Lieber Pumuckl!
Wir hatten zu Hause einen gelben Wälzer mit Dir auf dem Titel, aus dem mir meine Mutter oft vorgelesen hat. Darin waren alle Deine großen und kleinen Abenteuer mit dem Meister Eder gesammelt. Die Geschichte von eurem Ausflug in den Zoo musste sie mir so oft vorlesen, dass sie sie vermutlich heute noch auswendig kann. Natürlich hatte ich auch die Hörspiele auf Kassette. Und es kommt mir wie gestern vor, dass ich als kleiner Junge vor dem Fernseher saß, während Du am Leimtopf vom Meister Eder festgepappt bist. Wie Du deswegen für den Schreinermeister sichtbar wurdest und dann 52 Folgen lang Eders Werkstatt und seine Münchener Hinterhofwelt auf den Kopf gestellt hast.
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Du bist eine Kindheitserinnerung, lieber Pumuckl, die nun zurückkommt. Wie ich das finde? Ich antworte mit einem deiner vielen Gedichte: "Späne fallen, Nägel knallen, mich freut's, niemand bereut's." Ab diesem Sonntag läuft die Serie aus den 80ern – wie es sich gehört digital aufgehübscht – wieder im Bayerischen Rundfunk. Doch wichtiger als die HD-Bildqualität ist, dass Du und der Meister Eder wieder in viele Kinderzimmer kommen. Denn was nach Euch kam, war meist kommerzielle Massenware ohne Anspruch. Von den "Minions" über die "Super Wings", "Paw Patrol" und die "Pokémon"-Filme bis hin zum Tiefpunkt aller Kindersendungen: den "Teletubbies". "Bledsinn", würde der Meister Eder sagen.
Ihr ward anders. Bei Euch haben Kinder noch was gelernt. Grundlegende Verhaltensregeln und Selbstverständlichkeiten, die heute allzu oft vergessen werden: dass man nicht lügt und niemanden ärgert. Dass auch ein Stück Schokolade verdient sein will. Dass man "auf einen, der in der Patschn sitzt" (Zitat Eder) nicht noch eintritt. Geradezu prophetisch wirkt die Edersche Feststellung: "Es muss a Blede geben, ned? Aber es wern oiweil mehra." Zu Hochdeutsch: Es muss auch Blöde geben, aber es werden immer mehr.
Zugegeben: Meister Eders Erziehungsmethoden waren manchmal grenzwertig. Der frechen Charlotte aus dem Vorderhaus, die immer Steine ans Werkstattfenster geschmissen hat, drohte er schon mal eine Watschn an – wahrgemacht hätte er die Drohung nie, dafür war der Grantler viel zu gutmütig. Dich hat er aber durchaus mal in eine Schublade gesperrt, wenn Du nicht gefolgt hast. Und – Du wirst dich erinnern, Pumuckl: Weil Du die Puddingkochversuche von Meister Eders abergläubischer Zugehfrau sabotiert hast, hat er dich ausgesperrt und Du musstest durchs Fenster zuschauen, wie der Schreinermeister den doch gelungenen Pudding ganz alleine aufisst. Wie so oft, hast Du auch in dieser Folge deine Lektion gelernt. "Eder ist strenger, merkt es Euch länger", hast Du treffend gereimt. Und auch wenn Du ein "Saubatzi" warst, vergaß der Eder nie: "Im Pumuckl steckt ein guter Kern, drum hab i ihn oiweil gern."
Aber weißt Du, was das Tragische ist, Pumuckl? Ich befürchte, heute wäre eine Sendung wie "Meister Eder und sein Pumuckl" nicht mehr möglich – zumindest nicht in dieser Form. Wir leben schließlich in einer Zeit, in der sogar alte Kinderbücher und -lieder angeblich kindgerechter und politisch korrekt umgeschrieben werden. Drehbuchschreiber des Jahres 2020 würden Euch und die Serie wohl ganz anders kreieren. Viel glatter. Eder dürfte nicht mehr so leidenschaftlich fluchen und Du dürftest nicht mehr ganz so frech sein. Gedichte wie "Hallo Meister Eder, bist ein kleiner Blöder, das weiß wirklich jeder. Bohrt sich in der Nase, wie ein Osterhase. Manchmal kommt's auch vor, da bohrt er sich im Ohr" würden dem Rotstift zum Opfer fallen.
Und was glaubst Du, was heutzutage los wäre, wenn es in einer populären Kinderserie eine Szene gäbe, wie in "Pumuckl macht Ferien": Da fahrt Ihr zwar quasi Fridays-for-Future-konform klimaneutral in den Urlaub – von München mit dem Bummelzug auf einen Bauernhof ins Alpenvorland. Aber dort angekommen raucht der Eder erst mal eine "Ferienanfangszigarre" und trinkt statt einer von der Bäuerin angebotenen Milch lieber ein Bier. Damit nicht genug: Du bekommst sogar zwei Schluck ab. Ich sehe behütete Kinder vor mir, die an dieser Stelle von ihren Helikoptereltern Augen und Ohren zugehalten, aber nie vorgelesen bekommen.
Lieber Pumuckl, Du und der Meister Eder, Ihr seid aus heutiger Sicht herrlich unangepasst. Vielleicht ist der Eder mit seinen Flüchen und bist Du mit deinem Schabernack nicht immer das beste Vorbild. Aber wie Ihr mit den Menschlichkeiten umgeht, ist ehrlich und lehrreich. Blicke ich auf die heutige Gesellschaft, komme ich zum Schluss: Uns fehlt ein Kobold.
Mir bleibt nur noch zu sagen: Hurra, hurra, Du bist wieder da!
Pfüat di!
Benjamin Stahl, Redakteur
mir zu überlegen wie man sowas heutzutage schreiben müsste, um auch nur den Hauch einer Chance zu haben, dass das mal ins Fernsehen kommt...
Aber ich bin ja auch eins von den älteren Semestern, die mit dem Original-Pumuckl und dem Original-Meister-Eder (Gustl Bayrhammer, unvergessen) aufgewachsen sind.
Kreuz Birnbaum und Hollerstauden (Zitat, Ende) - dieser Samstagsbrief gehört zu den Sachen, die wirklich mal gesagt werden mussten, an alle die da glauben, heute wäre alles schöner, größer, besser!
Im Gegenteil: die Perspektive wird "politisch korrekt" eingeengt (bis hin zu Denkverboten in der Wissenschaft!) - damit am Ende nur noch stromlinienförmig Angepasste herauskommen, die zu allem was von "oben" kommt ja und amen sagen?!
Was heutzutage den Kindern im Fernsehen angeboten wird, ist teilweise mehr als grenzwertig. Hier könnten diese älteren Beiträge als Vorbild dienen.
Danke Benjamin Stahl für die sehr schönen und nachdenklichen Worte
Sehr schöner Samstags-Brief.