"Große Geburtstage soll man mit großen Gästen feiern", meinte Karlstadts Bürgermeister auf dem voll besetzten Kirchplatz zum Auftaktkonzert der Jubiläumsreihe "30 Jahre Musik in Historischen Häusern und Höfen" mit Rebekka Bakken.
Die norwegische Ausnahmesängerin Bakken hat mehrere Vorlieben: die tiefgründigen Weiten ihrer Heimat, Westernsounds, den österreichischen Liedermacher Ludwig Hirsch und seit vergangenem Wochenende auch den fränkischen Müller-Thurgau. Jedenfalls schwärmte sie nicht nur um das Publikum aufzuwärmen von Karlstadt und seinen "Golden Drops", vielmehr kam sie während des gesamten Konzerts immer wieder darauf zurück und nahm dabei auch den einen oder anderen Schluck auf der Bühne. So sprang natürlich der Funke der Sympathie augenblicklich auf die Gäste über.
Musik auch ohne Norwegisch-Kenntnisse zu verstehen
Bakken ist eine Sängerin mit einer beeindruckender Authentizität. Mit ihrer variationsreichen Stimme, die über drei Oktaven reicht, fesselt sie die Zuhörer und verbreitet unmittelbar Emotionen und Eindrücke, die spüren lassen, dass diese aus ihrem Innersten kommen.
Das wurde ganz besonders bei dem fast schon dem mystisch-liturgisch wirkenden norwegischen Volkslied "Korset vil jeg aldri svike" deutlich. Ohne jede Begleitung sang sie in ihrer Muttersprache und obwohl man kein Wort verstehen konnte, wusste man wovon sie erzählte – der unterlegte künstliche Hall wäre hier nicht nötig gewesen. Nötig und zutiefst bereichernd aber war dann die ganz vorsichtig, Schritt für Schritt einsetzende Untermalung des vorzüglichen Percussion. Zunächst kaum hörbar ließ Rone Arnesen das Becken seines Schlagzeugs "singen" – erst die tiefen Töne, dann die höheren und lauteren. Svein Schultz brachte den Bass dazu und zuletzt ließ Ola Gustafsson seine E-Gitarre für ein gewaltiges Finale dazu singen.
Österreichisch-deutsch mit norwegischem Akzent
Rebekka Bakken setzte in jeder Variation überzeugende Maßstäbe. "Crying For Love" erzählte von einer unerfüllten Liebe, sommerliche Latino-Rhythmen gab es mit einem Rumbasong und wunderschön sentimental wurde es mit "Traurig", dem Lied des Österreichers Ludwig Hirsch, dass sie auf "Ösi-Deutsch" charmant mit deutlichem norwegischen Akzent vortrug.
Eben diese norwegische Sprachfärbung brachte ihr zusätzliche Sympathie beim Publikum ein, wenn sie beispielsweise betonte, dass sie die Freundinnen ihrer Ex-Boyfriends nie habe leiden können oder wenn sie beim Glockenschlag der Andreaskirche bekannte: "Ich habe gesündet!"
Allerdings wäre Bakkens Konzert ohne ihre großartige Band nicht dasselbe gewesen. Ganz besonders glänzte der Gitarrist Ola Gustaffson, der für seine Soli regelmäßig jubelnden Szenenapplaus erhielt. Umwerfend auch der Drummer Rone Arnesen, dessen Einlagen wiederholt Gänsehaut aufkommen ließen. Am Piano spielte Jorn Øien und den Part des Bassisten hatte Svein Schultz.
Cascaro: "Karlstadt ist Soul-City"
Am zweiten Abend der Jubiläumstrilogie gab der Jazzsänger Jeff Cascaro auf dem Platz vor der Andreaskirche ein hochfeines Jazz-Soul-Konzert. Obwohl die Stühle diesmal nur zu knapp zwei Drittel besetzt waren, kamen diese Jazzfreunde voll auf ihre Kosten.
Gut, man kann den Schwärmereien und Lobgesängen von Künstlern auf der Bühne nicht immer voll vertrauen, aber Cascaros Anerkennung für die "wunderschöne Stadt Karlstadt" und die außerordentliche Betreuung durch das Organisationsteam kam schon sehr gut auf dem Kirchplatz an. Als dann das Publikum bei dem "Sexy-Soul-Clap" Einlage begeistert mitging, setzte Jeff noch eins drauf: "Karlstadt ist Soul-City!"
Insgesamt präsentierten der Sänger sowie seine ausgezeichneten Begleitmusiker ein anspruchsvolles, abwechslungsreiches Programm mit charmanten Einlagen und Informationen über die Songs. Da waren Reminiszenzen an Ray Charles, Bobby Bland oder Marvin Gaye in scheinbar loser Folge und doch wieder in schlüssigem Gesamtbild. Es ging mal besinnlich und durchaus gesellschaftskritisch beim "Innercity Blues", in dem Marvin Gaye die Ghettos und die düstere wirtschaftliche Situation der innerstädtischen Bewohner Amerikas und deren emotionale Auswirkungen beschreibt. Lebhafter und mit einigem Augenzwinkern dann der "Stormy Monday-Blues" von Bobby Bland.
Bestechender Groove – auch in den kaum hörbaren Tönen
Jeff Cascaro bestach durch seine umfangreiche Stimme voller Variationsmöglichkeiten, die von sanften, über rauchigen, erdigen, bis zu kraftvollen und gelegentlich auch kämpferischen Ausdrucksweisen wechselt. Besonders begeisterte sein Groove in den leisen und warmen, manchmal kaum hörbaren Tönen. Perfekt beherrschte Cascaro auch die Vocalisierung, "Scat", die Musik ohne Töne: Mit lautmalerischen Silben ohne eigentliche Bedeutung werden Stimmungen transportiert.
Der begnadete Pianist Olaf Polziehn entlockte seinem Instrument selten gehörte musikalische Eindrücke. Er ließ die Töne perlen, riss mit fulminanten Stakkatos mit oder versetzte die Zuhörer mit zarten Klängen in Verzücken. Schlagzeuger Hans Dekker setzte nicht nur die Begleitung und die Kontrapunkte, für das mitreißende musikalische Zwiegespräch mit dem Bassisten Christian von Kaphengst gab es auf dem Kirchplatz vom Publikum begeisterten Szenenapplaus. Wenn man das in der Musik so sagen darf: die Vier verstehen sich blind.
Spaß gab es auch in Soul-City: Bei einem "Sexy-Soul-Clap" mussten die Gäste rhythmisch in die hohle Hand klatschen, um mit dem entstehenden dumpfen Klang das Spiel der Band zu unterstützen. Nach über zwei Stunden und mehreren Zugaben bedankte sich das Publikum mit stehendem Applaus.