Seit 1. Januar dieses Jahres befinden sich die Heilquellen im Kurviertel im Besitz der Stadt. Das kostbare Nass aus der Elisabeth- und der Bonifatius- sowie aus der Karl-Theodor-Quelle lassen in Zukunft die Stadtwerke sprudeln. Bislang war das Rhön-Klinikum für die Quellen zuständig, doch Heilwasser findet im Campuskonzept keinen Platz mehr.
Unstrittig für die Stadt ist es, die Heilquellen auch in Zukunft zu betreiben, allein deshalb, weil das Prädikat "Bad" im Stadtnamen davon abhängt. Die Frage ist nur, wie das Wasser wieder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und vor allem nahe gebracht werden kann. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, das muss man heute einfach so konstatieren, sind die Heilquellen aus dem Bewusstsein der Neustädter gerückt. Das soll in Zukunft wieder anders werden.
Das "Tafelsilber" von Bad Neustadt
Unlängst hatte Stadträtin Anne Zeisner die Heilquellen als das "Tafelsilber" von Bad Neustadt bezeichnet. Auch für Bürgermeister Michael Werner ist eines klar: Ohne Heilquellen kein Titel "Bad" für die Stadt. Am Erhalt der drei Quellen im Kurviertel wird folglich nicht gerüttelt, der Stadtrat hat sich mit überwältigender Mehrheit für den Erhalt der Heilquellen und deren Übernahme ausgesprochen.
Das salzhaltige und mineralstoffreiche Wasser der Bonifatius- und Elisabethquelle eignet sich nach wie vor bestens für Trinkkuren, das stark solehaltige Wasser der Karl-Theodor-Quelle für Bewegungstherapien und vieles andere mehr. Angebote hierfür gibt es im Kurhaus zuhauf.
Jahrelanger Streit mit Bad Kissingen
Im Jahre 1853 hatte es Elisabeth Gräfin von Haxthausen geschafft. In einem Vergleich mit Bad Kissingen gestattete ihr der bayerische Staat die Nutzung der Heilquellen in Neuhaus. Schon ein halbes Jahrhundert zuvor wurden erste Quellfassungen gebaut, erste Trinkkuren verabreicht, erste Badekabinen für Kuren eingerichtet. Jahrelang hatte sich Elisabeth von Haxthausen (1787-1862) mit dem Staatsbad Bad Kissingen - wo bekanntlich bayerische Könige wie auch Otto von Bismarck kurten – gestritten, ob sie die Neuhäuser Quellen nutzen dürfe oder nicht. Das Staatsbad hatte Angst, Neuhaus könnte ihm, im wahrsten Sinne des Wortes, das Heilwasser abgraben. Was aber, das weiß man heute, geologisch ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Justus von Liebig lobte die Neuhäuser Heilquellen
Nach dem frühen Tod ihres Mannes Werner von Haxthausen (1780-1842), der die Güter in Neuhaus mit dem Schloss und dem Park sowie der Salzburg erworben hatte, setzte sich Gräfin Elisabeth die Nutzung der Heilquellen als großes Ziel. In tönernen Flaschen versandte sie zu Tausenden Kostproben des Heilwassers aus diversen Neuhauser Quellen nach ganz Deutschland. Und aus ganz Deutschland kamen bald Kurgäste, um sich von der Qualität des Wassers vor Ort zu überzeugen. Der berühmte Chemiker Justus von Liebig (1803-1873) zählte die Heilquellen im Jahre 1855 "zu den vorzüglichsten ihrer Art in Deutschland, sowohl in Betreff des Salz- als auch des Kohlensäure-Reichtums".
