Wer ein Wildtierjunges findet, so wie Anfang des Jahres Familie Thauer aus Bischbrunn einen Frischling, muss einiges beachten. Erst einmal gilt: Nicht anfassen. Nur in Ausnahmefällen darf das Tier beim Finder bleiben. Was also tun, wenn beim Spaziergang ein junges Wildtier in den Blick fällt? Und was, wenn es sich um ein verletztes, krankes oder sogar verendetes Tier handelt? Marc Deivel vom Bayerischen Jagdverband Marktheidenfeld klärt auf.
Im Spessart finden sich Rehwild, Rotwild, Junghasen, Jungfüchse und auch immer öfter Waschbären, erklärt Deivel. "Die Hochsaison ist natürlich im Frühjahr", sagt der Jäger. Bei Wildschweinen könne es aber auch das ganze Jahr über gehen. "Die sind alle drei Monate theoretisch dazu in der Lage, sich zu reproduzieren", sagt er. Mit kleinen Frischlingen müsse man also eigentlich immer rechnen. "Die Hauptsaison ist dabei aber zwischen Januar und April", so Deivel.
"Auf keinen Fall anfassen und erst einmal liegen lassen", erklärt Deivel. Durch den menschlichen Geruch könnte es sein, dass die Mutter das Jungtier nicht mehr annimmt. Auch Hunde sollten nicht daran schnuppern. Gerade Rehe würden ihre Kitze oft irgendwo ablegen und regelmäßig zurückkommen. "Wenn das Rehkitz nicht irgendwo im Gefahrenbereich wie zum Beispiel auf der Straße liegt, sollte man es einfach liegen lassen", sagt Deivel. Ansonsten könne man bei der örtlichen Polizei den Jagdpächter erfragen, sodass der sich darum kümmert. Tiere darf man auch nicht mit nach Hause nehmen: "Das ist immer auch ein Eingriff ins Jagdrecht, sprich Wilderei", sagt Deivel. Im Falle von Wildschwein Sissy aus Bischbrunn sei alles mit dem zuständigen Jagdpächter geklärt gewesen, weiß Deivel. Auch verfügt die Familie über Räumlichkeiten und Erfahrung in der Aufzucht von Wildtieren.
"Auf jeden Fall auch nicht anfassen. Es gibt Tierseuchen, die auf den Menschen übertragbar sind, wie etwa die Hasenpest.“ Diese könnten für Menschen durchaus tödlich enden. "Immer gleich die Polizei anrufen, sodass die sich mit dem Jadgpächter auseinandersetzen oder im Notfall auch mit dem Veterinäramt." Allerdings: Verletzte Tiere könnten in den seltensten Fällen geheilt werden. "Das Rehwild zum Beispiel ist ein reines Fluchttier. Die muss man quasi für jeden Behandlungsschritt narkotisieren, sonst verletzen die sich noch mehr."
"Es gibt Wildtierhilfen; in fast jedem Bundesland sind das einige Wildtierstationen", sagt Deivel. Für die Aufzucht brauche man eine Genehmigung vom Landratsamt. "Es kann nicht jeder Ottonormal-Naturschützer sagen: Ich nehme jetzt einmal das Rehkitz und ziehe das auf", erklärt der Jäger. Die Zulassung für die Aufzucht müsse genau kontrolliert werden. "Die bekommen eigentlich auch nur Leute, bei denen man sicher stellt, dass das Tier wieder ausgewildert werden kann." Wildschweine seien sehr soziale Tiere und könnten in der Regel nicht mehr ausgewildert werden, sobald sie sich zu sehr an Menschen gewöhnen. "Wenn dann der 80 Kilo-Keiler dem Spaziergänger im Spessart hinterherläuft, ist es auch nicht so lustig", sagt Deivel. Auch bei Rehen sei es sehr kompliziert.
"Das ist eine Bache, ein weibliches Stück. Die lassen sich leichter integrieren in den bestehenden Rottenverband", sagt Deivel. Es komme auf die Sozialstruktur in der Rotte an und auf das individuelle Wildschwein. Normalerweise seien Wildschweine sehr soziale Tiere und würden das untereinander regeln. Wirklich Schwierigkeiten gebe es eigentlich nur bei Keilern: "Männliche Tiere lassen sich sehr schlecht in Gruppen integrieren", sagt der Jäger.
Seit vier Jahren ist die Kreisgruppe Marktheidenfeld des Bayerischen Jagdverbandes ehrenamtlich in der Rehkitzrettung tätig. Bei diesem für die Landwirte kostenlosen Einsatz werden die zu mähenden Flächen im Frühjahr nach Tieren abgesucht. Dabei kommen zwei vereinsinterne Drohnen mit Wärmebildkameras zum Einsatz. Drei weitere Drohnen werden von einer ortsansässigen Firma für die Zeit der Mahd zur Verfügung gestellt. Die Kreisgruppe ist für die Rehkitzrettung auf Spenden angewiesen, denn die Technik kostet mehrere Tausend Euro.
Während in den vergangenen Jahren im Schnitt etwa 70 Kitze mit dieser neuen Technik gefunden und aus den Flächen gerettet werden konnten, wurden in diesem Jahr bereits über 100 Rehkitze gefunden. Dies lag an der kalten Witterung im Frühjahr, die den Zeitpunkt der Mahd weiter nach hinten, genau in die Setzzeit der Rehkitze verschob.
Wer die Rehkitzrettung des BJV-Marktheidenfeld unterstützen möchte, kann dies auf ein Spendenkonto bei der Sparkasse Mainfranken Würzburg tun (IBAN: DE69 7905 0000 0240 4033 11).