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Willmars
Ahnenforschung: Von Willmars in den Wilden Westen
Simon Neumann aus Willmarswanderte um 1862 in die USA aus und machte dort sein Glück. Sogar eine Stadt in Kalifornien, Newman, trägt seinen Namen. Eine Spurensuche.
Judith Blum, Scott Ragsdale und Elisabeth Böhrer (von links) vor dem Anwesen in Willmars, auf dem früher das Geburtshaus von Joseph Neumann (Simons Vater) stand.
Foto: Wolfgang Grams | Judith Blum, Scott Ragsdale und Elisabeth Böhrer (von links) vor dem Anwesen in Willmars, auf dem früher das Geburtshaus von Joseph Neumann (Simons Vater) stand.
Martina Harasim
Martina Harasim
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:31 Uhr

Was hat ihren Urgroßvater bewogen, als 15-Jähriger seine Heimat zu verlassen? Wo ist er geboren, wie hat er gelebt, in welchen Umfeld ist er aufgewachsen? Antworten auf dieses Fragen erhofften sich Simon Neumanns Urenkelin Judith Blum (78) und ihr Sohn Scott Ragsdale (58) bei einem Besuch in dessen Geburtsort Willmars.

Aus Neumann wurde Newman

Simon Neumann, der seinen Namen später in Simon Newman änderte, wurde ein äußerst erfolgreicher Unternehmer. Der jüdische Junge aus Willmars gründete die Simon Newman Company,  eine Stadt und eine Bank. Um 1970 war die Simon Newman Company das größte familiengeführte Agrarunternehmen in Kalifornien.

Die Familiengeschichte in den USA hat Judith selbst recherchieren können. Bei der Suche nach Simons Wurzeln in Deutschland war sie auf fremde Hilfe angewiesen.   

Fakten dazu hatte Elisabeth Böhrer aus Sondheim parat. Sie schreibt Beiträge über jüdisches Leben und jüdische Geschichte in der Zeit vor dem Holocaust bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs,  betreut Ortschroniken und erstellt Stammbäume. Vergangene Woche begleitete sie Judith und Scott durch Willmars. Sie hat den Stammbaum der Familie Neumann erstellt und zeigte den Gästen, wo ihre  Vorfahren lebten. 

Bei Recherchen im Würzburger Staatsarchiv hat sie folgende Fakten ausgegraben: Simon Neumann wurde am 5. Mai 1846 in Willmars geboren. Seine Eltern waren Joseph Neumann aus Willmars und Mina (geborene Nußbaum) aus Hammelburg. Sein Großvater war der Viehhändler Juda Neumann aus Maroldsweisach und Rosa (geborene Bergmann) aus Willmars. Rosas Grab hat Elisabeth Böhrer auf dem Friedhof in Neustädtles ausfindig gemacht.  Die Grabstätten von Simons Eltern und zwei Schwestern sind auf dem Mellrichstädter Friedhof zu finden.

Wissen, woher man kommt

Sehr ergreifend fand Scott den Besuch in Willmars. Wenn er künftig an den Geburtsort seines Ur-Ur-Großvaters denkt, wird er  sich gerne erinnern an das schmucke kleine Dorf, an die blühenden Vorgärten, an die netten Bewohner und an die liebliche Landschaft, in die Willmars eingebettet ist, sagte er in einem Gespräch mit dieser Redaktion.   "Es ist wichtig zu wissen, woher man kommt", antwortete er, als er auf seine Motivation für den Deutschlandbesuch angesprochen wird. Er interessiert sich sehr für Geschichte und ist mit einer Deutschen verheiratet.

Scott Ragsdale am Grab von Rosa Neumann auf dem jüdischen Friedhof von Neustädtles.
Foto: Elisabeth Böhrer | Scott Ragsdale am Grab von Rosa Neumann auf dem jüdischen Friedhof von Neustädtles.

