
Rund 300 Fahrer aus der ganzen Welt nehmen kurz vor dem offiziellen Rennen über eine Strecke von rund 400 Kilometern die härtesten Anstiege der Tour de France in Angriff. Mit dabei ist heuer auch Roland Sauer aus Stockheim. Der 52-Jährige, der mittlerweile im hessischen Schlüchtern wohnt, fährt sogar ein Teilstück selbst mit.
Es ist die Fahrt, von der jeder Radfahrer träume, aber nur die Härtesten könnten sie schaffen, so der Veranstalter. Schließlich sind rund 11.000 Höhenmeter zu bewältigen und das bei teilweise einstelligen Temperaturen. Ihre Fahrt führt sie über fünf der steilsten Berge der Tour. Startpunkt ist in Briancon nahe Grenoble, Ziel nach vier Tagen Alpe d´Huez, ein Mythos als Bergankunft der Tour. Angesteuert wird auch der 2645 Meter hohe Col du Galibier, das „Dach“ des Radklassikers, mit einem der längsten Anstiege: rund 34 Kilometer. Die gesamte Veranstaltung ist kein Rennen, sondern der gemeinsame Kampf gegen den Berg.
Ein Traum geht für Roland Sauer in Erfüllung
Roland Sauer ist seit rund 30 Jahren leidenschaftlicher Hobby-Radsportler. Einen Großteil seiner Freizeit verbringt er ohne Motorantrieb auf zwei Rädern in Rhön und Spessart - oder auch mal in Spanien, Italien und Frankreich.
Als er vor rund zwei Jahren seinen 50. Geburtstag feierte, blickte er zum einen dankbar auf sein „gesundes, erfülltes Leben“ zurück, wie er es formuliert. Andererseits kam der Gedanke, mit seinem großen Hobby Radsport etwas Gutes zu tun. Mehr zufällig stieß er auf die „Cykelnerven“, bei der die Firma Merck Healthcare, selbst in der Sklerose-Forschung engagiert, als Sponsor fungiert. Merck in Darmstadt wiederum ist seit rund 20 Jahren sein Arbeitgeber. Sauer wirkt dort als Gruppenleiter im Labor-Bereich für die Qualitätskontrolle der Arzneimittel.
Also erkundigte er sich intern, ob er an der Tour teilnehmen könne – und bekam die Zusage. Ein Traum geht für ihn in Erfüllung. Nach seinem Wissen ist er der einzige Deutsche in dem gesamten Teilnehmerfeld. Die Hauptgruppe bilden mit rund 250 Personen die Dänen. Sein Merck-Team ist sechsköpfig mit vier Spaniern und einem Amerikaner besetzt. Sie kennt er bisher nur aus zwei Videoschalten.
"Cykelnerven" ist keine "Spaßveranstaltung"
Das hat alles etwas von Abenteuer. Roland Sauer wird mit seinem etwas betagten VW Polo auf eigene Kosten zum rund 900 Kilometer entfernten Startort in die französischen Alpen anreisen. Darin will er zwei Bikes verstauen. Sein Hauptfahrrad hat er sich zum 50. Geburtstag individuell anfertigen lassen. Das Gefährt einer italienischen Profimarke bestellte er bei einem Händler in Meran. Es ist exakt auf seine Körpermaße eingestellt, ausgestattet mit einer aus seiner Sicht traumhaften Campagnolo-EPS-Schaltung.

Der Schlüchterner hat die Pässe in den französischen Alpen alle schon früher auf zwei Rädern erklommen, den Col du Galibier bereits fünfmal befahren, erstmals im Jahr 1995 mit Schlafsack und Zelt im Gepäck. „Seitdem fasziniert mich dieser Pass. Da wollte ich unbedingt noch einmal hin“, schwärmt der 52-Jährige.
Die „Cykelnerven“ ist keine „Spaßveranstaltung“. Das ist Roland Sauer sehr bewusst. Dabei gibt es beispielsweise keinen „Besenwagen“, der bei anderen Events schwächere Teilnehmer aufsammelt. Das macht ihn aber nicht bange. Er fühlt sich für die Anforderungen gut gerüstet. Regelmäßig ist er drei- bis viermal pro Woche in der Region auf Strecken um jeweils 100 Kilometer unterwegs. Mal alleine, mal mit Kumpels aus der Rhön, mal mit Radsportfreunden des Turnvereins 1861 Schlüchtern – aber regelmäßig samstags auf der „Hausstrecke“ zum Rad-Stammtisch auf dem Kreuzberg. Quasi zum Warmlaufen hat er am Pfingstsonntag den Bimbacher Rhön-Radmarathon mit einer Strecke von über 210 Kilometern absolviert.
Roland Sauer gibt seinen derzeitigen Gemütszustand mit „ungläubigem Erwarten“ wieder. Wegen Corona war die Fahrt mehrfach angesetzt, verschoben und auch abgesagt worden. Nun soll es also wirklich wahr werden. „Ich freue mich sehr, dass es jetzt endlich losgeht“, gibt sich der Elmer erwartungsfroh.