Michael Konrad leitet die Sport Vath GmbH in Bad Mergentheim - noch. Im Sommer steht der letzte offizielle Verkaufstag des 1984 in Igersheim gegründeten Sportartikel-Einzelhändlers an, dann werden die Pforten geschlossen. Der Räumungsverkauf läuft bereits, die großen roten Reduzierungsbanner stehen in den Schaufenstern.
2001 begann Michael Konrad bei Sport Vath als Angestellter, 2007 wurde er Geschäftsführer, 2010 schließlich alleiniger Gesellschafter. Weshalb hat er sich dazu entschlossen, diesen Weg zu gehen und das Unternehmen nicht weiterzuführen? Das habe nichts mit roten Zahlen zu tun, erklärt er: "In der jetzigen Situation haben wir eine blütenweiße Weste und gehen damit auch raus, da bin ich sehr froh. Aber ich befürchte, so wäre es nicht weitergegangen."
Viele Artikel im Internet sind billiger
Vergangenes Jahr habe eine Mietvertragsverlängerung angestanden "und dabei ging es nie um Jahresverträge, sondern um Zusagen für die nächsten fünf bis zehn Jahre." Während er perspektivisch überlegte, habe er mit Blick auf den Sportartikel-Markt ein mulmiges Gefühl bekommen: "Die Big Player wie Adidas und Nike forcieren zunehmend den Onlinehandel, der Einzelhandel vor Ort steht hinten an. Genau der Handel, der sie groß gemacht hat. Jetzt fließen die begehrten Artikel ins Onlinegeschäft. Diese können wir gar nicht mehr anbieten und damit die Begehrlichkeiten der Kunden nicht annähernd erfüllen." Da helfe es auch nicht, ein guter Gastgeber zu sein, wenn jemand nicht das Produkt bekomme, das er möchte. Zudem seien die Artikel im Internet teilweise billiger und viele nicht bereit, den Aufpreis für Service und Beratung beim Zwischenhändler zu zahlen. Corona hätte dieses veränderte Verkaufsverhalten vorangetrieben: "Das hat uns ziemlich ausgebremst. Auch weil die Sportartikelbranche keine ist, die das Rad jedes Jahr neu erfindet. Wer hier ein Produkt für sich entdeckt, der kann es meist einfach nachbestellen."
Mit einem angepassten Geschäftskonzept durchzustarten, darüber habe er nachgedacht. Über den Sportfachhandel-Zusammenschluss "Sport2000" ging die Empfehlung raus, sich zu spezialisieren, also für Bereiche wie "Outdoor" als Experte aufzutreten. Doch das reichte dem 46-Jährigen nicht als Sicherheit, um regelmäßig die Gehälter und Fixkosten zu stemmen. Auf einen Webshop wollte der Inhaber nicht umstellen, da es seitens des Verbands hieß: "Fangen Sie nicht an Päckchen zu packen, wenn es nicht ihr Kerngeschäft ist." Und darin sähe er auch gar nicht seine Leidenschaft.
Michael Konrad ist nach wie vor sportbegeistert, läuft am Abend, um den Kopf frei zu bekommen. Dieses Interesse hat er immer gerne mit seinen Kundinnen und Kunden geteilt, sich mit Menschen ausgetauscht, richtige Freundschaften seien entstanden. "Nachdem unsere Stammkunden von der Schließung erfahren haben, kamen viele Nachrichten, wie schade es sei, dass wir zumachen. Es stimmt, ich habe manch einen vom Maxi-Cosi bis zu seinem ersten Erwachsenen-Ski begleitet."
Noch ist "daily business" bei Sport Vath. Aber natürlich gibt es für die Zeit nach der Schließung schon Pläne. "Bis auf eine Mitarbeiterin sind alle im Team anderweitig untergekommen. Das nimmt mir eine Riesenlast von den Schultern." Michael Konrad selbst ist gelernter Steuerfachangestellter und wechselt ins Büromanagement eines Handwerksbetriebs. Das umfangreiche Sportwissen, das er sich über die Jahre hinweg angeeignet hat, möchte er weiter einbringen und Menschen helfen. In welcher Form, das weiß er noch nicht genau. Erst einmal will er bei seinem neuen Arbeitgeber gut starten. Es wird eine Umstellung für ihn, der Wechsel von der Selbstständigkeit ins Angestelltenverhältnis und nicht mehr Kontakt zu so vielen Menschen an einem einzelnen Tag zu haben. Aber Michael Konrad ist gespannt: "Schön ist, dass das Wochenende dann nicht erst Samstagabend beginnt."
Mehr Parkplätze in der Innenstadt wären von Vorteil
Der Stadt Bad Mergentheim kreidet er die Geschäftsschließung nicht an. Vor einigen Tagen sei er von OB Udo Glatthaar sogar zu einem Gespräch eingeladen worden, der sich für die Hintergründe der Entscheidung interessierte. "Ich habe ihm gesagt, dass die Stadt den Entschluss weder pro noch contra hätte beeinflussen können." Sicherlich wäre es gut, wenn es in der Bad Mergentheimer Innenstadt mehr Parkplatzmöglichkeiten gäbe und sich die Verkehrssituation klärt. Für ihn sei das allerdings nicht relevant gewesen, da direkt vor dem Laden Parkplätze verfügbar seien: "Das war nötig, denn schwer händelbare Artikel wie Leih-Skier kann man nicht durch die halbe Stadt tragen."
