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Fünflinge in Würzburg: So geht es den Geschwistern heute
Die Geburt von Fünflingen in Würzburg war 1988 eine Sensation. Deutschlandweit fieberten Menschen mit. Denn ob die Flüchtlingsfamilie würde bleiben dürfen, war unklar.
32 Jahre nach der Fünflingsgeburt: (von links) Bilal, Khaled, Mandy und Mohammed Hassan. Ihr Bruder Khalil war kurz nach der Geburt wegen eines Herzfehlers gestorben.
Foto: Hassan | 32 Jahre nach der Fünflingsgeburt: (von links) Bilal, Khaled, Mandy und Mohammed Hassan. Ihr Bruder Khalil war kurz nach der Geburt wegen eines Herzfehlers gestorben.
Lukas Kutschera
Lukas Kutschera
 |  aktualisiert: 09.02.2024 21:45 Uhr

Eine Fünflingsgeburt ist immer eine kleine Sensation. Immerhin liegt allein die Wahrscheinlichkeit dafür bei gerade mal 1:50 Millionen. Die Geburt von Bilal Hassan und seinen Geschwistern Mandy, Khalil, Mohammed und Khaled am 3. März 1988 in der Würzburger Uniklinik aber hatte noch eine ganz andere Brisanz. Deutschlandweit berichteten Medien damals deshalb über die fünf Neugeborenen. 

Bilal Hassans Eltern und seine vier älteren Geschwister, die der libanesisch-kurdischen Volksgruppe angehören, waren 1979 aus dem Libanon nach Deutschland geflohen. In der Heimat der Familie herrschte bis in die 199oer Jahre Bürgerkrieg. Dennoch war der Asylantrag der Hassans zum Zeitpunkt der Geburt der Fünflinge unanfechtbar abgelehnt.

Das Schicksal der Familie hing in der Schwebe. "Für unsere Eltern war es eine schwere Zeit", sagt Bilal Hassan und erzählt, wie es mit seiner Familie bis heute – 32 Jahre später – weiterging.

Große mediale Aufmerksamkeit für die Geschichte der Familie

Kurz nach der Geburt war der kleine Khalil an einem Herzfehler gestorben. Die anderen Geschwister und ihre Mutter Zekie Hassan waren wohlauf. Bald kehrten sie zurück nach Stadelschwarzach (Lkr. Kitzingen), wo die Familie seit 1979 lebte – jedoch noch immer in der Angst, bald abgeschoben zu werden.

Zeitungen und Zeitschriften in ganz Deutschland schrieben über das Schicksal der Familie. Die "Frau im Spiegel" beispielsweise besuchte die Familie kurz nach der Geburt. Für einen Skandal sorgte "Quick": Die Illustrierte schloss einen Vertrag mit Vater Ibrahim Hassan, für exklusive Rechte des Blatts an der Berichterstattung sollte er 2300 D-Mark erhalten. Die aber, so berichtete die Main-Post damals, bekam er nie. 

Die "Fünflinge aus der Zeitung" wurden auf der Straße erkannt

Bilal Hassan kennt all die Artikel. "Wir haben noch die Zeitschriften von damals zuhause." Auch auf der Straße seien er und seine Geschwister oft als "die Fünflinge aus der Zeitung" erkannt worden. Für mediale Aufmerksamkeit hatte auch der Besuch Barbara Stamms (CSU) bei der Familie zuhause in Stadelschwarzach gesorgt.

Stamm, damals Staatssekretärin im bayerischen Arbeits- und Sozialministerium, teilte mit, dass keine Abschiebeabsicht bestehe. Die zehnköpfige Familie aus dem Libanon wurde als "Härtefall" in der Bundesrepublik geduldet. Einige Zeit habe Stamm den Kindern zum Geburtstag noch Karten geschrieben und Süßigkeiten geschickt, erinnert sich der 32-jährige Bilal Hassan.

Die Familie durfte also in Stadelschwarzach bleiben. "Bis zu unserem 15. Lebensjahr wohnten wir dort", erzählt Bilal Hassan. Sein Vater habe damals bei der Firma Fehrer in Kitzingen gearbeitet. "Und meine Mutter hatte mit uns zuhause einen Vollzeitjob", sagt Hassan und lacht. "Mit acht Kindern war ihr sicher nicht langweilig."

Ein Umzug brachte die Familie an einen Ort, an dem sie sich zuhause fühlten

Bilal Hassan und seine Brüder Mohammed und Khaled besuchten die Grundschule in Prichsenstadt, spielten Fußball im Verein. "Meine Schwester Mandy hatte einen Impfschaden und kann deswegen nicht so gut laufen", sagt Hassan. Sie sei deswegen in Würzburg am Blindeninstitut zur Schule gegangen.

Im Jahr 2003 zog die Familie nach Wiesentheid (Lkr. Kitzingen). Und fand dort einen Ort, an dem sie sich endlich zuhause fühlte und die Geschwister neue Freunde fanden, sagt Bilal Hassan. Bis 2017 kickte er in Wiesentheid im Fußballverein. Heute spielt er beim FC Reupelsdorf.

Alle Mehrlinge stehen mit beiden Beinen im Leben

32 Jahre nach ihrer schlagzeilenträchtigen Geburt in Würzburg stehen die vier Mehrlinge mit beiden Beinen mitten im Leben. Die drei Brüder haben inzwischen sechs eigene Kinder im Alter von einem bis sechs Jahren. Mandy und Bilal Hassan wohnen bei ihren Eltern in Wiesentheid. Mohammed Hassan arbeitet als Betriebselektroniker, Khaled Hassan als Elektrotechnikmeister. Bilal Hassan ist Parkettlegermeister, Mandy Hassan hat eine Stelle in der Bibliothek des Wiesentheider Gymnasiums

Und wie ist es, zu viert als Mehrlinge aufzuwachsen? "Es ist schon anders als mit den anderen Geschwistern", sagt Bilal Hassan, "Man macht ja alle Phasen direkt zusammen durch und verbringt viel Zeit miteinander." Vielleicht sei ja gerade das der Grund, warum ihre Geschichte nach dem schwierigen Anfang einen so glücklichen Verlauf nahm.

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