"Wir treffen uns im Ex", hieß es über drei Jahrzehnte lang. Das "Café und Bistro Extrablatt" war ein Kommunikationszentrum mit besonderem Flair und Treffpunkt für Gäste, die gut und günstig Hausmannskost essen, sich unterhalten oder gemeinsam auf dem Bezahlsender Fußball schauen wollten. Es war Treffpunkt für Stammtische, im Sommer für Außenbereich-Gäste und Nachrichtenbörse von kommunalen bis internationalen Ereignissen und Gerüchten. Am 31. Oktober 2021 schließen Marianne, Bruno und Oliver Escherich zum letzten Mal zu. "30 Jahre, wurde mir von Lieferanten erklärt, sind eine selten lange Zeit für ein Pachtobjekt", gibt Bruno Escherich, der mit seiner Familie in Gollmuthhausen lebt, mit etwas Stolz weiter. "Es hat alles seine Zeit. Unsere hier ist zu Ende. Wir wollen einen sauberen Abschluss, uns verabschieden und uns bei unseren Gästen für ihre Treue bedanken."
Escherich hat ein sehr gutes Gedächtnis: "Ich nenne natürlich keine Namen. Aber unser wirklich allererster Gast seinerzeit am 11. April 1990 ist uns bis zuletzt treu geblieben, fast jeden Tag." Aus seinen Worten klingt natürlich auch ein bisschen Wehmut. So einfach ist das auch wieder nicht, nach so langer Zeit einfach aufzuräumen, die Tür zuzuschließen und zu gehen. "Königshofen wird uns fehlen", schiebt er noch nach, um dann aber voller Überzeugung von der Richtigkeit der Entscheidung seiner Familie zu reden. Gewiss habe dabei die Pandemie auch irgendwie eine Rolle gespielt. "Wir sind aber gut durchgekommen. Die staatliche Unterstützung fing zwar nur einen Teil der Verluste auf. Aber sie hat geholfen."
Pachtverträge für zwei mal zehn und zwei mal fünf Jahre
Zurzeit betreibe man seit 1. Januar vertragslos das Geschäft. Das ehemalige Café Brünner wurde ja vor zwei Jahren von Manfred Brünners Nachkommen, ebenso wie inzwischen auch das Café Mozart, verkauft. "Im April 1990 haben wir nach kompletter, von uns durchgeführter Umbauphase eröffnet. Wir hatten zwei Mal für zehn und zwei Mal für fünf Jahre Pachtvertrag. Der letzte lief am 31. Dezember 2020 aus."
Bruno Escherich hat in seinem Berufsleben viel Unternehmergeist und -initiative bewiesen. Als gelernter Kaufmann war er zunächst bei der Brauerei Büttner im Innen- und Außendienst beschäftigt und "weit und breit", bei jedem Wirt, der Büttner-Bier ausschenkte, und jeder Niederlassung, die Büttner verkaufte, "bekannt wie ein bunter Hund", gibt er selber spaßhalber zu. Dann folgte die Phase, in der er zusammen mit verschiedenen Geschäftspartnern mehrere Diskotheken in ganz Bayern aufbaute und betrieb, "von Coburg bis hinunter nach Freilassing. Das Pinocchio in Bad Neustadt gibt es heute noch. Die meisten sind inzwischen zu." Bundeswehrstandorte und Einwohnermeldeämter wegen geburtenstarker Jahrgänge hätten bei der Standortfrage eine Rolle gespielt. Als man in die Großstädte wechselte, stieg Escherich aus und wurde wieder bodenständiger – mit dem Extrablatt. Impulse für den Namen und die Einrichtungs-Idee hatte er auf diesem seinem zweiten beruflichen Lebensabschnitt für den dritten bekommen.
Eine Art Ersatzmutter für viele Generationen von Musikschülern
Im Extrablatt gab es auch eine extra familiäre Atmosphäre. So war Marianne Escherich für viele Generationen von Musikschülern aus ganz Deutschland eine Art Ersatzmutter, der man sich anvertrauen, sein Herz ausschütten und von ihr einen Rat bekommen konnte. Für mehrere Fußballmannschaften war das "Ex" den Sonntag abrundende Anlaufstation nach Sieg oder Niederlage bei Auswärtsspielen, eine Ergebnisbörse des Grabfelds.
Zu einem "sauberen Abschluss" gehöre seiner Meinung nach, "dass wir das Gutschein-Geschäft ordentlich abwickeln. Durch diese Veröffentlichung erfahren Besitzer von Gutscheinen, dass bis 31. Oktober 2021 Gelegenheit besteht sie einzulösen. Neue werden wir nur mit diesem Hinweis ausgeben." Das Wort Ruhestand ist Bruno und Marianne Escherich indes in dem Gespräch nicht über die Lippen gekommen. Ob sie sich mit 70 noch zu jung fühlen oder noch keine konkreten Vorstellungen haben oder aber bewusst den Gedanken daran mit etwas Wehmut aus dem Weg gehen, war nicht zu klären.