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TAUBERBISCHOFSHEIM
Überraschende Einigung im Streit um Fechttrainer
Untersuchungsbericht Fechtzentrum Tauberbischofsheim       -  Das Fechtzentrum Tauberbischofsheim
Foto: Jan-Philipp Strobel (dpa) | Das Fechtzentrum Tauberbischofsheim
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:42 Uhr

16 Monate lang hat Fechttrainer Sven T. mit scharfer Klinge gegen alle Beschuldigungen gekämpft: Der Tauberbischofsheimer Jugendtrainer wehrte sich juristisch gegen den vor kurzem aufgetauchten Vorwurf, vor 15 Jahren eine Weltklassefechterin in ihrem Hotelzimmer sexuell belästigt zu haben – und er wehrte sich gegen seine fristlose Kündigung.

Streit beendet

Nun scheint er des Kampfes müde: Fünf Tage vor einer neuen Runde vor dem Landesarbeitsgericht stimmte er einem außergerichtlichen Vergleich zu, der den spektakulären Rechtsstreit mit dem Landessportverband beendet. Das Landesarbeitsgericht in Stuttgart bestätigte, dass T. und sein ehemaliger Arbeitgeber, der Landessportverband (LSV), einen Kompromiss zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossen haben. Details wurden zunächst nicht genannt. Der LSV wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Wahrheit bleibt unklar

Damit bleibt die so genannte Hotelzimmer-Affäre von 2003 letztlich wohl unaufgeklärt, die über die Fechterszene hinaus hohe Aufmerksamkeit in ganz Deutschland gefunden hatte. Hat T. 2003 eine damals 17-Jährige im Hotelzimmer belästigt oder ist er – wie er sagt – Opfer einer Intrige im Machtkampf am Fechtzentrum Tauberbischofsheim? Für beide Versionen gab es Anhaltspunkte.

Zweifel an Aussagen

Die beiden Belastungszeuginnen hatten zunächst nur insgeheim beim LSV Aussagen gemacht. Wie diese drei Monate später beim Nachrichtenmagazin „Spiegel“ landeten, ist unklar. Aber der Trainer sagte vor Gericht: Als der LSV ihm im Dezember 2016 ultimativ die Kündigung vorlegte, habe man gedroht, den Fall an die Öffentlichkeit zu geben, sollte er die Kündigung nicht unterschreiben. Die Anwältin des LSV bestritt dies vor Gericht. Ein Teilnehmer des Kündigungsgespräches bestätigte allerdings unserer Redaktion gegenüber, solche Formulierungen gehört zu haben.

Ablösung schon früher betrieben

Überdies hatten maßgebliche Funktionäre des LSV – die inzwischen am Fechtzentrum das Sagen haben – bereits ein Jahr vor Bekanntwerden dieser Vorwürfe die Entlassung von T. und anderer gefordert – aus betrieblichen Gründen. Sie standen aus LSV-Sicht einer Neuausrichtung des Fechtzentrums im Wege, um auf die Erfolgsspur zurückzukehren. Dies zeigen uns vorliegende Unterlagen.

Als der damalige Geschäftsführer Harald Stempfer 2016 seine Mitarbeit zur Entlassung der Mitarbeiter verweigerte, tauchten plötzlich die Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen T. auf. Dem Leiter des Olympiastützpunktes, Matthias Behr, wurde von anonymer Seite vorgeworfen, bei der Vertuschung solcher Vorwürfe beteiligt gewesen zu sein.

Nicht im Zeugenstand

Die mutmaßlich belästigte Fechterin war in erster Instanz im vergangenen Sommer nicht im Zeugenstand aufgetaucht, ebenso wenig ihre Mitbewohnerin, die den Vorfall bestätigen sollte. Danach hatte T. das Verfahren gegen seine Kündigung in erster Instanz gewonnen, die Staatsanwaltschaft hatte keine Ermittlungen angestellt.

Doch der LSV ging in Berufung. Im Januar hatten beide Zeuginnen vor Gericht die Vorwürfe bestätigt. Aber ihre Erzählungen hinterließen viele Zweifel. Deshalb hatte das Gericht am 17. April einen weiteren Verhandlungstermin angesetzt, bei dem die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen ein Thema sein sollte. Sven T. und der LSV hatten dafür neue Fakten angekündigt.

„Bis an die Grenze des Erträglichen“

T. sagte am Donnerstag: „Seit nunmehr 16 Monaten bin ich Gegenstand von Anfeindungen und Beschuldigungen, die meine Familie und mich bis an die Grenze des Erträglichen belasten.“ Er sei „nach wie vor überzeugt davon, nichts Verwerfliches getan zu haben, was einen solchen öffentlichen Feldzug gegen mich rechtfertigen würde“. Aber die Hoffnungen, vor Gericht in einer vertretbaren Zeit zu seinem Recht zu kommen, hätten sich zerschlagen.

Um eine Perspektive auf eine berufliche Tätigkeit zu sehen, „habe ich mich schweren Herzens entschieden, den Rechtsstreit zu beenden.“ Dies geschehe „aus dem Wunsch heraus, die Auswirkungen der Streiterei auf meine Gesundheit und meine Familie in ertragbaren Grenzen zu halten“.

Anregung des Gerichts

In eingeweihten Kreisen ist davon die Rede, dass der LSV dem Trainer – über die Kündigung vom Dezember 2016 hinaus – nun für einen beträchtlichen Zeitraum das Gehalt nachzahlt, um die Situation zu befrieden. Das Gericht hatte angesichts des verbissenen Streits eine Weiterbeschäftigung des Trainers am Fechtzentrum nicht mehr für realistisch gehalten – auch unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Beschuldigungen.

Streit schwelt weiter

Das Gericht erklärte den Rechtsstreit für beendet, in Tauberbischofsheim schwelt der Streit darüber weiter, wer für die Rufschädigung des einst so erfolgreichen Fechtzentrums verantwortlich zu machen ist. Lothar Derr, Vorsitzender des Fechtclubs, kündigte interne Konsequenzen an: Er sei entschlossen, den Vorwürfen wegen vereinsschädigendem Verhalten von Mitarbeitern nachzugehen, die vor und hinter den Kulissen bei dieser Geschichte die Fäden gezogen haben.

„Nur Verlierer“

Der kurz vor dem Ruhestand stehende Matthias Behr ist der letzte namhafte Vertreter der goldenen Zeit des Fechtens in Tauberbischofsheim. Behr, der in der Affäre zeitweise Zielscheibe von Gerüchten und unbewiesenen Beschuldigungen wurde und sich dagegen verwahrte, sagte jetzt: „Von Anfang an war klar: In dieser Sache gibt es keinen Sieger, sondern nur Verlierer,“ sei es Sven T., der LSV oder der Fechtclub.

„Kein Fair Play“

Behr machte in einem persönlichen Statement mit Blick auf die neuen Herren im Fechtzentrum vom LSV deutlich: „Fair Play darf nicht nur bei Sportlern eingefordert werden, sondern sollte auch im Umgang mit Trainern und Angestellten praktiziert werden.“ Der einstige Weltklassefechter – der unter anonymen Beschuldigungen zeitweise wie ein Hund gelitten hatte – nahm kein Blatt vor den Mund: „Ganz persönlich wünsche ich mir, dass die Initiatoren und Nestbeschmutzer, die diese Schmutzkampagne in böser Absicht auf den Weg gebracht haben, irgendwann in ihrem Leben Ähnliches erleben müssen.“

 
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