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Marktheidenfeld
Zwölf Stolpersteine erinnern nun an ermordete Juden aus Marktheidenfeld
Künstler Gunter Demnig verlegte am Freitag Stolpersteine in der Innenstadt. Schülerinnen und Schüler erinnerten an die Schicksale der Menschen dahinter und riefen zum Frieden auf.
Zwölf Stolpersteine wurden am Freitag in der Marktheidenfelder Innenstadt verlegt. Schülerinnen und Schüler aus Marktheidenfeld erinnerten an die Schicksale der Menschen, für die die Steine stehen.
Foto: Katrin Amling | Zwölf Stolpersteine wurden am Freitag in der Marktheidenfelder Innenstadt verlegt. Schülerinnen und Schüler aus Marktheidenfeld erinnerten an die Schicksale der Menschen, für die die Steine stehen.
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:59 Uhr

"Mit ein bisschen Glück verlegen wir in diesem Jahr den 90 000. Stolperstein", sagte Künstler Gunter Demnig am Freitagmorgen in Marktheidenfeld. Zwölf dieser Stolpersteine erinnern nun auch in der Marktheidenfelder Innenstadt an die Ermordung der Juden und Jüdinnen durch die Nationalsozialisten. Bei der Verlegung erzählten Schülerinnen und Schüler von sechs Marktheidenfelder Schulen mit Worten, Liedern und Gedichten von den Schicksalen der Menschen, die hinter den Steinen stehen.

"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", so beschreibt der Künstler und Bildhauer Gunter Demnig, der die Aktion Stolpersteine vor rund 30 Jahren ins Leben gerufen hat, seine Motivation. Die Steine sollen Passanten zum Innehalten und Nachdenken anregen. In ganz Europa verlegt Demnig mit seinem Team die Erinnerungsstücke, überall dort, wo die Nationalsozialisten Menschen verfolgt und ermordet haben.

Künstler Gunter Demnig hat die Stolpersteine vor rund 30 Jahren ins Leben gerufen und plant, mit seinem Team in diesem Jahren den 90 000. Stein zu verlegen.
Foto: Katrin Amling | Künstler Gunter Demnig hat die Stolpersteine vor rund 30 Jahren ins Leben gerufen und plant, mit seinem Team in diesem Jahren den 90 000. Stein zu verlegen.

Vor rund 40 Besucherinnen und Besuchern betonte Bürgermeister Thomas Stamm bei der Eröffnung der Gedenkveranstaltung in der St. Laurentius-Kirche die Bedeutung angesichts des Kriegs in der Ukraine. "Wer hätte beim Beschluss des Stadtrats, in Marktheidenfeld Stolpersteine zu verlegen, gedacht, dass das Thema Flucht und Vertreibung diese Aktualität mitten in Europa erhält", so Stamm.

"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist."
Gunter Demnig, Künstler und Initiator der Stolpersteine
Künstler Gunter Demnig verlegte am Freitag zwölf Stolpersteine in der Marktheidenfelder Innenstadt.
Foto: Katrin Amling | Künstler Gunter Demnig verlegte am Freitag zwölf Stolpersteine in der Marktheidenfelder Innenstadt.

Mit einem Gebet der Religionen mahnten Vertreter der christlichen Gemeinden und des türkisch-islamischen Kulturvereins, dass die Gesellschaft heute erneut Gefahr laufe, in menschenverachtendes Denken zurückzufallen. Verallgemeinerungen wie "Die Juden" oder "Die Russen" würden den Menschen nicht gerecht werden. Für die türkisch-islamische Gemeinde forderte Sena Karakoç ein entschiedenes Auftreten aller Menschen gegen Diskriminierung.

Deportation nach Polen im Jahr 1942

Am 23. April 1942 wurden viele der Juden und Jüdinnen aus Marktheidenfeld, an die nun mit den Stolpersteinen erinnert wird, in das Transitghetto Krasniczyn in Polen deportiert. Die Steine wurden vor ihren letzten Wohnorten in der Glasergasse 5, der Petzoltstraße 2, der Obertorstraße 7 und 8 und der Untertorstraße 12 verlegt.

