Als vor gut fünf Jahren der jetzige Wiesenbronner Bürgermeister Volkhard Warmdt aus dem "hohen Norden" zu seiner Freundin nach Wiesenbronn zog, hatte er an einem Wochenende "ein absolutes Erlebnis", wie er meinte. Er beobachtete einen jungen Mann, der mit dem Fahrrad durch den Ort fuhr, mit einer Glocke läutete und lautstark amtliche Nachrichten verkündete.
"Ein Gemeindediener, wie vor 100 Jahren?", dachte Warmdt sich und fragte seine Freundin: "Ja, sind wir denn hier im Mittelalter? Habt ihr keine anderen Medien, die Nachrichten verbreiten?" Noch heute kann er herzlich über diese Fragen lachen. Ihm war zwar dunkel noch bekannt, dass es im Landkreis einige Gemeinden gibt, die die Nachrichten über eine Ortsrufanlage bekanntgeben, aber einen Ortausscheller kannte er nicht mehr.
Liebgewonnene Tradition dauerhaft erhalten
Zwischenzeitlich ist Warmdt Bürgermeister und will die liebgewonnene Tradition des Ortsausschellers nicht mehr missen. Der 34-jährige Daniel Pfrang freut sich darüber. Schon als kleines Kind hat er in Wiesenbronn den damaligen Ausscheller beobachtet und das Sprechen und Läuten mit der Glocke nachgeahmt. Dass er jetzt seit über fünf Jahren selbst den Posten inne hat, macht ihn stolz. Pfrang übt seine Tätigkeit ehrenamtlich und unentgeltlich aus. In normalen Zeiten verkündet er die Amts- und die Vereinsnachrichten einmal pro Woche. Wegen Corona ist er momentan nur noch ein bis zwei Mal pro Monat unterwegs.
Der Wiesenbronner Robert Busch war sein Vorgänger. Rund 45 Jahre gab dieser die Dorfnachrichten in der Form des Ausrufens bekannt. Als er vor etwa fünf Jahren starb, war sein Posten längere Zeit vakant. "Mich hat dann mal der Chorleiter vom Männergesangsverein, in dem ich Mitglied bin, angesprochen, ob ich das nicht übernehmen könnte", erinnert sich Daniel Pfrang.
"Offenbar habe ich eine deutliche und laute Stimme." Obwohl er als Berufskraftfahrer "viel Zeit auf der Straße verbringt" hat er noch keinen Termin verstreichen lassen müssen. "Der macht das super!", sagt Bürgermeister Warmdt anerkennend und verweist darauf, dass der Ausscheller mittlerweile ein touristisches Ereignis im Ort ist und diese Tradition keinesfalls abgeschafft werden soll.
25 Anlaufstellen in der Gemeinde
"Zwischen zwei und vier Stunden dauern die Ausschellrunden", erklärt Pfrang. Circa 25 Punkte fährt er mit dem Fahrrad in der Gemeinde an. "Das sind zusammengerechnet knapp zehn Kilometer", hat er ausgerechnet. Ständig läutet er dabei die schwere eiserne Amtsglocke. Verkündet er amtliche Nachrichten wie zum Beispiel Termine der Gemeinderatsitzung, beginnt er mit dem Ausruf: "Bekanntmachung!"
Die Dorfgemeinschaft ist stark interessiert. Wo auch immer er anhält, finden sich kleine Gruppen zusammen und hören zu. "Zwischendurch bekomme ich immer Kaffee oder andere Getränke angeboten", sagt der Wiesenbronner. Oftmals führen die Bürger ein "kleines Schwätzchen" mit ihm, oder sprechen ihre Nöte an. Pfrang hört geduldig zu: "Das ist auch mein Job dabei." – "Wie ein Seelsorger eben", ergänzt der Bürgermeister und erklärt: "Natürlich wird die Gemeinde in Zukunft auf die sozialen Medien zurückgreifen, um amtliche Nachrichten zu verbreiten. Aber die Tradition des Ausschellers wird, solange ich im Amt bin, fortbestehen."