Die fünf bleiben völlig gelassen. Wie es sich für Kaltblütige eben gehört. Der Rhöner Dezemberregen hat das Fell von Hootch, Hero, Dacota, Lara und L'Epi mehr als pudelnass getropft. Susan Kleinhenz, in eine dicke Jacke und feste Stiefel gehüllt, watet über die triefend nasse Koppel in Kilianshof (Lkr. Rhön-Grabfeld). Die fünf bleiben regungslos. Dann folgt ein kurzer Ruf, und die Freiberger-Fohlen kommen der Frau entgegen.
Wäre ihr tierisches Schicksal anders verlaufen, wären die munteren Tiere vielleicht schon Pferdesalami, zerteilt auf einer Schweizer Schlachtbank. Jetzt aber traben sie auf der großen Koppel mit Blick zum Kreuzberg und nähern sich zaghaft ihren Artgenossen, den mehr als mannshohen Shirehorse-Pferden.
Subventionierung mit Folgen
„Nach und nach finden die Tiere zueinander und bilden eine Herde“, weiß Susan Kleinhenz, eine Art Rhöner Pferdeflüsterin. Dass sie und ihr Mann Anton heuer zu Pferderettern würden, hätten sie nicht gedacht. Genug eigentlich, dass sie mit Shawni ein Schaf in ihrer Pferdeherde wissen.
Freiberger-Pferde stammen eigentlich aus dem Schweizer Jura und werden in der Schweiz seit jeher als Sport- und Fuhrpferde gezüchtet. Sie sind die einzige typische Schweizer Pferderasse. Das Problem: „In der Schweiz werden hohe Prämien für die Freiberger-Fohlen bezahlt“, erklärt Susan Kleinhenz. Damit will die Eidgenossenschaft ihre ureigene Rasse erhalten. Über eine Million Schweizer Franken wurden für die Freiberger-Förderung bereitgestellt.
Im Umkehrschluss heißt das: Ein gezüchteter Überschuss von Tieren kann lukrativ auf den Schlachtbänken landen. Denn Fleisch- und Wurstwaren aus Pferdefleisch sind in Teilen Frankreichs, der Schweiz oder Italiens wesentlich verbreiteter als zum Beispiel hierzulande.
Bis zu 40 Prozent der Fohlen werden geschlachtet
Kritische Tierschützer sehen in der Fohlen-Förderung letztendlich nur eine Schlacht-Subvention. Rund 40 Prozent der Fohlen dürften 2016 keinen Käufer gefunden haben, da das Angebot die Nachfrage weit übersteigt. Diese Zahl schätzt die Initiative „Vermittlung von Freiberger-Fohlen in Notsituationen“. An diese Initiative, eine von mehreren in der Schweiz, hat sich auch Susan Kleinhenz gewandt. An die Initiative kann sich wenden, wer eines der vielen „überschüssigen“ Fohlen vor dem Schlachter bewahren will, um ihm ein Leben auf der Koppel zu ermöglichen.In der letzten Woche ging es für Susan und Anton Kleinhenz im großen Pick-up mit Anhänger nach Burgdorf bei Bern. „Die Schweizer Pferdefreunde organisieren dort eine Sammelstelle, von wo aus die Tiere weiterverfrachtet werden“, erklärt Kleinhenz. Transporte fahren dann nach Köln, Berlin oder Hamburg. Für die unterfränkischen Fohlenretter war es praktischer und kostensparender, die Tiere selbst in der Schweiz abzuholen.
Circa 1500 Schweizer Franken kostet so ein Fohlen, inklusive Pass und Chip mit den Daten zu Stammbaum, Züchter und so weiter. Dazu kommen die deutsche Mehrwertsteuer, Zollgebühren, Gesundheitszeugnis: Schnell sind da gut 2000 Euro für ein Fohlen zusammen.
Statt der ursprünglich geplanten drei waren es am Ende fünf Tiere, die in der letzten Woche den Weg in die Rhön gefunden haben.
Weiterer Transport
„Oft liegt es auch an den Unterbringungskosten, dass den Fohlen nur ein kurzes Leben beschieden ist. In der Schweiz sind schnell einmal 500 bis 800 Franken im Monat für einen Platz fällig, das ist ein Vielfaches der Preise hierzulande“, weiß Susan Kleinhenz.Wenn die Fohlen, die in Deutschland aufgezogen werden, ausgewachsen sind, werden sie in der Regel weiterverkauft. Es gibt eine Gruppe von Freunden dieser Ur-Schweizer Pferderasse auch in Deutschland. Hero gehört jetzt der Marktheidenfelderin Petra Hausner, Lara und L'Epi werden, wenn sie größer sind, zu ihrer Besitzerin Dunja Steindorf nach Volkach wechseln.
Hootch und Dacota gehören der Familie Kleinhenz, siegenießen weiter die Kilianshöfer Beschaulichkeit. Das Fünfer-Team wird übrigens nicht alleine bleiben. Schon diese Woche geht es ein zweites Mal in die Eidgenossenschaft. Noch einmal zwei oder drei Fohlen sollen gerettet werden.