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Tauberbischofsheim
Zerstörungsfahrt mit Bagger in Tauberbischofsheim endet tödlich: War der Frust über die Kündigung der Auslöser?
Mit gezielten Schüssen hat die Polizei in Tauberbischofsheim die gefährliche Baggerfahrt eines 38-Jährigen gestoppt. Der Mann kam dabei ums Leben. Bürgermeister Joachim Markert berichtet vom Beginn der Tat in Grünsfeld.
Erst mit gezielten Schüssen konnten Polizisten am Dienstag die Fahrt dieses Baggers in Tauberbischofsheim stoppen. Der Fahrer kam dabei ums Leben. Er hatte den Bagger zuvor in Grünsfeld gestohlen und auf seiner Fahrt drei Polizisten verletzt und Streifenwagen beschädigt.
Foto: Fabian Koss, dpa | Erst mit gezielten Schüssen konnten Polizisten am Dienstag die Fahrt dieses Baggers in Tauberbischofsheim stoppen. Der Fahrer kam dabei ums Leben.
Conny Puls
,  Manfred Schweidler
 und  Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 06.01.2025 02:30 Uhr

Wut auf seinen früheren Arbeitgeber soll den Ex-Mitarbeiter einer Baufirma in Tauberbischofsheim an Silvester zu seiner zerstörerischen Baggerfahrt getrieben haben. Ihm soll vor rund einem Jahr gekündigt worden sein, sagen mehrere Personen, die den 38-Jährigen kennen. Er starb, als die Polizei ihn mit gezielten Schüssen zu stoppen versuchte. Eine offizielle Bestätigung für dieses Motiv gab es am Neujahrsmorgen zunächst nicht.

Aus Frust beim Ex-Arbeitgeber randaliert?

Ersten Erkenntnissen der Polizei zufolge hat der Mann im knapp zehn Kilometer von Tauberbischofsheim entfernten Grünsfeld (Main-Tauber-Kreis) gegen 13.35 Uhr den Bagger gestohlen. Sowohl die Baufirma, in der er mit dem Bagger Gebäude und Fahrzeuge demolierte, als auch ein Autohaus in Tauberbischofsheim, an dem er eine Stunde später ums Leben kam, sollen derselben Person gehören.

Auf dem Weg von Grünsfeld nach Tauberbischofsheim entlang der Bundesstraße versuchten mehrere Polizeistreifen, die Baumaschine zu stoppen. Vier Streifenwagen wurden beschädigt, eine Polizistin in ihrem Wagen zunächst eingeklemmt. Sie sei nun dienstunfähig, sie habe aber das Krankenhaus verlassen können, meldete das Polizeipräsidium Heilbronn. Über zwei weitere verletzte Beamte waren zunächst keine Details bekannt.

Der Baggerfahrer hinterließ eine Spur der Verwüstung, darunter mehrere demolierte Streifenwagen.
Foto: Fabian Koss, dpa | Der Baggerfahrer hinterließ eine Spur der Verwüstung, darunter mehrere demolierte Streifenwagen.

Das Video einer Anwohnerin zeigt den Moment, in dem der Bagger am Stadtrand der Kreisstadt ankommt und neben einer Tankstelle ohne Rücksicht auf andere Autos wild herumkurvt. Auf dem Video sind fünf bis sechs Schüsse zu hören. Der Bagger setzt seine Fahrt in Richtung Tauberbrücke fort.

Gezielte Schüsse, vergebliche Wiederbelebungsversuche

In einem nahegelegenen Autohaus in der Mergentheimer Straße wollte der Fahrer offenbar sein zerstörerisches Werk fortsetzen. "Während der Verfolgung gaben mehrere Polizeibeamte Schüsse auf das Fahrzeug ab, um dieses zu stoppen, nachdem Lautsprecherdurchsagen erfolglos geblieben waren," teilte eine Polizeisprecherin mit. "Als der Mann seine Fahrt vom Autohaus erneut fortsetzen wollte, gaben die Beamten letztendlich auch Schüsse auf ihn ab." Der Mann wurde tödlich getroffen. Er sei noch einmal wiederbelebt worden, dann aber vor Ort gestorben, schreibt das Polizeipräsidium Heilbronn.

Dort sah man am Mittwoch keine Hinweise für einen politischen Hintergrund. Über eine psychische Erkrankung bei dem Täter konnte eine Sprecherin der Polizei zunächst nichts sagen. Wie in Fällen von polizeilichen Schusswaffengebrauch üblich, übernahmen die Staatsanwaltschaft Mosbach und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg die Ermittlungen. Die Ermittler schätzen, dass der Mann bei der Verfolgungsfahrt einen Schaden im Millionenbereich angerichtet hat.