Schülerinnen und Schüler der Mittelschule gestalteten das Gedenken für Regina Freimark, an die ein Stolperstein in der Petzoltstraße 2 erinnert. Künstler Gunter Demnig (rechts) verlegte die Steine.
Foto: Katrin Amling | Schülerinnen und Schüler der Mittelschule gestalteten das Gedenken für Regina Freimark, an die ein Stolperstein in der Petzoltstraße 2 erinnert. Künstler Gunter Demnig (rechts) verlegte die Steine.

Bei der Gestaltung mitgewirkt haben das Balthasar-Neumann-Gymnasium, die St. Nikolaus-Schule, die St. Kilian-Schule, die Mittelschule, FOS/BOS und die staatliche Realschule. "Wir wünschen uns, dass alle Religionen Freunde werden, dass es Frieden gibt und keinen Krieg", sagten Schülerinnen und Schüler der St. Kilian-Schule bei der Verlegung. Auch wenn sie zu dem Zeitpunkt noch nicht auf der Welt gewesen seien, finden sie die Erinnerung wichtig, da sie möchten, dass so etwas nie wieder geschieht. Die 13-jährige Emily Völker von der Mittelschule berichtete, dass es sie "richtig traurig" mache, wenn sie darüber nachdenke, wie viele Menschen damals gestorben sind.

An der Erinnerungsskultptur des Projekts "Denkort" am Marktheidenfelder Mainkai, das in ganz Unterfranken an die Deportationen erinnert, machte Thomas Stamm zum Abschluss noch einmal deutlich, wie aktuell das Gedenken sei. "Ich bitte jeden Einzelnen, gegen Abgrenzung, Egoismus und für Respekt, Menschlichkeit und Miteinander mutig einzutreten. Am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in der Schule." Er bat um Zusammenhalt angesichts der Geflüchteten aus der Ukraine, die auch im Landkreis Main-Spessart Schutz suchen: "Wir haben Mitgefühl für Menschen, die aktuell um ihr Leben fürchten müssen."

Fotoserie

An diese Menschen aus Marktheidenfeld wird mit den Stolpersteinen erinnert

- William und Regina Rosa Adler sowie ihre Kinder Hertha und Berthold (Glasergasse 5): "Willy" Adler stammte aus Fulda und war als Kleinviehhändler und Schmuser (eine Art Makler) tätig und Vorstand der jüdischen Gemeinde. Seine Frau Rosa stammte aus Marktheidenfeld. Tochter Hertha konnte in die USA emigrieren, ebenso wie Sohn Berthold, der jedoch 1944 als US-Soldat fiel.

- Regina Freimark (Petzoltstraße 2): Regina Freimark arbeitete als Näherin und betrieb in der heutigen Petzoltstraße eine Damenschneiderei. 1939 musste sie das Geschäft aufgeben. Sie versuchte mehrfach, Deutschland zu verlassen, was ihr jedoch nicht gelang.

- Samuel und Rosa Guttmann (Obertorstraße 8): Samuel Guttmann stammte aus Karbach und heiratete Rosa aus Laudenbach. Im Zuge der "Arisierung" wurde ihr Anwesen enteignet und die beiden mussten 1939 in das Anwesen von Bernhard Freimark umziehen, wo sie zusammengepfercht mit anderen Juden und Jüdinnen lebten.

- Leopold und Regina Levy (Obertorstraße 7): Leopold Levy übernahm 1937 das "Manufaktur- und Modewarengeschäft" seines Vaters Gustav. Seine Schwester Regina arbeitete ebenfalls in dem Laden. 1940 wurden sie gezwungen, das Geschäft aufzugeben.

- Bernhard und Getta Freimark sowie ihre Tochter Klothilde Klara (Untertorstraße 12): Bernhard Freimark war Viehhändler und in der Region als "Mä-Jüd" (Main-Jude) bekannt, seine Frau Getta stammte aus Marktheidenfeld. Tochter Klothilde emigrierte 1937 in die USA.

An das Ehepaar Regina Rosa und William Adler und ihre Kinder Hertha und Berthold erinnern in der Glasergasse vier Stolpersteine.
Foto: Katrin Amling | An das Ehepaar Regina Rosa und William Adler und ihre Kinder Hertha und Berthold erinnern in der Glasergasse vier Stolpersteine.
 
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  • B. S.
    Hoffentlich ist die Stadt gut versichert, wegen den Stolpersteinen. Geld muss man haben!
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