Über Simon Newmans Motivation, in den Wilden Westen der Vereinigten Staaten auszuwandern, ist nichts bekannt. Erklärungsansätze bietet Wolfgang Grams von "Routes to the Roots" (Wege zu den Wurzeln). Er hat den Trip organisiert und begleitet Judith und Scott. Die Mitarbeiter seines Instituts führten Recherchen durch, um den Herkunftsort von Auswanderern zu lokalisieren, und spürten Dokumente und relevante Informationen über die Auswanderung oder die Familiengeschichte auf. 

Hoffen auf eine bessere Zukunft

"Simon hatte einen typisch jüdischen Background", berichtet er. Viele dieser jungen Leute sahen in Deutschland keine Perspektive. Um 1860 machten sich viele auf in Richtung USA. Dort hatten sie mehr Freiheit: politisch, wirtschaftlich und religiös. Und warum gerade Kalifornien?  Im unerschlossenen Westen der Vereinigten Staaten gab es weite Landstriche, in denen sich die Siedler, nicht nur jüdische, Land erhofften, um sich mit landwirtschaftlicher Arbeit niederzulassen oder Geschäfte zu eröffnen. Sie konnten ihre Talente entfalten ohne die Zwänge und Beschränkungen, denen sie in ihren Herkunftsländern unterworfen waren.

Simon Newman. Das Bild wurde 1900 aufgenommen.
Foto: Western States Jewish History Association Archives | Simon Newman. Das Bild wurde 1900 aufgenommen.

Als 1848 in der Nähe von San Francisco Gold gefunden wurde, löste dies den bis dahin größten Goldrausch in der Geschichte der Vereinigten Staaten aus, das die Trecks nach Westen deutlich anschwellen ließ. Die Routen in den Westen waren für die Einwanderer daher gut erschlossen. Von Simon Newman ist bekannt, dass er den Weg über den Isthmus von Panama wählte. Andere schlossen sich von New Orleans Trecks über Land an, wieder andere wählten die Route um Kap Horn. 

Wo lebten die Urgroßeltern? 

Willmars ist nur ein Ziel der Studienreise von Judith. Sie will alle Landstriche kennenlernen, aus denen ihre Vorfahren nach Amerika auswanderten. Ihre zwei Großmütter und die zwei Großväter sind in Amerika geboren. Die Urgroßeltern dagegen stammen alle aus Europa und sind in den 1860er-Jahren ausgewandert. Wolfgang Grams hat die Archive durchforstet und Hinweise auf die Vorfahren in Ottensoos (Landkreis Nürnberg Land), Ichenhausen (Landkreis Günzburg) und in Straßburg gefunden. 

So sah der Newman Store aus.
Foto: Western States Jewish History Association Archives | So sah der Newman Store aus.
Simon Newman
Als 15-Jähriger verließ Simon Neumann Willmars. Sein Ziel war San Francisco. Dort lebte seine ältere Schwester Fanny. Sie war mit Sol Wangenheim verheiratet, einem Händler, der Simon unter seine Fittiche nahm. Das Jewish Museum of the American West hat den Lebensweg des Unternehmers nachgezeichnet: 1869 machte Simon sich in Hill's Ferry im San Joaquin Valley selbstständig. Das Tal war landwirtschaftlich geprägt. 2500 Farmer und Rancher bauten Getreide, Gemüse und Obst an und hielten große Vieh- und Schafherden. Simon Newman betrieb einen Getreidespeicher und verschiffte jährlich 150000 Tonnen landwirtschaftliche Produkte. Der Großhandel war nur eines seiner wirtschaftlichen Standbeine. Er selbst besaß mehrere Ranches und hielt Viehherden. Die Erschließung des Tals durch die Eisenbahn, die Pacific Railroad, brachte einen weiteren Boom. Newman stellte der Eisenbahngesellschaft Land zur Verfügung. Am Bahnhof siedelten sich viele Geschäfte an, die Stadt Newman war gegründet. 1898 vereinigte Simon Newman alle seine Unternehmen in der Simon Newman Company.  1903 gründete er die Bank of Newman. 1877 heiratete Simon Newman Pauline Strauss aus San Francisco. Das Paar hatte fünf Kinder, Rose, Minnie, Louis, Edwin und S. Walter. Der Pionier starb 1912. 
 
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