"Frau Hann, ich glaube es sind zwei!" Die Worte ihrer Frauenärztin sind Jule Hann noch im Kopf. Es ist ihre zweite Schwangerschaft. Sie ist in der siebten Schwangerschaftswoche, als der erste größere Ultraschall ansteht. "Ich hab erst einmal lachen müssen, aber eigentlich war ich geschockt", erzählt sie.
Das war 2018. Mittlerweile sind ihre beiden Jungs, Kilian und Julius, fünf Jahre alt. Jule Hann arbeitet schon längst wieder. Dass sie nun aus dem Leben einer Zwillingsfamilie erzählt, hat auch mit ihrem Besuch beim Zwillings- und Mehrlingscafé in Marktheidenfeld zu tun. Seit 2023 laden die Familienstützpunkte in Main-Spessart Eltern von Zwillings- und Mehrlingskindern zwischen 0 und 6 Jahren ein. Auch in Arnstein und Gemünden hat es bereits Treffen gegeben.
"Die Idee kam durch den Gedanken, dass Eltern von Zwillingen und Mehrlingen in besonderer Weise gefordert sind. Vieles ist anders, wenn man zwei oder mehr Kinder versorgt", erzählt Kristin Jahn vom Familienstützpunkt Marktheidenfeld. Damit die Familien möglichst entspannt teilnehmen können, finden die Zwillingstreffs am Wochenende statt. Wie gut der Austausch tut, davon berichtet auch Jule Hann.
Anfangs-Schock: "Es sind zwei"
Denn zu dem Anfangs-Schock über die Nachricht "Es sind zwei" kamen schnell weitere Gedanken. Zum Beispiel die über das Finanzielle: Was brauchen wir jetzt für ein Auto? Was für einen Kinderwagen? Was kostet uns zukünftig ein Urlaub? Im Kopf herum ging den werdenden Eltern aber auch, wie es ihrer großen Tochter ergeht, wenn sie ihre Eltern plötzlich mit zwei Geschwisterchen teilen muss.
"All diese Gedanken haben mich die ganze Schwangerschaft über begleitet, mal mehr mal weniger", erzählt sie. Neben dem Austausch mit anderen hört sie auch viele Zwillingspodcasts. "Das hat mich entspannt, nach dem Motto: Es muss nicht alles perfekt sein", erzählt sie. Zum Ende der Schwangerschaft gesellte sich noch ein Thema dazu: Die Geburt. Wird es ein geplanter Kaiserschnitt? Eine Spontan-Geburt? Wie lange halten die Zwillinge im Bauch durch?
Dass es dann zwei Neujahrs-Kinder wurden, war eigentlich ein Glück: "Wären die Straßen an dem Morgen nicht so frei gewesen, hätten wir es nicht mehr rechtzeitig in die Klinik geschafft", erzählt Jule Hann. Am 1. Januar 2019 um 6.27 Uhr parkte Vater Sven das Auto vor der Klinik in Würzburg. Eine gute halbe Stunde später, um 7.04 Uhr und um 7.08 Uhr, kamen Kilian und Julius auf die Welt.
"Du sitzt auf der Couch und das Leben rauscht an dir vorbei"
Wie das Leben mit Zwillings-Babys den Familien-Alltag verändert, zeigte sich, als die zwei nach Hause durften. "Ich habe eigentlich die ersten sechs Wochen nichts anderes gemacht als zu stillen", erzählt Jule Hann. Kaum ist der eine satt, hat der andere wieder Hunger. "Du sitzt auf der Couch und das Leben rauscht an dir vorbei."
Mit der Zeit entspannt sich einiges. Gleichzeitig wird die Zwillingsfamilie immer organsierter. "Ich habe zum Beispiel gelernt, die Kinder öfter mal in fremde Hände zu geben oder jemand mitzunehmen auf Termine."
Angestarrt und angesprochen
Insgesamt aber bedeute der Alltag mit Zwillingen deutlich mehr Planung. Auch beim Einkaufen: Musste sie mit beiden los, hat sie einen meist im Tragetuch und den anderen im Maxi-Cosi-Wagen dabei. Zwillingseinkaufswagen gebe es nur in einigen ausgewählten Geschäften, oft müsse man auch extra danach fragen. Dabei kämen solche Doppelsitzer auch Familien mit Kindern im ähnlichen Alter zugute.
Auch später, als Kilian und Julius schon im Kinderwagen sitzen, ist Shopping nicht immer einfach. So seien in Marktheidenfeld zwar viele Läden barrierefrei, aber in den Geschäften ist es oft zu schmal, um sich bis ganz hinten durchzuschlängeln. Und auch unterwegs auf dem Gehsteig endet die Fahrt öfters an geparkten Autos. "Mich hat auch verblüfft, wie oft man dann doch angestarrt wird", erzählt sie. Oder auch ganz ungeniert gefragt, ob die Zwillinge "echt seien" oder aus künstlicher Befruchtung.
Wer bin ich eigentlich und wie funktioniere ich alleine?
Bei solchen Themen tue es einfach gut, sich mit anderen Zwillingsmüttern auszutauschen. Zu hören, dass auch sie solche Sprüche kennen. Beim ersten Treff in Marktheidenfeld waren neben der Familie Hann drei weitere Familien da. "Die Gespräche waren direkt sehr tiefgründig", erzählt Kristin Jahn. Daneben gab es viele Tipps: Wo bekomme ich eine Haushaltshilfe her? Wo und wann findet der nächste Basar für Zwillingskinder statt?
Und: Wie macht ihr es eigentlich mit dem Kindergarten? "Uns war und ist es wichtig, dass die beiden Jungs nicht nur als "die Zwillinge", sondern als eigenständige Individuen wahrgenommen werden", erzählt Jule Hann. Das versuchen die Eltern zu unterstützen, indem sie sie möglichst in verschiedenen Kindergartengruppen unterbringen. Schließlich müssten sie erst einmal lernen: Wer bin ich eigentlich und wie funktioniere ich alleine?
Andere Möglichkeiten beim Elterngeld wären wünschenswert
"Man muss sich vorstellen: Der Zwilling hat immer seinen besten Freund dabei. Das kann gut sein, um sich gegenseitig zu motivieren", beschreibt sie. Ebenso oft würden sich die beiden aber auch miteinander messen. Wer ist größer? Wer ist stärker?
Insofern werde es nicht unbedingt einfacher, umso größer die Kinder würden. Große Gedankensprünge in Sachen Zukunft machen die Eltern aber nicht. Finanziell herausfordernd seien natürlich Ereignisse wie die Einschulung oder später mal der Führerschein. Insgesamt hätten sie sich auch andere Möglichkeiten beim Elterngeld gewünscht.
Welche Tipps sie für werdende Zwillingseltern haben? Möglichst früh ein Netzwerk aufbauen, Kindergartenplätze bereits in der Schwangerschaft anfragen und dann möglichst gelassen bleiben. Und öfter einfach nur zuschauen und sich an der Eigendynamik der Zwillinge freuen.