zurück
KILIANSHOF
Shawni oder wie man einen Schafbock zum Pferd macht
Shawnis zweites Leben: Ein ausgebüxtes Coburger Fuchsschaf fühlt sich inmitten einer Shirehorse-Herde im Rhöndorf Kilianshof mehr als pudelwohl.
Shawni oder wie man einen Schafbock zum Pferd macht       -  Die Geschmäcker sind gar nicht so verschieden: Schaf Shawni mag das Müsli ausgesprochen gerne, das für die Kilianshöfer Shirehorse-Herde eigens zubereitet wird.
Foto: Gerhard Fischer | Die Geschmäcker sind gar nicht so verschieden: Schaf Shawni mag das Müsli ausgesprochen gerne, das für die Kilianshöfer Shirehorse-Herde eigens zubereitet wird.
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 01:48 Uhr

Von einer Identitätskrise kann bei Shawni nicht die Rede sein. Shawni, das Schaf, fühlt sich voll und ganz als Pferd. So, wie auch seine besten Freunde, Finch und Sancho – die aber tatsächlich Pferde sind. Das Pferde-Müsli schmeckt Shawni, die Sommerkoppel bietet Auslauf mit den Kumpels, und wenn Finch und Sancho mit ihren glänzenden Mähnen über die Kilianshöfer Wiesen im Landkreis Rhön-Grabfeld galoppieren, dann tut Shawni es ihnen in kurzem Abstand gleich.

Fast hätte Schaf Shawni das Glück seiner zweiten Existenz als Gleiches unter Pferden nicht erlebt. Ein Gewehrlauf war schon auf den Schafbock gerichtet. Shawni war eine Gefahr für die Menschheit, zumindest für den fließenden Verkehr zwischen den Walddörfern und Bischofsheim.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Im Oktober 2015 war das Tier aus einer Schafsherde bei Sandberg ausgebüxt. Es war zusammen mit einem anderen Schafbock von der Gruppe separiert. Die Flucht der beiden Böcke alarmierte nicht nur den Schäfer, sondern auch Polizei und Jäger. Einzufangen waren die Tiere nicht mehr. Also mussten sie, der Sicherheit wegen, zum Abschuss freigegeben werden. Shawanis Kumpan musste sein Leben lassen für die Verkehrssicherheit der Zweibeiner. Er selbst aber konnte entkommen und fand Unterschlupf in den Wäldern um Sandberg und Kilianshof. Für Wochen blieb er unauffindbar.

„Eines Tages habe ich ihn an unserer Pferdekoppel unterhalb des Neustädter Hauses entdeckt“, erzählt Susan Kleinhenz. Sie und ihr Mann Anton betreiben eine Pferdezucht mit Shirehorses. Die stattlichen Pferde sind für Wanderer und Vorbeifahrende das ganze Jahr über eine Attraktion.

Shawni, der da noch keinen Namen hatte, war sehr verschüchtert. „Das Schaf hat gewusst, was los ist und sich in Sicherheit gebracht“, glaubt Kleinhenz. Sie hat dem verängstigten Tier zuerst vom Fressen für ihre Pferde gegeben. Nach und nach verlor es seine Angst, wurde zutraulicher und schließlich zahm.

Der November kam, und die Shirehorse-Herde von Susan und Anton Kleinhenz wechselte ein paar Hundert Meter weiter auf die Winterkoppel am Ortsrand von Kilianshof. Zwischen den mannshohen Rücken der Hengste: Shawni, das Schaf.

„Seitdem wechselt er mit den Pferden von einer Koppel zur nächsten“, schmunzelt auch Anton Kleinhenz über den unerwarteten Neuzugang in der Familie.

Shawni gehört seitdem zur Pferde-Herde, als ob es nie ein Davor gegeben hätte. Wenn es Fressen gibt, kommt er wie die anderen hinter den Schutz bietenden Bäumen hervorgerannt. An die sogenannte Heuraufe stellt es sich mit seinen kleinen Beinen eben etwas auf, um an die leckere Veggie-Kost zu kommen. „Und wenn wir einen großen Heuhaufen hinlegen, dann setzt sich Shawni mitten rein, während die Pferde ringsum fressen“, erzählt Susan Kleinhenz.

Wie bei den Menschen, so gibt es auch unter Pferden – also auch für Shawni – bessere und schlechtere Freunde. Sancho, der Minishetty, und Finch, das Warmblut, sind seine besten Kumpels. Auf sie ist immer Verlass. Vor allem, wenn die ungestümen Junghengste Shawni, der mehr als einen Schafskopf kürzer ist als sie, mal wieder provozieren. „Finch und Sancho beschützen ihn, sie vertreiben die Jünglinge durchaus auch mal rabiat“, erzählt Susan Kleinhenz. Im Winter konnte man Shawni sehen, wie er sich unter die großen Pferde gestellt hat, um vor Schnee geschützt zu sein.

Shawni oder wie man einen Schafbock zum Pferd macht       -  Das Fohlenhalfter steht Shawni gut, finden seine Besitzer Anton und Susan Kleinhenz aus Kilianshof in der Rhön.
Foto: Gerhard Fischer | Das Fohlenhalfter steht Shawni gut, finden seine Besitzer Anton und Susan Kleinhenz aus Kilianshof in der Rhön.

Nach fast einem halben Jahr in der Kilianshöfer Pferdeherde verlangt es auch Shawni nach Attributen der äußerlichen Gleichstellung. „Er trägt jetzt immer mal das Fohlenhalfter, das wir ihm anlegen. Er fühlt sich sehr wohl damit“, findet Susan Kleinhenz. Dann kann man Shawni auch führen, der ansonsten frei mit seinen Shirehorse-Freunden über die Kilianshöfer Koppeln zieht.

Ach ja, und natürlich passt sich auch ein Schaf irgendwann den Moden an. Kürzlich wurde der Schafbock geschoren, sein Fell ist derzeit fast so glatt wie das seiner behuften Freunde. „Es war seltsam. Wir haben ihn beim Schafhof in Ginolfs scheren lassen. Und Shawni hatte tatsächlich Angst vor seinen Artgenossen und ist zurückgewichen“, sagt Susan Kleinhenz, die sich gerade zur Pferdeverhaltenstherapeutin fortbildet.

Ihre Videos und Einträge auf Facebook zum neuen Leben von Shawni erreichen mittlerweile viele Hunderte Fans in ganz Deutschland.

Fehlte nur noch, dass Shawni einmal geritten werden will. Aber Shawni steht ja noch ganz am Anfang seines Lebens als Pferd.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kilianshof
Gerhard Fischer
Pferde
Schafe
Tiere und Tierwelt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • ingridwolfgero
    ich möchte der fam.kleinhenz gratulieren!schöner artikel.Es gibt halt doch noch tier-
    liebende Menschen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten