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Trappstadt
Ausscheller: In Trappstadt gibt's Dorfnachrichten noch analog
Wenn die Glocke ertönt, öffnen die Leute Fenster und Türen. Eine Einladung? Eine Anordnung? In einem kleinen Ort im Grabfeld teilen noch zwei Ausscheller das Neueste mit.
Verkündet das Neueste in Alsleben im Landkreis Rhön-Grabfeld: Edwin Kast ist seit 15 Jahren Ausscheller für Gemeinde- und Vereinsnachrichten. 
Foto: Regina Vossenkaul | Verkündet das Neueste in Alsleben im Landkreis Rhön-Grabfeld: Edwin Kast ist seit 15 Jahren Ausscheller für Gemeinde- und Vereinsnachrichten. 
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 09.02.2024 20:09 Uhr

Dass er zusagen würde, als er gebeten wurde, das Amt von seiner Tante zu übernehmen? Für Edwin Kast selbstverständlich. "Für Frauen ist das nicht so ideal, weil sie keine so weitreichende Stimme haben", meint der 58-Jährige, der sich im Trappstadter Ortsteil Alsleben (Lkr. Rhön-Grabfeld) als Vorsitzender der  Krieger- und Soldatenkameradschaft, im Vorstand der Interessengemeinschaft Kreuzkapelle und im Sportverein engagiert. Und seit 15 Jahren hält er dort eben auch die Tradition aufrecht und bringt sich  als Ausscheller ein.  

Einst die Aufgabe des Polizeidieners

Historisch gesehen war das Ausschellen ja Aufgabe des Polizeidieners. Beim Petersgericht im Januar, der heutigen Bürgerversammlung, wurden in Trappstadt die Gemeindeämter besetzt, dazu gehörten der Polizeidiener, der Flurwächter und der Nachtwächter. Der Polizeidiener war für ein geregeltes Zusammenleben innerhalb der Dorfgrenzen verantwortlich. Hatte der Bürgermeister eine Fronarbeit angeordnet, bracht er diejenigen herbei, die nicht erschienen waren. Er rief die Kinder zur Ordnung und schaute, dass die Jugend keinen Unfug trieb. War Dorfgericht angesagt, das örtliche kleinere Delikte behandelte, lud er die Bürger drei Tage vorher ein und fungierte als Gerichtsdiener. Eine Respektsperson also neben Bürgermeister, Pfarrer und Lehrer. Besoldet wurde der Polizeidiener von der Gemeinde, in einigen Orten erhielt er Naturalien dazu.

Unterwegs mit der alten Glocke  und einem Zettel vom Bürgermeister

Von allen Aufgaben sind in der Marktgemeinde der Verwaltungsgemeinschaft Bad Königshofen die  Zustellung der Gemeindepost und das Ausschellen übrig geblieben. 35 Stellen im Ort sind festgelegt, die Edwin Kast alle Vierteljahre absolvieren muss - ausgerüstet mit der mindestens 100 Jahre alten Glocke und einem Zettel vom Bürgermeister, auf dem Datum, Uhrzeit und die Nachricht stehen. Je nach Länge der Mitteilung dauert eine Rundtour durch Alsleben zwei Stunden oder länger. Von Wind und Wetter lässt der gelernte Zimmermann sich nicht abschrecken. Lediglich vorbeifahrende Auto muss er abwarten, weil sie zu laut sind.

"Unsere Katze ist entlaufen."
Edwin Kast teilt dem ganzen Ort auch private Nachrichten mit

Edwin Kast kündigt Gemeindeversammlungen an, lädt zu Festen ein und richtet Weihnachtsgrüße vom Bürgermeister und dem Gemeinderat aus. Er macht den Holz- und Obstverstrich, die traditionelle Versteigerung, bekannt und teilt mit, wenn eine Beflaggung angeordnet wurde. Vereinsnachrichten werden ausgeschellt, manchmal auch private Nachrichten wie "Unsere Katze ist entlaufen".

Ausscheller Paul Röß hat in Trappstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) früher auch die Viehzählung übernommen. Er braucht für die 39 Stationen beim Ausschellen bis zu drei Stunden.
Foto: Regina Vossenkaul | Ausscheller Paul Röß hat in Trappstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) früher auch die Viehzählung übernommen. Er braucht für die 39 Stationen beim Ausschellen bis zu drei Stunden.

Die Gemeindepost muss Kast nicht austragen, das ist im Hauptort Trappstadt anders. Ausscheller Paul Röß hat dort schon als junger Mann das Amt übernommen -im zweiten Anlauf. Um einen Nebenverdienst zu haben, hatte er sich als 18-Jähriger bei der Gemeinde gemeldet. Er war damals also noch nicht volljährig - eine Voraussetzung für das Amt, das er dann einige Jahre später erhielt.

Die Dorfnachrichten verbreitet Röß nun seit rund 40 Jahren. Zusätzlich zu einem kleinen Geldbetrag bekommt der 68-Jährige Holz als Gegenleistung. 39 Stationen hat seine Tour durch Trappstadt:  "Wenn die Gesetzlich ein wenig lang sind, dauert das bis zu drei Stunden." Seine Kinder sind früher bis zu den ersten Stationen mitgelaufen, erzählt der gelernte Orthopädie-Schuhmacher. Da bekamen sie Süßigkeiten, für den Ausscheller gab es einen Schnaps.

Zu dessen Aufgaben gehörte auch das Einwerfen der Gemeindepost und in früheren Jahren die Viehzählung. "In die Tierseuchenkasse musste man pro Stück Vieh bezahlen", erzählt Röß. Wenn die Frauen nicht gewusst hätten, wie viele Schweine im Stall sind, habe er die Gehöfte nochmal aufsuchen müssen - wenn die Männer zu Hause waren.

"Wenn die Gesetzlich ein wenig lang sind, dauert das bis zu drei Stunden."
Der Trappstadter Auscheller Paul Röß über seine Tour

Sobald er vom Ausschellen nach Hause kommt, klingelt meist das Telefon, sagt der Trappstädter: "Die Leute waren nicht zu Hause oder haben nicht alles verstanden. Dann fragen sie nach." Ähnliches berichtet auch sein Alslebener Kollege Kast, der manchmal Fragen der Bürger beantworten muss. Wenn es Unklarheiten gibt, macht er sich vor dem Ausrufen sachkundig.

Was ist schön an ihrem Amt? "Man kommt mit Leuten ins Gespräch", sagt Edwin Kast", und gelangt in Ecken und Gassen, wo man sonst nicht hinkommt." Paul Röß bestätigt das. Und wenngleich es seit der Gebietsreform 1978 noch immer eine Art Rivalität zwischen Alsleben und Trappstadt gibt, in einem sind sich beide auch einig: "Nach uns wird es keine Ausscheller mehr geben."  

 
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Kommentare
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  • M. S.
    Zitat Edwin Kast: "Für Frauen ist das nicht so ideal, weil sie keine so weitreichende Stimme haben""

    Aus dem Satz schließe ich, dass Herr Kast ein sehr glücklicher Mensch sein muss :D
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  • J. B.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • J. B.
    Hinterm Mond gib’s kein Internet?
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  • M. C.
    Was soll dieser Kommentar.....das ist einfach eine schöne Tradition
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  • G. B.
    Das ist sehr nett!
    Bei uns haben das Ausschell-Amt früher aber durchaus auch Frauen übernommen!
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