurde den Investoren vorgeworfen, "hohe Gewinne auf Kosten der Herschfelder Bevölkerung zu machen". Der Verfasser oder die Verfasserin kritisierte den "Flächenfraß an besonders empfindlicher Stelle" und befürchtet einen "Imageverlust für Bad Neustadt". Der Stadtrat konnte auch diesen Einwänden mehrheitlich nicht folgen.
"Der vermeintliche Wohnraumbedarf wird durch eine Vielzahl an Bauvorhaben in der Stadt gedeckt", brachte eine dritte private Stellungnahme als Kritik hervor. Das Bauprojekt solle gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung zugunsten eines Investors "durchgedrückt werden", heißt es darin.
Nach den umfangreichen Ausführungen bleibt der Stadtrat beim mehrheitlich getroffenen Beschluss, an der städtebaulichen Entwicklung an dieser Stelle festzuhalten. Die Träger öffentlicher Belange werden nun über die Beschlussfassungen informiert und erhalten erneut Gelegenheit zu einer Stellungnahme.
Wird die Diskussion neu entfacht?
Die Diskussionen um den Bebauungsplan sowie das gesamte Bauvorhaben gehen im Stadtrat aber schon vorher in die nächste Runde: Der von Jürgen Pröscholdt am Ende der Ausführungen eingebrachte Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung scheiterte zwar in der Stadtratssitzung aus formalen Gründen. Dennoch kündigte Pröscholdt in einer der kommenden Sitzungen einen Antrag auf Einstellung der Planungen zu dem Bauvorhaben an und wird damit die Diskussion um die Wohnanlage erneut entfachen.