Grünsfelds Bürgermeister: Anwohner sahen, wie er über den Zaun kletterte

Joachim Markert, Bürgermeister der Stadt Grünsfeld, wo die Zerstörungsfahrt begonnen hatte, erfuhr über Nachbarn der Baggerfirma per Anruf von den Vorgängen auf dem Firmengelände. "Ich bin dann sofort hingefahren. Das Polizeifahrzeug war da schon weg. Ich habe den Schaden gesehen und war fassungslos", sagt er am Mittwochmorgen gegenüber der Redaktion. Vor Ort habe er auch einen Mitarbeiter der Firma getroffen. "Er war mit seinen beiden kleinen Kindern dort, denen er den Betrieb und die Maschinen zeigen wollte." Der Mitarbeiter, der laut Markert alles mit angesehen hatte, habe seine Kinder in Sicherheit gebracht und die Polizei informiert. 

Wie der Bürgermeister weiter berichtet, habe ein Ehepaar, das unmittelbar neben dem Firmengelände wohnt, beobachtet, wie sich ein Mann – mutmaßlich der Täter – im rückwärtigen Bereich auf das Firmengelände geschlichen habe und über einen Zaun geklettert sei. Auch sie hätten die Beschädigungen mitbekommen und die Polizei verständigt.

Er selbst sei knapp drei Stunden vor Ort gewesen, so Markert. Die Grünsfelder Feuerwehr sei im Einsatz gewesen, um das vom Bagger beschädigte Polizeiauto zu sichern. Ein zweites Polizeifahrzeug – ein Bus – habe trotz Beschädigung seine Fahrt fortsetzen können. Er sei froh, dass über das Geschehene hinaus in Grünsfeld nicht noch mehr passiert sei.

Betriebsinhaber erfuhr im Ausland von der Tat

Am Firmengelände hätten sich später auch Mitarbeiter des Unternehmens eingefunden. "Die standen alle unter Schock. Denen hat es den Boden unter den Füßen weggezogen, als sie die Schäden gesehen haben", sagt Markert. Der Betriebsinhaber habe sich im Ausland befunden und von dem Vorfall am Telefon erfahren. Die Firma sei seit etwa drei Jahren in Grünsfeld ansässig und engagiere sich vor Ort stark sozial, vor allem im sportlichen Bereich. 

"Das Ausmaß war ein Schockmoment", sagte Anette Schmidt, Bürgermeisterin von Tauberbischofsheim, am Mittwochmorgen gegenüber der Redaktion. "Es ist fast unglaublich, dass nicht mehr passiert ist." Sie sei durch die Feuerwehr alarmiert worden, die ebenso wie Polizei und Rettungskräfte schnell vor Ort gewesen seien. "Ich bin allen Einsatzkräften sehr dankbar, auch wenn dies ein denkbar schlechtes Ende von 2024 war." 

Polizeigewerkschaft verteidigt Vorgehen

Thomas Mohr, der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), bewertete den Einsatz seiner Kolleginnen und Kollegen am Nachmittag: "Die eingesetzten Kräfte haben in einer extrem dynamischen und gefährlichen Situation professionell gehandelt und damit Schlimmeres verhindert." Es sei "tragisch, dass am Ende ein Menschenleben zu beklagen ist, doch die Polizei hatte die Verantwortung, weitere Opfer zu verhindern und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Dafür gebührt unseren Einsatzkräften großer Respekt."

Die Polizei ruft die Bevölkerung zur Übermittlung von gefertigtem Videomaterial über das Hinweisportal unter https://bw.hinweisportal.de auf. Zeugen, Geschädigte sowie durch die Fahrt gefährdete Personen sollen sich unter Tel. (09341) 810 mit dem Polizeirevier Tauberbischofsheim in Verbindung setzen.

