Die fristlose Kündigung für den Tauberbischofsheimer Jugend-Fechttrainer Sven T. wegen angeblicher sexueller Übergriffe auf junge Athletinnen war falsch. In einem Teilurteil erklärte das Arbeitsgericht Heilbronn am Donnerstag die Kündigung des Landessportverbandes vom 22. Dezember 2016 für unwirksam.
„Dieses Gefecht ist noch nicht zu Ende“
T. zeigte sich im Gespräch sehr erleichtert: „Das waren die schlimmsten acht Monate in meinem Leben, in denen mir völlig zu Unrecht diese Vorgänge angedichtet wurden,“ sagte er und kündigte an: „Dieses Gefecht ist noch nicht zu Ende.“ Der Landessportverband war nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.
Der Trainer, der 26 Jahre in Tauberbischofsheim gearbeitet hatte, war von der Kündigung völlig überrascht worden. Der Landessportverband hatte insgeheim mehrere Zeuginnen zu angeblich über Jahre hinweg stattgefundenen Vorfällen sexueller Belästigung junger Athletinnen befragt. Dann hatte man dem Trainer bei einer Routinesitzung im Dezember 2016 überraschend die Kündigung vorgelegt.
Beim „Spiegel“ gelandet
Als sich Sven T. gegen die Beschuldigungen und die Entlassung juristisch wehrte, landete die Geschichte mit Einzelheiten aus internen Vernehmungen junger Sportlerinnen beim Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel. Mehrere Fechterinnen beklagten sich über T. und belasteten dabei auch Matthias Behr. Der einst selbst erfolgreiche Weltklasse-Fechter und heute Leiter des Olympiastützpunktes sei den Vorwürfen nicht nachgegangen, so das Nachrichtenmagazin. Behr und T. bestreiten die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft sah nach kurzer Prüfung keinen Anlass, gegen beide zu ermitteln.
In Heilbronn ging es jetzt um die überraschende Kündigung des Trainers und den angeblich gravierendsten sexuellen Übergriff: T. soll vor mehreren Jahren eine Sportlerin in ihrem Zimmer aufs Bett gezerrt und sich angekleidet auf sie gelegt haben - was er bestreitet.
Schlagabtausch
Vor Gericht nutzten Ende Juli beide Seiten die Chance, um gegen die andere Partei auszuteilen. Der Vater einer angeblich belästigten Fechterin soll gehört haben, wie seine Tochter einer Freundin am Telefon sagte: „Wir stellen T. eine Falle.“ Dann beklagten sich in einem Brief über T. mehrere Fechterinnen. Ein Teil von ihnen nahm die Vorwürfe später zurück.
Warum das alles erst Jahre später herauskommt, wo der Olympiastützpunkt um sein Überleben kämpft, konnten Vertreter des Landessportverbandes nicht erklären. Vor Gericht hieß es aber, es gebe eine andere Sportlerin als Zeugin für den Vorfall im Zimmer der attackierten Athletin – und manchmal dauere es Jahre, ehe Opfer sexueller Übergriffe bereit seien, zu reden. Eine Spitzenathletin aus Tauberbischofsheim sollte vor drei Wochen dazu als Zeugin aussagen. Überraschend sagte sie kurz vor dem Prozesstermin ihr Erscheinen ab und trat bei der Fecht-WM in Leipzig an.
„Frei erfunden“
T. sagte Mitte Juli vor Gericht, die bis 2003 zurückreichenden Vorwürfe sexueller Übergriffe seien „frei erfunden“. Man habe ihm im Dezember 2016 die fristlose Kündigung überreicht und gedroht, wenn er nicht unterschreibe, werde der Fall über die Presse bekannt gemacht. Das wurde vom Arbeitgeber vor Gericht bestritten – aber genau das passierte mit der Spiegel-Veröffentlichung.
Der Landessportverband als Arbeitgeber (und nicht der Fechtclub Tauberbischofsheim, wie das Gericht in einer Pressemitteilung vom Donnerstag falsch darstellte) hatten der fristlosen Kündigung eine ordentliche Kündigung hilfsweise nachgeschoben. Das Arbeitsgericht sagt jetzt: Der Verband habe – als er von den Vorwürfen erfuhr - die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht ziehen dürfen. „Allerdings hätte der Beklagte im konkreten Einzelfall zunächst eine – zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist begrenzte – anderweitige Beschäftigung des Klägers außerhalb des Trainings-und Wettbewerbsbetriebs erwägen und zuweisen müssen.“
Berufung möglich
Über eine zum 30. Juni ausgesprochene ordentliche Kündigung will das Gericht „nach Eintritt der Rechtskraft über die Entscheidung der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung“ entscheiden. Der Verband kann innerhalb eines Monats gegen dieses Teilurteil Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einlegen.