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Schweinshaupten
Andy Albert: Von der Tischtennisplatte an den Tresen
Der Goldene Stern in Schweinshaupten hatte 32 Jahre lang zu. Nun hat der Tischtennis-Manager des TSV Bad Königshofen mit seiner Frau Kristin die Gastwirtschaft ihrer Vorfahren wieder eröffnet. Wie bewältigen sie diesen Nebenerwerb?
Bester Dinge bei der Eröffnung des Goldenen Stern in Schweinshaupten nach 32 Jahren (von links) Andreas Albert, Bettina und Jasmin Baum, Eleonore Clements, Kristin Clements-Albert und Helga Grüner.
Foto: Michael Nöth | Bester Dinge bei der Eröffnung des Goldenen Stern in Schweinshaupten nach 32 Jahren (von links) Andreas Albert, Bettina und Jasmin Baum, Eleonore Clements, Kristin Clements-Albert und Helga Grüner.
Michael Nöth
 |  aktualisiert: 09.02.2024 19:46 Uhr

Die Türe geht auf. Und man fühlt sich wohl. Kachelofen, Holzvertäfelung, der alte Boden - alles strahlt heimelige Wärme aus in der Gaststube. Holztische und Stühle sind gemütlich, Gäste unterhalten sich und lachen. Am Tresen steht ein Riese mit Mütze. Der Goldene Stern in Schweinshaupten hat nach über 30 Jahren erstmals wieder Gäste. Und Andy Albert, der Riese mit Mütze, kennt sie dem Anschein nach alle.

Ein Lebenstraum für Kristin Clements-Albert

Seit vergangenem Samstag haben Kristin Clements-Albert und ihr Mann Andy, den viele als Manager des Tischtennis-Bundesligisten TSV Bad Königshofen kennen, wieder Lebens ins uralte Dorfwirtshaus gebracht. Monate-, ja, jahrelang haben sie das anno 1720 erbaute "Gasthaus zum Goldenen Stern" in Schweinshaupten, einem Ortsteil von Bundorf in den Haßbergen, renoviert. Für die Chefin Kristin Clements-Albert ein Lebenstraum. Sie stammt gleichsam aus dem Gasthaus. Es sollte von der Erbengemeinschaft verkauft werden. Doch potenzielle Käufer hatten "lächerlich niedrige" Preisvorstellungen.

Ein Dorfwirtshaus, wie es im Buche steht: der Goldene Stern in Schweinshaupten.
Foto: Andreas Albert | Ein Dorfwirtshaus, wie es im Buche steht: der Goldene Stern in Schweinshaupten.

"Dann haben wir das eben selbst in die Hand genommen!", sagt die neue Wirtin. Die Erbengemeinschaft wurde ausgezahlt, Toiletten, Fenster, Küche und Wasserleitungen saniert, die Böden gewienert. Auch der Kachelofen von 1745 bollert wieder. "Rundum gemütlich. So kenne ich das Wirtshaus noch, als ich jung war", strahlt Rainer Kirchner, Anfang 60. Der Bauunternehmer aus dem Nachbardorf Sulzbach ist mit seiner Frau Sieglinde und Freunden zur Eröffnung in die Gaststube gekommen. "Das können wir uns doch nicht entgehen lassen, wenn wieder was los ist in Schweinshaupten", gibt er zu Protokoll. Und: "Ich seh noch den alten Wirt hinten im Eck, wie er den Kachelofen schürt!"

Ein Blick in die Geschichte des Goldenen Stern

Der alte Wirt, das war Kristin Clements-Alberts Opa. Der hieß Andreas Schneider. Eigentlich hatte dessen Vater Georg, der das Gasthaus in "Schweiste" 1915 übernommen und bis 1956 bewirtschaftet hatte, es seinem anderen Sohn Gustav übergeben wollen. Doch der kam nicht aus Stalingrad zurück. So war vor 65 Jahren Andreas Stern-Wirt geworden. Von dem hat dessen Enkelin Kristin  offensichtlich einige Gene mitbekommen. Denn sie ist Hauswirtschaftsleiterin in der Kindertagesstätte Oberlauringen, einer Einrichtung für junge Menschen mit Behinderung. Im neuen Goldenen Stern hat sie die Regie in der Küche. Am Eröffnungswochenende wurde sie unterstützt von ihrer Mutter und Andy Alberts Schwester Bettina, die mit ihrer Tochter Jasmin eigens aus Oberbayern angereist war.