 
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  • Emilie Krenner
    Es gibt ein Video der letzten Minute bis zu den tödlichen Schüssen. Der Bagger verliert bereits unübersehbar stark Hydrauliköl. Unmittelbar bedroht wird in dem Moment niemand. Viele Bilder zeigen danach alle Einschusslöcher in der Kabine auf Kopf und Brusthöhe. Aber überlassen wir das Urteil den Ermittlern und Richtern.
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  • Kai-Uwe Patz
    Den Polizisten vor Ort ist kein Vorwurf zu machen, mit der zur Verfügung stehenden Ausrüstung gab es keine andere Möglichkeit. Schwerere Einsatzfahrzeuge hätten die Maschine vielleicht stoppen können, eine stärkere Bewaffnung mit automatischen Waffen hätte es vielleicht geschafft, Reifen oder Motor dieses Gefährts zu zerstören - aber das steht in Deutschland alles erst einem SEK zur Verfügung. Da die "Gegenseite" mittlerweile mit LKWs durch Weihnachtsmärkte pflügt mit schweren Baumaschinen auf Industriegebiete losgeht, stelle ich die Frage in den Raum, ob die bisherige Ausrüstung und Ausbildung der Polizei noch genügt! Wir dürften uns alle einig sein, dass die jetzt zu erwartende politische Standard Lösung: Schilder mit der Aufschrift "Durchfahrt für schwere Baumaschinen verboten" nicht ausreicht.
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  • Peter Koch
    Panzerfaust als Dienstwaffe oder doch lieber Panzerhaubitze als Streifenwagen?
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  • Emilie Krenner
    Ein Panzer ist so ein Bagger auch nicht. Da gibt es jede Menge empfindliche Teile und dünnwandige Tanks für Öl und Diesel hinter dünnen Blechverkleidungen.
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  • Wolfgang Schuchard
    Und mit einem Schuss ist dann plötzlich der ganze Dieseltank oder Hydrauliktank leer?
    Gerade bei so einem Bagger sind da wegen des Gegengewichts auch ganz massive Gehäuse verbaut. Unterscheiden Sie das erst einmal als Laie.
    Da kann ja jetzt ein Gutachter mit einem mehrwöchigen Gutachten prüfen, wie weit der noch gekommen wäre.
    Die Polizisten, die zu verhindern hatten, dass die Amokfahrt an einem belebteren Ort weitergeht, hatten diese Zeit nicht.

    Dem Bericht nach war eine Beamtin im Streifenwagen bereits eingeklemmt worden. Die Gefahr, dass er Menschen auch umbringt, war wohl da. So traurig das Ergebnis ist, scheint der Einsatz der Mittel abgewogen gewesen zu sein. Den Rest müssen die Ermittlungen ergeben. Da bleiben unsere Kommentare nur ein Stochern im Nebel.
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  • Martin Deeg
    „Den Polizisten vor Ort ist kein Vorwurf zu machen“…

    Sehe ich auch so (allerdings wäre zu klären was genau nach über 50 Minuten letztlich den konkreten Ausschlag gab, Schüsse auf die Person abzugeben).

    Der Polizeibeamte vor Ort ist oft nur derjenige, der vorige Versäumnisse und Fehler ausbaden muss - es würde in Gesamtschau nicht verwundern, wenn auch dieses „Ausrasten“ zuvor in sozialen Netzwerken etc. „angekündigt“ worden ist…jedenfalls schwer vorstellbar, dass sich ein derarter Frust - mutmaßlich über eine vor einem Jahr erfolgte Kündigung - nicht zuvor nach außen Luft gemacht hat.

    Wie wurde gegen diese Kündigung vorgegangen und womit hatte der Mann seither zu kämpfen?
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  • Erwin Deppisch
    So im nächsten Artikel steht, er hat selbst gekündigt. Jetzt wird es langsam schwierig das zu erklären.
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  • Martin Deeg
    Fragt sich nur für wen?

    Denn diese Darstellung passt so gar nicht zu der weiteren Entwicklung und dem Verhalten, finden Sie nicht?

    Es soll auch schon Leute gegeben haben, die nur auf massivem Druck ("Mobbing" oder "Bossing" - vermutlich schon mal gehört) hin ihren Beruf aufgegeben haben - und der Arbeitgeber deren Rückzug hinterher genüsslich als "freiwillig" dargestellt hat....
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  • W. Schmidt
    Tragisch das ganze. Zum Glück "nur" Sachschaden. Der verletzten Polizeibeamtin wünsche ich gute Besserung und den beteiligten Beamten auch, gezielt auf jemanden schießen zu müssen...
    Eine Frage : hätten die Beamten/innen nicht die Reifen des Baggers platt schießen können, geht das nicht oder bringt das nichts..?
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  • Peter Koch
    Der Reifen von einem Bagger ist so stabil, dass man da mit einer Polizeikugel nichts bewirken kann.
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  • Roland Albert
    Sehr viele Reifen von Baumaschinen sind mittlerweile ausgeschäumt und gehen somit äußerst selten defekt…
    Den schafft so ein Pistölchen nicht.
    Die Kräfte einer solchen Maschine werden sehr stark unterschätzt.
    Da kann man schnell falsch argumentieren…
    Es mag tragisch klingen, ich denke schon, dass im Rahmen der Möglichkeiten und dem Schutz anderer der Schusswaffengebrauch gerechtfertigt sein muss.
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