
Im Jahr 2022, auf dem Höhepunkt der Energiekrise, waren die Prognosen düster: Russlands Krieg gegen die Ukraine zeigte die Abhängigkeit Deutschlands von Gas aus Russland auf. Die angekündigte Knappheit und die Verteuerung des Rohstoffs sorgten dafür, dass auch in Mellrichstadt neue Wege für die heimische Energieversorgung gesucht wurden. Vorneweg ging die Bayerische Rhöngas GmbH, die in der Stadt ein neues Geschäftsfeld erschließen und am Hainberg eine klimaneutrale Wärmeversorgung aufbauen wollte.
Die Vertreter des Unternehmens loteten in der Folge nach allen Seiten hin Interessen aus, schrieben Firmen und Landwirte an und luden Privatpersonen ein, um die Wirtschaftlichkeit eines Nahwärmenetzes zu ermitteln. Bei einer Info-Veranstaltung am 4. Juli 2023 war die Oskar-Herbig-Halle gut gefüllt. Auf der Grundlage der Interessensbekundungen wurde eine Machbarkeitsstudie erarbeitet, die als Grundlage für eine potenzielle Planung diente. "In den kommenden zwei Jahren könnte das Projekt dann schon umgesetzt werden", gab Michael Gottwald, Abteilungsleiter für Wärme und regenerative Energien bei der Rhöngas GmbH, im Februar 2022 in einer Sitzung des Stadtrats als Zeitplan aus.
Baugenossenschaft Mellrichstadt ist größter Wärme-Abnehmer
In der jüngsten Zusammenkunft des Gremiums gaben Michael Gottwald und Lorenz Hesselbach, die gemeinsam das Projekt am Hainberg koordinieren, nun einen Überblick über die Planung. Und die zeigt auf: Weit entfernt vom ursprünglichen Zeitziel ist der Versorger nicht. Im kommenden Frühjahr sollen die ersten Leitungen verlegt werden, wenn die Zusage der Fördermittel bis dahin vorliegt.
Für die Umsetzung des Nahwärmenetzes am Hainberg wurde im Mai 2024 eine neue Wärmetochter gegründet, auf die alle Rechte und Pflichten der Rhöngas GmbH übergehen: die Wärmeversorgung Mellrichstadt GmbH & Co. KG, kurz WV MET. Wie Geschäftsführer Michael Gottwald informierte, haben zahlreiche Interessenten am Hainberg Vorverträge für den Anschluss abgeschlossen.
128 Häuser beziehungsweise 270 Wohnungen sollen künftig über das neue Netz Wärme beziehen. Der größte Abnehmer ist die Baugenossenschaft Mellrichstadt, die viele ihrer Liegenschaften ans Netz anschließen wird. Dazu kommen Privatgebäude sowie das Franziska-Streitel-Altenheim und das Wohnheim der Lebenshilfe in der Suhlesstraße.
Vier Kilometer Leitungen werden verlegt
Im Grundaufbau soll das Projekt bis 2027 umgesetzt werden, kündigte Gottwald an. Rund vier Kilometer Leitungen werden dabei verlegt. Das Netz biete aber durchaus mehr Potenzial, so dass sich weitere Interessenten noch anschließen können.

Insgesamt werden in den kommenden fünf Jahren 9,6 Millionen Euro in den Ausbau des Nahwärmenetzes investiert, die Förderung liegt bei 40 Prozent, so Gottwald. Bei dem Vorhaben ist auch Mellrichstadts größter Arbeitgeber, die Reich GmbH, im Boot. Das Heizhaus mit Pufferspeicher wird auf einem Grundstück des Unternehmens in der Industriestraße gebaut. Für das Nahwärmenetz wird die Abwärme der Firma Reich genutzt, die ihrerseits damit ihre Klimabilanz verbessert.
Heizhaus wird auf einem Grundstück der Firma Reich gebaut
Der Bauantrag für das Heizhaus zur Wärmeerzeugung wurde vom Stadtrat abgesegnet. Gebaut werden soll es im Frühjahr 2025. Installiert wird eine Biomassekesselanlage, als Brennstoff werden naturbelassene Hackschnitzel verwendet.
Die Leitungen werden dann ab dem Heizhaus in der Industriestraße in Richtung Hainberg gebaut, queren die Streu sowie die Staatsstraße 2445 (ehemals B 19) und werden in der Ignaz-Reder-Straße Richtung Hotel Sturm weiterverlegt. In der ersten Stufe ausgebaut werden auch Bereiche der Uhlandstraße, Goethestraße, Schillerstraße und Bergstraße. Ab 2026 soll dann der Ausbau weiterer Bereiche der Bergstraße sowie der Suhlesstraße bis zum Franziska-Streitel-Altenheim folgen. Laut Projektingenieur Lorenz Hesselbach wird das Wärmenetz so ausgelegt sein, dass weitere Bereiche des Hainbergs schrittweise erschlossen werden können.
Übergangslösung für das Franziska-Streitel-Altenheim
Für Michael Gottwald macht insbesondere die Einbindung der Firma Reich das Mellrichstädter Nahwärmenetz zu einem innovativen Projekt. "Die Wärmeversorgung Mellrichstadt nutzt die Abwärme der Firma Reich, damit bleibt die Wertschöpfung in der Region."
In einem Rundschreiben an die Unterzeichner des Vorvertrags zum Anschluss an das Nahwärmenetz will die WV MET in Kürze über Projektdetails informieren, zudem soll es im kommenden Jahr eine öffentliche Informationsveranstaltung geben.
Bürgermeister Michael Kraus, zugleich Vorsitzender der Julius-Spital-Stiftung als Trägerin der Mellrichstädter Altenheime, machte in der Stadtratssitzung deutlich, dass der Anschluss des Franziska-Streitel-Altenheims an die Nahwärme die wirtschaftlichste Wärmeversorgung für das Heim darstellt. "Wir haben vier Varianten durchgerechnet und uns dann für die Nahwärme entschieden", so der Stadtchef. Bis der Anschluss erfolgt, wurde in puncto Heiztechnik eine Übergangslösung eingerichtet.