"Wir haben nur an den Wochenenden auf und bieten ausschließlich Kaffee, Kuchen und Brotzeiten an", erzählt Wirtin Kristin. "Anders ist das für uns nicht zu schaffen. Schließlich haben wir auch noch unsere Berufe!" Ein Umstand, der Nachfragen erfordert: Wie viel Zeit bleibt dann für die Wirtschaft? Kristin Clements-Albert: "Ich komme freitags aus Oberlauringen, habe eine Stunde zum Vorbereiten, dann öffnen wir die Wirtsstube. Das passt schon", lacht sie. Und ihr Mann, für dessen Arbeit bei einem Elektronik-Markt in Coburg und als Bundesliga-Manager des TSV Bad Königshofen die 24 Stunden schon dicht gefüllt sind? "Das ist alles eine Frage der Struktur", lacht der 60-Jährige. Und gibt augenzwinkernd zu, dass bei etwaigen Termin-Überschneidungen jetzt der Tresen Vorrang vor dem Tischtennis habe. "Ich hab ja gute Leute aufgebaut beim TSV. Die können das genauso gut!"

Auch das gibt es noch: Diese Schafkopfkarten-Presse soll künftig wieder genutzt werden können im Wirtshaus.
Foto: Michael Nöth | Auch das gibt es noch: Diese Schafkopfkarten-Presse soll künftig wieder genutzt werden können im Wirtshaus.

Und nicht wenige seiner TSV-Freunde zählten zu den Helfern beim Renovieren. Beim Kurz-Rundgang durch das ehrwürdige Gebäude zeigt er das alte Sofa, das schon 1989 - als das Wirtshaus schließlich geschlossen wurde - geraume Zeit im kleinen Gastraum stand. Auch der Erdnuss-Automat mit tadellos funktionierender Ausgabe-Mechanik am Tresen lässt Erinnerungen wach werden an längst vergangene Wirtshaus-Gemütlichkeit. Die Schafkopfkarten-Presse aus massivem Holz funktioniert ebenso wie das Röhrenradio samt Plattenspieler. Andy Albert hat diese Utensilien wieder hergerichtet. "Alles selbst gemacht", sagt er nicht ohne Stolz. Da merkt man seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, die er in einem Schweinfurter Elektrogeschäft begonnen und bei Willi Mayer in Bad Königshofen verfeinert hat.

Hat im Fachwerk der Scheune alte Putzstrukturen entdeckt - und sie sichtbar gemacht für seine Gäste im Biergarten: Andy Albert, der Nebenerwerbswirt mit Mütze.
Foto: Michael Nöth | Hat im Fachwerk der Scheune alte Putzstrukturen entdeckt - und sie sichtbar gemacht für seine Gäste im Biergarten: Andy Albert, der Nebenerwerbswirt mit Mütze.

Fein ist auch der Biergarten eingerichtet, in dem die Alberts im vergangenen Sommer das ein oder andere Mal den Grill für Bekannte angeschürt haben. Künftig wollen die Alberts dort auch Wanderer und Radfahrer bewirten, die das Hassgau durchstreifen. Fremdenzimmer im oberen Stock gibt's genügend. "Das wollen wir so nach und nach angehen", sagt der Nebenerwerbswirt.

Nachhaltigkeit ist beiden Wirtsleuten ein Anliegen. "Wenn alles nach unseren Plänen läuft, könnte der Goldene Stern durchaus in der Familie bleiben", zwinkert Andy Albert hinüber zu seiner Nichte Jasmin, die gerade an einem vollbesetzten Tisch die Bestellung aufnimmt. "Jasmin hat schon in der Gastronomie gearbeitet in Olching und Freude am Job." So ganz abgeneigt von dieser Perspektive scheint die großgewachsene Mittdreißigerin gar nicht zu sein. "Ja, das macht wirklich Spaß. Und diese Wirtschaft ist es wert, weiterbetrieben zu werden", sagt sie und ruft ihre Mutter Bettina. Sie müssen langsam fertigwerden an diesem Sonntagabend. Schließlich steht für beide noch die Heimfahrt nach Oberbayern an. Auf den knapp 300 Kilometern werden sie vieles besprechen zur Zukunft dieser alten Wirtschaft.

 
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