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LOHR
Wie Straftäter in der Psychiatrie behandelt werden
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:36 Uhr

Der aus dem Ansbacher Bezirksklinikum entflohene Sexualstraftäter Reinhard Peter J. ist gefasst. Der Fall sorgte nicht nur für Besorgnis, sondern warf auch Fragen über Unterbringung und Behandlung psychisch erkrankter Straftäter auf – Personen, wie sie in der Region unter anderem im Bezirkskrankenhaus Lohr (Lkr. Main-Spessart) untergebracht sind.

140 bis 150 Patienten werden laut Professor Dominikus Bönsch, Ärztlicher Direktor und Maßregelvollzugsleiter, derzeit in der Forensischen Klinik im Landkreis Main-Spessart stationär behandelt. Den Auftrag der Psychiatrie formuliert Bönsch klar: „Möglichst alle Patienten rehabilitieren.“

Schrittweise auf Entlassung vorbereiten

Dazu werden die Patienten schrittweise – soweit es verantwortbar ist – auf ihre Entlassung vorbereitet. „Dabei durchlaufen sie ein standardisiertes Prozedere von Lockerungen“, so Bönsch. Anfangs dürfen sie sich außerhalb der Forensik nur mit Hand- und Fußfesseln aufhalten, später sind zum Beispiel Freigänge in Begleitung von Betreuern erlaubt, schließlich sind mehrtägige Aufenthalte in einer eigenen Wohnung möglich.

In Lohr gibt es aktuell Patienten, deren Bedingungen in absehbarer Zeit nicht gelockert werden, sagt Bönsch. Bei Patienten, deren Rehabilitation angegangen wird, müsse man dagegen ein gewisses Risiko eingehen, denn eine Flucht kann immer wieder vorkommen. So wie im Sommer 2017, als ein 25-Jähriger aus einer Außenstation der Lohrer Forensik entwichen war. Der Mann sei damals bereits wieder einer Arbeit nachgegangen und sei nur noch zum Schlafen in die Einrichtung gegangen, erklärte damals Markus Mauritz, Pressesprecher des Bezirks Unterfranken.„Er war hoch gelockert.“ Im November wurde er in Aschaffenburg mit einer großen Menge Drogen gefasst.

Verschärfter Paragraph 63 erschwert Unterbringung in Psychiatrie

Der Großteil der Patienten in Lohr sei nach Paragraph 64 des Strafgesetzbuchs in der Psychiatrie untergebracht. Personen also, die aufgrund einer Suchterkrankung Straftaten begangen haben. Sie bleiben laut Bönsch maximal zwei Jahre in der Einrichtung.

„Rund ein Drittel ist nach Paragraph 63 bei uns in Behandlung“, so Bönsch weiter. Dabei handle es sich um Straftäter mit einer psychischen Erkrankung. In diese Kategorie falle wohl auch der 47-Jährige aus Ansbach.

„Wer nach Paragraph 63 untergebracht ist, muss von Haus aus eine schwerwiegende Straftat begangen haben und wird als gefährlicher eingeschätzt als noch vor zehn Jahren“, erklärt Bönsch und verweist auf eine Gesetzesverschärfung nach dem sogenannten Fall Mollath. Der heute 61-jährige Nürnberger Gustl Mollath wurde im Jahr 2006 Opfer eines Justizirrtums, saß mehrere Jahre zu Unrecht in einer geschlossenen Psychiatrie ab und wurde 2014 freigesprochen. Daraufhin beschloss der Bundestag höhere Hürden für die Unterbringung in einer Psychiatrie.

Behandlung mit Anti-Hormonpräparaten ist sehr selten

Die Behandlung der Patienten in solchen Einrichtungen erfolgt laut Bönsch mithilfe von Psychotherapien und Medikamenten. Auch Reinhard Peter J. bekam der Ansbacher Klinik zufolge Medikamente. Eine solche Behandlung mit Anti-Hormonpräparaten, die einen extrem gesteigerten Sexualtrieb senken sollen, sei „sehr selten“, so Bönsch. In Lohr bekämen aktuell nur drei Patienten eine solche Therapie. Die Behandlung müsse richterlich angeordnet sein und der Patient müsse zustimmen. Auch wenn die Medikamente helfen: Eine hundertprozentige Wirkung garantieren sie laut Bönsch nicht.

 
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