Waren es bei Sport Vath also veränderte Marktverhältnisse, die zu der Geschäftsaufgabe geführt haben? Und was waren die Gründe für die jüngsten Geschäftsschließungen von "Sambeth am Markt" und "Café Ehrler"? Gibt es einen Trend hin zu mehr Geschäftsschließungen?
"Gehäufte Schließungen sehen wir nicht – auch wenn die Stadt natürlich jede Geschäftsaufgabe bedauert", äußert sich Lorena Klingert, Stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Bad Mergentheim dazu: "Bei genauer Betrachtung ergibt sich ein durchaus differenziertes Bild: Beim Sportgeschäft sind nach eigener Darstellung die Marken-Lieferanten das Problem, das Café Ehrler schließt wegen Ruhestand der Inhaber und bei Sambeth suggeriert das Wort ‚Schließung‘ einen Leerstand, den es aber nicht gibt, da in der attraktiven Lage sofort eine Nachnutzung da war."
Weiter führt sie aus, dass mit dem Neugründerbonus und dem Corona-Hilfsfonds die Stadt zwei Maßnahmen ergriffen hätte, um den Einzelhandel zu stärken und Schließungen zu vermeiden. "Mit dem Corona-Hilfsfonds mit einem Volumen von 500.000 Euro hat die Stadt Bad Mergentheim 2020 zusätzliche Überbrückungsmittel zu den Landes- und Bundeshilfen schnell und unbürokratisch zur Verfügung gestellt. 95 Unternehmen und Geschäfte haben diese abgerufen. Im zweiten Schritt hat der Gemeinderat 2021 als weitere Maßnahme zur Innenstadt-Attraktivierung einen ‚Neugründerbonus‘ beschlossen und dafür 15.000 Euro bereitgestellt. Gerade inmitten der Corona-Krise, die den Handel wirtschaftlich besonders trifft, sollte das Programm auch ein Mittel gegen Leerstände sein.
Finanzielle Fördermittel gibt es von der Stadt und vom Land
Der Bonus kann von inhabergeführten Neugründungen aus den Bereichen Einzelhandel und Gastronomie in Anspruch genommen werden." Konkrete Neugründungen, die von dem Neugründerbonus profitiert hätten, seien das Geschäft "42m²" von Katharina Dietz in der Funkengasse 4, bei dem sich alles um nachhaltige und faire "Alltagsprodukte mit Herz & Verstand" drehe, das Brautmoden-Fachgeschäft "Herzmoment", das Sandra Hörner in der Ochsengasse 10 eröffnet habe sowie das Ladengeschäft "Freddy‘s and friends - rund um Hund und Katz'" von Anna Zimmerer in der Mühlwehrstraße 27, deren Lebensgefährte im selben Gebäude mit einem Fotostudio eingezogen sei. Außerdem die Gaststätte "Zum Löwen" im Teilort Markelsheim.
Eine weitere Initiative der Stadt Bad Mergentheim zur Innenstadt-Attraktivierung sei beispielsweise die "Virtuelle Reise in die Urzeit - Dino-City" und dadurch noch bis Ende Mai die Bad Mergentheimer Innenstadt zur "Dino City" mutiert. Im Rahmen des Förderprogramms "Sofortprogramm Einzelhandel / Innenstadtbelebung" wird die Veranstaltung auch mit Fördermitteln vom Land unterstützt. "Um das farbenfrohe Frühlingserwachen in der Innenstadt komplett zu machen, fasziniert auf dem Gänsmarkt ein großflächiges 3D-Straßenkunstwerk von Streetartist Marion Ruthardt."
Langfristig profitiert die Kurstadt von der Landesgartenschau 2034
Auch sei Ende 2020 die Umstellung der bisher gedruckten und händisch ausgestellten City-Gutscheine auf die digitale m-card erfolgt und es "fanden und finden in diesem Frühjahr außerdem ein verkaufsoffener Sonntag, ein Krämermarkt, ein dreitägiges Streetfood Festival, die lange Einkaufsnacht "Nachtbummel" sowie das Internationale Oldtimerbus-Treffen in der Innenstadt statt."
Reizvoll sei die Erreichbarkeit der Parkanlagen Schlosspark und Kurpark auf kurzen Wegen sowie die Altstadt-Kulisse mit Residenzschloss: "Der Schloss-Vorplatz ist seit dem vergangenen Jahr autofrei, was die Aufenthaltsqualität zusätzlich erhöht." Zur Bewertung der Lage betont Lorena Klingert: "Glücklicherweise konnte Bad Mergentheim während und nach den Corona-Zwangsschließungen keine Geschäftsaufgaben oder Insolvenzen verzeichnen. Die leerstehenden Einzelhandelsflächen belaufen sich im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Innenstädten auf ein Minimum.
"Was wir für uns für Bad Mergentheim noch sehr gut vorstellen könnten, wäre ein 'Unverpackt-Laden', in dem man regionale Produkte ohne Verpackungsmüll zu produzieren, einkaufen kann", erklärt Klingert und blickt optimistisch in die Zukunft. Langfristig würde Bad Mergentheim von der Landesgartenschau 2034 profitieren. Die Konzeption beinhalte unter anderem die Sanierung und Aufwertung der Fußgängerzone.