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Lohr
Wie ich vor 30 Jahren den Absturz der Transall bei Lohr erlebte
Als am 11. Mai 1990 eine Transall in den Spessart stürzte, saß ich gerade alleine in der Lohrer Redaktion. Den dann folgenden Arbeitstag werde ich nie vergessen. 
Der Transallabsturz am 11. Mai 1990 im Wald bei Rodenbach. Eine Schneise der Verwüstung zog sich durch den Wald bei Rodenbach. 
Foto: Foto Feuerwehr | Der Transallabsturz am 11. Mai 1990 im Wald bei Rodenbach. Eine Schneise der Verwüstung zog sich durch den Wald bei Rodenbach. 
Folker Quack
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:01 Uhr

Es sollte ein fast normaler Arbeitstag werden. Knapp sechs Wochen als Volontär im Dienst dieser Zeitung, musste  ich wegen des Journalistenstreiks die Redaktion in Lohr alleine betreuen. Aus Würzburg bekam ich Hinweise und Hilfe für diese Aufgabe. Es war der 11. Mai, doch die dicken Gewitterwolken und der leichte Regen ließen keinerlei Frühlingsstimmung aufkommen.

"Wir brauchen für Lohr nur eine Seite", bekam ich Order aus Würzburg. "Da geht's heute bald ins Wochenende", freute ich mich. Viel Blaulicht unterwegs dachte ich noch, während ich mich über meinen ersten Text machte. Der reflexhafte Anruf bei der Polizei: Es war besetzt. Doch dann die ersten Anrufe von Lesern. Viele Rettungsfahrzeuge würden durch Rodenbach fahren, ein Leser hatte einen dumpfen Knall gehört, einer Leserin war ein extrem tief fliegendes Flugzeug aufgefallen. 

Ein Kleinflugzeug - oder eine große Maschine?

Gerade als ich erneut die Polizei anrufen wollte, klingelte das Telefon. Die Würzburger Franken-Redaktion war dran. Da sei wohl ein Kleinflugzeug in den Wald zwischen Wombach und Rodenbach gestürzt. Kollege Robert Geis aus Marktheidenfeld, der stets einen direkten Draht zur Polizei hatte, sei bereits unterwegs. Ich solle erst einmal in der Redaktion die Stellung halten, Anrufe entgegennehmen und bei Polizei und Behörden weitere Informationen sammeln.  

Mittlerweile hörte man auch Hubschrauber kreisen, die Sirenenklänge wollten kein Ende nehmen. Schnell war mir klar, da muss mehr passiert sein. Immer mehr Augenzeugen berichteten von einer auffallend niedrig fliegenden Maschine – kein Kleinflugzeug, ein "richtig dicker Brummer" sei da extrem tief und laut über Wombach geflogen.   

Gegen 11 Uhr lichtete sich der dichte Nebel über der Absturzstelle. Jetzt war weithin die Rauchsäule der brennenden Maschine sichtbar. Kurz zuvor hatte der Pilot eines Rettungshubschraubers Wrackteile eines großen Flugzeuges entdeckt. Schnell wurde klar, bei dem abgestürzten Flugzeug handelte es sich wohl um die seit 9 Uhr vermisste Transall C 160. Ein großes Transportflugzeug der Bundeswehr, mit neun Soldaten und einem Zivilisten an Bord.  

Große Herausforderung für die Rettungskräfte

Sie war vollgetankt mit Kerosin, explodierte beim Absturz und brannte vollständig aus.  Eine ganz besondere Herausforderung für die Feuerwehrleute, die inzwischen an der extrem schwer zugänglichen Unglücksstelle eingetroffen waren. Da sie nicht wussten, ob sich in der Maschine Munition oder andere gefährliche Stoffe befanden, mussten sie beim Löschen hinter Bäumen Deckung suchen. 

Schon kurz nach den ersten Meldungen eines Flugzeugabsturzes war Kollege Robert Geis vor Ort. 
Foto: Robert Geis | Schon kurz nach den ersten Meldungen eines Flugzeugabsturzes war Kollege Robert Geis vor Ort. 

Kollege Geis hatte inzwischen genügend Eindrücke gesammelt und Bilder gemacht, so dass er beschloss, nach Würzburg zu fahren. Schließlich mussten die damals für Pressefotos üblichen Schwarzweiß-Filme im Labor entwickelt und Vergrößerungen angefertigt werden.  

Ich hatte inzwischen den Wehrbeauftragten der Bundeswehr, Alfred Biehle, erreicht. Der CSU-Politiker (er starb 2014) war gerade erst zum Wehrbeauftragten des deutschen Bundestags gewählt worden. Da er früher Lokalredakteur der Main-Post in Karlstadt gewesen war, lud er mich ein, mich mit ihm an der Absturzstelle zu treffen. Er wolle zusammen mit Vertretern der Bundeswehr am frühen Nachmittag den Opfern des Absturzes gedenken und sich ein Bild von der Lage machen. 

