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TISCHTENNIS: BUNDESLIGA INTERVIEW
Das Soll jetzt schon übererfüllt
Das Gespräch führte Rudi Dümpert
 |  aktualisiert: 15.01.2018 02:47 Uhr

Zwei Jahre lang wollten die Meister der Zweiten Tischtennis-Bundesliga nicht von ihrem Aufstiegsrecht Gebrauch machen. Ein Mal war es der TSV Bad Königshofen nach dem Titelgewinn 2015/16. Mit ihm schlugen alle weiteren neun Zweitligisten das Angebot der TTBL aufzusteigen aus. Selbst die Absteiger in die Dritte Liga hätten aufsteigen dürfen. Eine abstruse Konstellation in und um den Dachverband einer Sportart, die sich verrannt zu haben schien. Zu unterschiedlich waren die Spielsysteme, zu groß würden die Umstellungen in der TTBL, der Tischtennis-Bundesliga sein, von den finanziellen Mehrbelastungen, die zu stemmen wären, ganz zu schweigen. Dass der TSV Bad Königshofen nach seiner zweiten Zweitliga-Meisterschaft in Folge seine Abneigung gegen die Elite-Liga aufgab und die Neuner- wenigstens wieder zur Zehner-Liga komplettierte, hatte einen Grund: Kilian Ort. Der Lokalmatador, so die Bundestrainer, solle sich im Hinblick auf seine weitere Karriere dem Niveau der Ersten Bundesliga stellen, also notfalls den Verein wechseln. Das war der Punkt, an dem der Sinneswandel, die Entscheidung zum Aufstieg festgemacht wurde. Inzwischen ist die Hinrunde beendet, von der Rückrunde bereits das erste Spiel absolviert.

Was den Königshöfern den Aufstieg erleichterte: Es gibt keinen Absteiger in dieser Saison. Der Grund hierfür: Laut Beschluss des DTTB-Bundestags soll die Liga auf zwölf Vereine aufgestockt werden. Anlass genug für diese Zeitung, mit TSV-Manager Andy Albert ein Gespräch über seine Zwischenbilanz nach der Vorrunde zu führen.

Frage: Herr Albert, worin lagen Ihre größten Vorbehalte der ersten Bundesliga gegenüber?

Andy Albert: Es waren die Umstellungen vom Vierer- auf das Dreiersystem und von zwei auf einen Tisch, verbunden mit dem Verzicht auf die beiden Eingangsdoppel, in denen wir eine Macht waren und die für uns unverzichtbar schienen.

Waren diese Bedenken begründet, das heißt, wurden sie bestätigt oder konnte man sich damit arrangieren. Waren die Veränderungen vielleicht sogar Verbesserungen?

Albert: Ohne diese Doppel und nur drei Spitzenspielern, von denen einer allein schon zwei Drittel zum Sieg beitragen kann, befürchteten wir, die Prügelknaben der Liga zu werden und dass manche Spiele nach einer Stunde verloren sein würden. Die Mannschaft war aber konkurrenzfähiger als von mir erwartet. Sehr schnell fragte niemand mehr nach Doppel oder nach einem Parallelspiel am zweiten Tisch.

Durch diesen Centercourt haben die Stimmung und Unterstützung im Tollhaus Shakehands-Arena noch einmal zugenommen. Die neuen Tribünen im Innenraum sorgen zusätzlich für eine fantastische Atmosphäre. Im Ganzen gesehen war es also ein Schritt nach vorne. Ich kann nur jeden Zweitligisten ermuntern, den Aufstieg anzupeilen. Auf diesen Event-Charakter mit absolutem Spitzen-, mitunter Weltklasse-Sport möchten wir nicht mehr verzichten.

Wie haben die Zuschauer auf diese Veränderungen reagiert? Die Besucherzahlen lassen darauf schließen, dass das Publikum die Liga in dieser Form annimmt.

Albert: Die stetig steigenden Zuschauerzahlen belegen es: Sie haben sie akzeptiert, wie auch Gespräche nach dem Spiel und unter der Woche bestätigen. Diese Events ziehen auch viele Zuschauer an, die bisher mit Tischtennis nichts am Hut hatten.

Die beiden Tschechen Richard Vyborny und Marek Klasek waren zu Zweitliga-Zeiten besondere Sympathieträger. Sie haben sich durch ihre guten Leistungen und den Aufstieg gewissermaßen selber um ihren Arbeitsplatz gebracht, mussten den Verein verlassen. Finden Sie, dass das Publikum die Mannschaft annimmt, die ja nur durch einen neuen Spieler ergänzt wurde?

