Anfang September startete auch in der Region bei vielen Unternehmen das neue Ausbildungsjahr. Wie ist die Situation – steht ein Studium nach wie vor hoch im Kurs bei den Schülerinnen und Schülern, die die Schule erfolgreich abgeschlossen haben? Wie schwer war und ist es für Firmen im Main-Tauber-Kreis, ihre Stellen vor allem im technischen und handwerklichen Bereich zu besetzen? Vertreterinnen und Vertreter sowie Auszubildende berichten von ihren Erfahrungen zum Ausbildungsbeginn.
"Wir haben bisher nie aktiv nach Auszubildenden gesucht. Seit 2020 hatten wir, bis auf eine Ausnahme, stets ein bis zwei Auszubildende pro Lehrjahr – alle kamen durch Initiativbewerbungen zu uns", erklärt Marina Zeitler, Architektin und Mitgründerin von Zeitwerk-Design, einer Schreinerei für Entwurf, Planung und Fertigung in Tauberbischofsheim. "Die jungen Leute finden uns meist über Instagram und bewerben sich dann spontan. Unser Vorgehen ist simpel: Sie arbeiten ein paar Tage bei uns, und dann schauen wir gemeinsam, ob es für beide Seiten passt. Bisher war es immer ein Match. Dieses Jahr hatten wir sogar bis zu den Sommerferien noch keine Azubi-Stelle besetzt – bis die Mail von Louisa kam."
Handwerkliche Tätigkeiten hätten sie schon immer interessiert, erläutert Louisa Feuerstein ihren Berufswunsch: "Bei Zeitwerk-Design durfte ich ein Praktikum machen. Dabei habe ich gesehen, was alles zum Beruf 'Schreiner' dazugehört. Das Arbeiten im Betrieb, auf Montage und die Zusammenarbeit im Team." Besonders gefallen hätte ihr das abwechslungsreiche Arbeiten. "Das hat mich bestärkt und überzeugt." Von ihrer Ausbildung erwartet sie, den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen und Materialien zu erlernen und dabei "kreativ zu sein, von der Idee bis zum fertigen Produkt." Das erste Jahr absolviert Louisa in der Vollzeitschule bei den 'Schreinern', danach beginnt sie in der Werkstatt zu arbeiten.
Zum Ausbildungsstart am 2. September begrüßte das Unternehmen Lauda insgesamt 13 Nachwuchskräfte. Sandra Braun, Leiterin Personal, äußert sich zufrieden über den gelungenen Auftakt: "Entgegen dem allgemeinen Trend konnten wir alle unsere Ausbildungsplätze schnell und vollständig mit motivierten jungen Menschen besetzen – darüber freuen wir uns sehr. Unser Erfolg basiert auf einem vielseitigen Ansatz: Wir präsentieren uns auf regionalen Bildungsmessen, bieten Schulklassen spannende Betriebsbesichtigungen und kooperieren mit den Futurelabs, die Jugendlichen die Faszination für MINT-Berufe vermitteln. Besonders wertvoll waren die Praktika einiger neuer Azubis, die vorab authentische Einblicke in gewerblich-technische Berufe ermöglichten."
Der Ausbildungsstart sei hervorragend verlaufen, mit persönlicher Begrüßung durch die Geschäftsführung, sagt sie. Die Freude über den Karrierestart bei Lauda sei allen neuen Auszubildenden anzumerken gewesen. Besonders begeistert habe sich ein angehender Mechatroniker für Kältetechnik gezeigt: "Lauda ermöglicht mir, mein Hobby zum Beruf zu machen. Hier kann ich jeden Tag meiner Leidenschaft fürs Schrauben und Tüfteln nachgehen – genau das, was ich für meine Berufsausbildung gesucht habe."
Im Main-Tauber-Kreis gibt es noch 77 freie Ausbildungsplätze
Über die positive Entwicklung freut sich auch Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Heilbronn-Franken. „Wir freuen uns sehr, dass das Handwerk im zweiten Jahr in Folge einen, wenn auch kleinen, Zuwachs an Auszubildenden verzeichnet. Unsere Betriebe brauchen Verstärkung und freuen sich über jeden einzelnen Azubi. Leider konnten zum Ausbildungsstart im Main-Tauber-Kreis nicht alle Ausbildungsstellen im Handwerk besetzt werden. In unserer Lehrstellenbörse sind aktuell noch 77 freie Ausbildungsplätze zu finden", so Schnörr. Das zeige den hohen Bedarf und die hohe Ausbildungsleistung der Handwerksbetriebe.
49 Auszubildende und Studierende haben zum 1. September bei der Wittenstein SE ihre Ausbildung aufgenommen. "Damit konnten wir seit ein paar Jahren erstmals wieder alle Stellen besetzen", berichtet Minouche Sonnekalb, Leiterin "Dual Education & Studies" bei Wittenstein SE. "Bei Studiengängen, kaufmännischen und IT-Ausbildungsberufen gelang dies einfacher als bei technischen Ausbildungsplätzen", bestätigt sie den Trend. "Unsere kreativen Maßnahmen zeigen aber auch hier Erfolge. So zum Beispiel das neue Modell ‚Ausbildung plus 1‘, speziell für Flüchtlinge und Migranten, bei dem sich die reguläre Ausbildungsdauer um ein Jahr verlängert. Die zusätzliche Zeit wird für fachspezifischen Sprachunterricht und die Aufarbeitung von unterschiedlichen Schulbildungsinhalten genutzt." Auch die von Wittenstein aufgebaute "Duale Berufsorientierung", ein strukturiertes Kooperationsprogramm mit Schulen, zeige Wirkung im späteren Recruiting.
Ralf Schnörr fügt hinzu: "Jugendliche, die aktuell noch eine Ausbildungsstelle suchen oder sich nicht sicher sind, wo die berufliche Zukunft hingehen soll, möchte ich sagen: Der Einstieg in eine Ausbildung im Handwerk ist auch jetzt noch möglich. Denn das Handwerk bietet über 130 spannende Berufe, die die unterschiedlichsten Interessen und Fähigkeiten junger Menschen ansprechen. Vor allem die Berufe, die sich mit dem Klimaschutz und der Energiewende befassen, wie beispielsweise Elektroniker, Anlagenmechaniker für Sanitär- Heizungs- und Klimatechnik oder Zimmerer, sind aktuell besonders gefragt und haben enormes Potenzial. Wer sich für einen Beruf im Handwerk entscheidet, muss sich um seine berufliche Zukunft garantiert keine Sorgen machen“, so der Hauptgeschäftsführer.