Georg Fath hat Musik im Blut. Der 59-Jährige Lohrer hat aber auch so etwas wie eine grüne Seele. Und diese regt sich seit Jahre immer, wenn er übers Pflaster der Altstadt zu seiner Musikschule in der Hauptstraße geht. Denn da liegen sie: die gelben Filter abgerauchter Zigaretten, hin und wieder auf die weißen Stummel der Selbstgedrehten. "Kippen haben auf öffentlichen Straßen und Plätzen nichts verloren", spricht er aus, was die Stadt in einer eigenen Verordnung an sich geregelt hat. Doch scheint das kaum einen zu kümmern.
"Jede Kippe ist ein Chemie-Cocktail", ereifert sich der Musiker immer wieder aufs Neue. Die giftigen Filter werden vom Regen weggespült, landen letztlich in unseren Bächen und Flüssen. "Das ist definitiv nicht gut für unser Wasser und die Kinder", schimpft er und appelliert an das Gewissen der Raucher: "Ich meine, die Welt ist ein Paradies. Wir sollten vorsichtiger und nachhaltiger umgehen mit den Geschenken, die wir haben."
Wo schon überall Aktionen laufen
Fath ist nicht der einzige Mahner in dieser Sache. In Zeiten größerer Umwelt- und Klima-Sensibilität kocht das Thema derzeit hoch. Erst neulich berichtete das Frühstücksfernsehen über eine neue umweltfreundlich Initiative, die #100kippenchallenge. In Nürnberg und Freiburg läuft der Trend unter dem Hastag #fillthebottle und verbreitet sich mit der im Netz üblichen Geschwindigkeit.
In Freiburg haben 15 Freiwillige in einer Stunde 9500 Kippen aufgelesen und Flaschen damit gefüllt. In der Bayerischen Landeshauptstadt hat der Nürnberger Alex Cio seit Mai laut Medienberichten knapp 40 000 Filter eingesammelt, eimerweise, und seine Aktion im Internet dokumentiert.
- Lesen Sie dazu auch den Kommentar: "Folget den Netz-Aktionen - lest Kippen auf"
Wie es die Stadt geregelt hat
Auch die Stadt Lohr ist das Thema schon einmal angegangen: 2001 – noch unter Bürgermeister Siegfried Selinger – trat die Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter in Kraft. Was die Reinhaltung der öffentlichen Straßen angeht, sind unter Paragraf 3 einige Verbote aufgeführt. Demnach ist es untersagt, "öffentliche Straßen mehr als nach den Umständen unvermeidbar zu verunreinigen".
Mehr noch: Die Anlieger müssen die Straßen in ihrem Bereich reinigen –auch die in der Innenstadt. Jeden Samstag ist zu kehren, sind Kehricht, Schlamm und sonstiger Unrat zu entfernen, regelt Paragraf 5.
Wer dem nicht nachkommt, dem droht die Stadt eine Geldbuße an: bis zu 500 Euro. Die gleiche Höhe ist auch für jene vorgesehen, die "vorsätzlich oder fahrlässig" eine öffentliche Straße verunreinigt. Doch macht die Stadt selten davon Gebrauch, wie Pressesprecher Dieter Daus auf Nachfrage der Redaktion einräumt. Das mit den Kippen, das sei "etwas aus dem Blickwinkel geraten". Geldbußen für weggeworfene Kippen seien "in letzter Zeit keine verhängt worden".
Was die Höhe des Bußgeldes angeht, hat die Stadt Karlstadt sich erst kürzlich schlau gemacht und vom Landratsamt Main-Spessart folgende Antwort erhalten: Wer öffentliche Wege "fahrlässig" verschmutzt, kann mit bis zu 500 Euro zur Kasse gebeten werden, wer gar "absichtlich" handelt mit bis zu 1000 Euro.
Wer soll das überwachen?
Doch dürfte das kaum eine große Rolle spielen. Das Problem ist die Beweiskraft. Und: Wer soll das Wegwerfen überwachen? Etwas anders ist es bei denen, die die Kippen eigentlich beseitigen sollten, spricht: die Anlieger. Dass es längst nicht alle tun, wurde heuer ausgerechnet bei der Vorbereitung der Karfreitagsprozession deutlich. Da klagte einer über die vielen Kippen und die schlechte Straßenreinigungsmoral in der Innenstadt. Bürgermeister Mario Paul reagierte prompt: Kurz vor dem Ereignis, das Tausende von Gästen in die Stadt lockt, sah man die Kehrmaschine durch die Hauptstraße flitzen.
Doch ansonsten regt sich wenig in dieser Hinsicht. Ist ja auch lästig, die Kippen aus den Rillen der Pflastersteine zu fegen. Und wer bitte sollte es etwa rings ums Alte Rathaus tun? Doch nicht die Stadt selbst? Erübrigst sich zu fragen, wer für den Schlossplatz zuständig ist, vor allem zum Eingang des neuen Rathauses hin, wo auffällig viele Kippen ohne Filter die Fugen füllen.
Als der Lohrer Stadtrat die Verordnung beschloss, leitete Daus noch das Ordnungsamt. Als solcher hatte er vor etwa 15 Jahren auch dafür gesorgt, dass der Bauhof eigens Ascher über den rund 30 Abfallkörben in der Innenstadt fertigte und angebrachte. Doch die Raucher, die diese Blechaufsätze nutzen, sind offenkundig in der Minderheit: Die Ritzen des Altstadtpflasters halten viele wohl für besser geeignet. Zudem sind die Aufsätze bei manchen Eimern längst verschwunden.
Diese Satzung der Stadt gilt übrigens 20 Jahre lang. Sprich: 2021 steht eine Überarbeitung an.