Albert: Absolut. Ihr Altersdurchschnitt wurde von 29,7 auf 20,0 gesenkt. Wir haben die jüngste Bundesligamannschaft, ich vermute aller Zeiten. Der Funke ist schnell übergesprungen, als die Leute merkten, dass die Jungs kämpfen, alles geben und von Spiel zu Spiel dazu lernen. Es ist Zuneigung auf Gegenseitigkeit. Sprechchöre wie in einem Fußballstadion oder die vielen Fan-Utensilien wie Trikots und Schals stimulieren sie zusätzlich. Es hat sich eine richtige Fangemeinde gebildet, die ständig wächst. Alle Gegner, die bisher hier waren, zeigen sich beeindruckt und beneiden uns ob dieser Atmosphäre. Richard und Marek bleiben natürlich unvergessen.

Dieser eine neue Spieler, Darko Jorgic aus Slowenien, war 18 Jahre jung, als Sie ihn verpflichtet haben. War das nicht ein sehr großes Risiko, ohne Spieler unter den Top 100 der Weltrangliste gegen Gegner, bei denen fast alle zu den Top 100 gehören, die meisten sogar zu den Top 50?

Albert: Ein Restrisiko bei einer Neuverpflichtung bleibt immer. Ich habe aber im Lauf der Jahre eine goldene Nase oder besser einen guten Riecher entwickelt. Ich habe ihn drei Monate vor der Unterschrift zum ersten Mal angerufen, als er noch in Italien im Meisterschaftskampf war. Das hat ihn förmlich elektrisiert, in der deutschen Bundesliga spielen zu dürfen. Ich habe den Kontakt erst noch mal abreißen lassen, weil noch zwei, drei andere Spieler im Gespräch waren. Dann spielte Kilian auf einem Turnier mit ihm. Sie verstanden sich auf Anhieb gut, er hat seine Klasse gesehen und zu einer Verpflichtung geraten. Ich wusste, es ist noch Luft nach oben, weil er da noch nicht professionell trainiert hat, sondern zur Schule ging. Dass er so explodiert, war natürlich nicht zu erwarten.

Jorgic gehört zu den drei erfolgreichsten Spielern der Bundesliga. Das weckt bestimmt Begehrlichkeiten von Großvereinen mit ganz anderen finanziellen Möglichkeiten. Wie reagieren Sie darauf?

Albert: Nach so einer Vorrunde gibt es natürlich viele Anfragen und ein Buhlen um Darko. Wir werden ihn natürlich nicht kampflos ziehen lassen, sondern uns beratschlagen und abwarten. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit. Wir werden ausloten, was machbar ist, uns aber nur in unserem Rahmen bewegen.

Welchen Anteil am Erfolg hat Trainer Koji Itagaki? Wird er bleiben?

Albert: Itagaki ist inzwischen ein fester Bestandteil des TSV-Leistungssports. Er ist ein akribischer Arbeiter und absoluter Experte. Er bereitet die Spieler bestens auf die Partien, auf ihre Gegner vor, schickt ihnen Videos, zeigt ihnen eventuelle Schwächen des Gegners auf und impft ihnen Selbstvertrauen ein. Sein berühmter japanischer Aufschrei bei einem gewonnenen Punkt gehört zum vertrauten Klangbild in der Arena und ist Deutschland-weit in der Szene bekannt. Die Familie Itagaki möchte so lange wie möglich in Bad Königshofen bleiben, sie fühlen sich alle pudelwohl. Die drei Kinder sind sehr gut integriert in der Grund- und Realschule und wachsen zweisprachig auf. Ich persönlich werde mich egal in welcher Funktion im Tischtennis immer dafür einsetzen, dass sie so lange sie wollen hier bleiben können.

Was ist aus Ihren sportlichen Erwartungen von vor der Saison bis heute geworden? Sie sprachen einmal von „wenigstens ein Sieg“, dann von „nicht Letzter werden.“ Jetzt sind Sie Achter, das wäre ein Nichtabstiegsplatz, haben schließlich die unschlagbare Borussia Düsseldorf geschlagen.

Albert: Unsere junge Mannschaft hat jetzt schon ihr Soll übererfüllt. Sie lernt ja dazu und wird nicht schlechter. Ich kann mir vorstellen, dass auch in der Rückrunde mancher Favorit gegen uns straucheln könnte. Positiv überrascht hat auch Filip Zeljko, der eine Klasse besser spielt als in der Zweiten Liga und sich mit der Bundesliga einen Kindheitstraum erfüllt hat. Nach unseren drei Siegen und den weiteren drei durchaus möglichen aber mangels Erfahrung nicht erreichten wird uns wohl kein Gegner mehr unterschätzen. Ich denke, wir werden unseren Zuschauern noch viel Freude bereiten. Den 18. März, letztes Heimspiel gegen den alten und wahrscheinlich auch neuen deutschen Meister Borussia Düsseldorf, sollte man sich im Kalender schon mal rot anstreichen.

 
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