Mit so viel Lob ausgezeichnet ging Neuhaus mit großen Schritten in eine großartige Zukunft. Eine erste Wandelhalle wurde gebaut, Kurbäder errichtet, aus dem Schloss wurde das Schlosshotel und 1908 wurde das Kurhaus eröffnet. Letzteres mit nicht weniger als 43 Kabinen, mit Sol-, Moor- und Süßwasserbädern, mit Inhalatorium, Massagezimmern und Ruheräumen. Schon ein Jahr zuvor hatte der kleine Kurort Neuhaus, genauer: am 15. Januar 1907, die Bezeichnung "Bad" verliehen bekommen. Schon bald darauf zählte Bad Neuhaus jedes Jahr mehrere tausend Kurgäste. Erst 1934 erfolgte im Zuge einer Gebietsreform die Eingemeindung von Bad Neuhaus nach Neustadt an der Saale. Seitdem darf sich Neustadt mit dem Prädikat "Bad" schmücken.
Bis zu 20 000 Kurgäste pro Jahr
Rund um die Wandelhalle, wo bis heute die Quellhäuschen der Elisabeth- und der Bonifatiusquelle zu finden sind, gab es damals sechs verschiedene Heilwässer. Neben den heute bekannten waren dies die Otto-Quelle, die Marien-Quelle, die Hermann- und die Kilian-Quelle, die im Laufe der Zeit aber nicht mehr weiter betrieben wurden. Die Karl-Theodor-Quelle kam erst im Jahre 1968 hinzu, als die Zahl der Kurgäste auf bis zu 20 000 pro Jahr gestiegen war und mehr Heilwasser benötigt wurde, als die etablierten Quellen liefern konnten. Während die altehrwürdigen Quellen lediglich wenige Meter tief liegen, sprudelte das Wasser der Karl-Theodor-Quelle aus bis zu 700 Metern Tiefe, zumindest bis zur Sanierung vor wenigen Jahren. Jetzt kommt es aus etwa 200 Metern Tiefe ins Kurhaus für Badeanwendungen geflossen. Bis 2008 konnten Trinkkuren mit dem Wässern der Elisabeth- und der Bonifatiusquelle in der Wandelhalle vorgenommen werden. Zum 100-jährigen Bestehen des Kurhauses wurden die Quellen dann dorthin verlegt und sind bis heute im historischen, dem Kurpark zugewandten Teil des Hauses zu finden.
Die Stadt möchte die Heilquellen in Zukunft wieder besser nutzen, sie einer breiteren Öffentlichkeit ins Bewusstsein rücken. Vielleicht, so wurde es von Seiten der Stadtwerke verlautbart, könne ein Umzug der Brunnen ins Triamare helfen. In einigen Jahren. Dort wartet vielleicht ein größeres Publikum auf das Wasser, und die Marketingabteilung der Stadt tut sich mit der Werbung unter Umständen leichter. Vielleicht. Vielleicht werden Kuranwendungen, wie sie bis vor einigen Jahrzehnten von Hausärzten verschrieben wurden, bald wieder in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen. Entsprechende Überlegungen gibt es von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums. Bad Neustadt und die drei Quellen könnten davon profitieren. Vielleicht.
Den Schatz aus dem Boden wiederentdecken
Die Förderung des Heilwassers ist obendrein nicht unproblematisch. Das salzhaltige Wasser zerstört in schöner Regelmäßigkeit Rohrleitungen und technische Anlagen, und seien diese auch aus noch so gutem Stahl gefertigt. Was folgt sind kostenintensive Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten, die künftig von der Stadt erledigt werden müssen. Ein Zuschussgeschäft, da ist man bei den Stadtwerken ganz realistisch. Und dennoch: Am Erhalt der Heilquellen führt kein Weg für Bad Neustadt vorbei. Bürgerinnen und Bürger müssen sich wieder bewusst werden, welch Schatz da aus dem Boden sprudelt, und dass dieser Schatz etwas ganz Besonderes ist. Nämlich das Tafelsilber von Bad Neustadt.
Literaturnachweis: Ludwig Benkert: Festschrift 150 Jahre Heilbad Bad Neustadt 1853-2003. Bad Neustadt 2003.