Gerade kreuzen die besten Fechter der Welt in Leipzig ihre Klingen. Gleichzeitig kämpfen am Arbeitsgericht Heilbronn zwei entlassene Trainer um ihre Zukunft – und den Ruf der einstigen Fechthochburg Tauberbischofsheim.
Einen wichtigen Kampf haben die Tauberfranken – einst das Mekka des Fechtsports – gerade verloren: Während der WM wird bekannt, dass der Fechtclub zum kommenden Jahr den Status eines Olympiastützpunktes verliert.
Dennoch haben sich die Tauberbischofsheimer Fechterinnen bei der WM bisher gut geschlagen. Von Leipzig aus schickten einige aber am Donnerstag SMS-Nachrichten nach Heilbronn, wo ihr früherer Trainer Andrea Magro am Arbeitsgericht gegen seine Kündigung stritt. „Halte durch und kämpfe“ wurde der italienische Florett-Weltklassetrainer von ehemaligen Schützlingen aus der Ferne ermuntert. Der Erfolgscoach war geholt worden, um die Sportlerinnen wieder in die Erfolgsspur zurückzubringen. Sein sechsstelliges Gehalt teilten sich der FC Tauberbischofsheim und der deutsche Verband.
Aufschrei der Fechterinnen nach Magros Entlassung
Doch im Februar war ihm aus Geldmangel gekündigt worden. Es folgte ein Aufschrei der Fechterinnen, die sich bei ihm in guten Händen fühlten. Vor dem Arbeitsgericht ging es um die Frage, ob die Kündigung gültig ist. Magro glaubt, er habe als Bundestrainer einen zweiten Arbeitgeber, den Deutschen Fechterbund. Er ließ nun aber durchblicken, dass er nicht mit aller Gewalt sein Arbeitsverhältnis fortsetzen werde. Gegen 100 000 Euro netto sei er zum Verzicht bereit. Doch Magro verlor den Prozess, weil seine Argumente das Gericht nicht überzeugt hatten. Die Kammer um den Vorsitzenden Frank Bantle wies die Klage am Abend ab.
Nach ihm suchte der fristlos entlassene Jugendtrainer Sven T. sein Recht. Er war 26 Jahre in Tauberbischofsheim tätig. Zur Jahreswende war er wegen angeblich über Jahre andauernder sexueller Belästigung von Fechterinnen gefeuert worden. Als sich der Trainer gegen die Beschuldigungen und die Entlassung wehrte, landete die Geschichte mit Einzelheiten interner Vernehmungen junger Sportlerinnen beim Hamburger Nachrichtenmagazin Spiegel.
Mehrere Fechterinnen beklagten sich über T.
Die Spitze der Vorwürfe: Matthias Behr, einst selbst erfolgreicher Weltklasse-Fechter und heute Leiter des Olympiastützpunktes, sei den Vorwürfen nicht nachgegangen, behauptete das Blatt. Behr und T. wehren sich gegen die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft sah nach kurzer Prüfung keinen Anlass, gegen beide zu ermitteln. In Heilbronn ging es jetzt um die überraschende Kündigung des Trainers und den angeblich gravierendsten der angeblichen sexuellen Übergriffe. T. soll eine Sportlerin in ihrem Zimmer aufs Bett gezerrt und sich angekleidet auf sie gelegt haben - was er bestreitet. Vor Gericht nutzten beide Seiten die Chance, um auszuteilen. Der Vater einer angeblich belästigten Fechterin soll gehört haben, wie seine Tochter einer Freundin am Telefon sagte: „Wir stellen T. eine Falle.“ In einem Brief beklagten sich über T. dann mehrere Fechterinnen. Ein Teil nahm die Vorwürfe später zurück – weil T. bei nächtlichen Anrufen darum gefleht habe, sagt die eine Seite. Weil es nicht stimmte, sagen andere, die jahrelang mit dem Trainer arbeiteten und von Übergriffen nie etwas erlebt oder gehört hatten.
Warum das alles erst jetzt herauskommt, wo der Olympiastützpunkt um sein Überleben kämpft, konnte die Anwältin des Landessportverbandes nicht erklären. Sie sagte aber, es gebe eine andere Sportlerin als Zeugin für den Vorfall im Zimmer der attackierten Athletin – und manchmal dauere es Jahre, ehe Opfer sexueller Übergriffe bereit seien, zu reden. T. sagte, die die bis 2003 zurückreichenden Vorwürfe sexueller Belästigung seien „frei erfunden“. Das sei „eine Intrige, die meine Familie kaputt macht“. Man habe ihm im Dezember 2016 unter einem Vorwand die fristlose Kündigung überreicht und gedroht, wenn er nicht unterschreibe, werde der Fall über die Presse bekannt gemacht. Das wurde von der Gegenseite bestritten – aber genau das passierte mit der Spiegel-Veröffentlichung.
Weiterer Termin möglich
Eine als Zeugin benannte erfolgreiche Fechterin hätte Licht ins Dunkel bringen können. Doch die mehrfach namentlich genannte Athletin zog es vor, in Leipzig bei der WM mitzufechten statt vor Gericht. Eine Einigung mit dem ehemaligen Arbeitgeber lehnt T. ab. „Er findet keine Anstellung, solange das im Raum steht“, sagte sein Anwalt. Das Gericht ließ sich die Möglichkeit offen, bei einem weiteren Termin doch noch die Zeugin zu hören, nach dem Ende der WM.