Eine gespentige Athmosphäre rund um die Absturzstelle  

Nun wurde ich doch nervös. Die Bundeswehr hatte die Absturzstelle weiträumig abgesperrt. Die ersten Angehörigen wollten an den Ort des Geschehens, wurden aber nicht durchgelassen. Und ich hatte noch keinen Presseausweis. Da kam der damalige Lohrer Redaktionsleiter Joachim Spies aus dem Streiklokal in die Redaktion. "Das braucht jetzt keiner erfahren", sagte er, "ich fahre dich dahin, du würdest dich ja schon in Wombach verfahren". 

Kurz nachdem wir mit dem Redaktionsauto mit Main-Post-Aufdruck die Kontrollstelle der Bundeswehr passiert hatten, sahen wir die ersten an der Spitze gekappten Bäume. Je näher wir der Unglücksstelle kamen, desto stärker stieg der Brand- und Kerosingeruch in die Nase. Jetzt waren alle Bäume einseitig verkohlt, einige komplett verbrannt. Dann sah ich ein Stück des riesigen Rumpfes der Transall zwischen komplett verkohlten Bäumen. Wie ein Mahnmal ragte unweit ein Teil des Steuerruders in die Luft, ein Propeller hatte sich wie ein Korkenzieher in den Waldboden gebohrt.   

Rund um das Wrack war eine gespenstige Ruhe. Bundeswehrsoldaten sicherten die unmittelbare Absturzstelle, kaum jemand redete, und wenn dann sehr leise. Aus dem großen Rumpfstück stieg noch immer Rauch auf.  In diesem Moment wurde mir bewusst, dass die zehn ums Leben gekommenen Menschen sich  bestimmt alle in diesem Wrackteil befanden. Es war einfach noch viel zu heiß, um sie zu bergen.  

Der damalige Wehrbeauftrage der Bundeswehr, Alfred Biehle machte sich vor Ort ein Bild.
Foto: Folker Quack | Der damalige Wehrbeauftrage der Bundeswehr, Alfred Biehle machte sich vor Ort ein Bild.

Während mir ein Oberstleutnant vom Luftwaffenamt in Köln sehr nüchtern und sachlich Auskunft über die Opfer, den Unfall und die ursprünglich vorgesehene Flugroute gab, musste Alfred Biehle um Worte ringen. Erst vor einer Woche sei er selbst mit einer Maschine desselben Typs zusammen mit Spessart-Landrat Armin Grein nach Kreta geflogen.   

Bis in die Nacht dauerte die Bergung der zehn Opfer, neben den Feuerwehren war auch das THW alarmiert worden. Für die Helfer ging die Bergung der völlig verkohlten und entstellten Leichen bis tief in die Nacht an die Grenze des Erträglichen. 

Die Bergung des Wracks, und die Recherche der Unglücksursache begleiteten mich den Rest meines halben Jahres in der Redaktion Lohr. Ganz konnte die Absturzursache nie geklärt werden. Offenbar flog die Maschine im dichten Nebel und bei einem aufkommenden Gewitter zu tief und streifte an der Anhöhe hinter Rodenbach einige Baumwipfel, was sie manövrierunfähig machte.  

Als die Erinnerung wieder hochkam

Zwölf Jahre später wurde ich noch einmal sehr direkt mit dem damals erlebten konfrontiert. Mittlerweile in der Politikredaktion bekam ich eine Einladung, den damaligen CDU-Fraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Michael Glos zu einem Besuch der Bundeswehr in Afghanistan zu begleiten. Mit der Flugbereitschaft flogen wir bis Temez in Usbekistan. Aus Sicherheitsgründen ging es von dort über den Hindukusch  – in einer Transall der Bundeswehr.  Nun saß ich selbst im Bauch dieses riesigen Transportflugzeuges, war aufgeregt und hatte auch etwas Angst. Doch meine Gedanken waren vor allem anderen bei den Soldaten, die damals vor zwölf Jahren in genau so einem Rumpf ihr Leben lassen mussten.    

In diesem Jahr feiert die Main-Post ihren 75. Geburtstag und die ganze Mediengruppe feiert mit. Das ganze Jahr lang durchsuchen wir die Archive und erzählen die wichtigsten und spektakulärsten Geschichten aus 75 Jahren noch einmal.  

Transall C-160

Die Transall C-160 ist ein in den 1960er Jahren von Deutschland und Frankreich entwickeltes Transportflugzeug, das von den Luftstreitkräften in Deutschland, Frankreich und der Türkei eingesetzt wird. Die Typenbezeichnung des von zwei Propellerturbinen  angetriebenen Transportflugzeuges setzt sich aus dem Einsatzzweck (C für Cargo) und der Flügelfläche (160 m²) zusammen. Bei den Luftstreitkräften der drei aktuellen Nutzerstaaten wird sie seit 2013 nach und nach durch den Airbus A400M abgelöst. Für Deutschland ist sie noch in Afrika im Einsatz. In ihrer langen Geschichte gab es lediglich drei Abstürze. 
Eine Transall C-160. Dieser Typ des riesigen Transportflugzeuges stürzte am 11. Mai 1990 in den Wald bei Lohr.
Foto: Matthias Bein, dpa | Eine Transall C-160. Dieser Typ des riesigen Transportflugzeuges stürzte am 11. Mai 1990 in den Wald bei Lohr.
 
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