
Ein Schritt über die Schwelle des bereits von außen sehr auffälligen schwarz-weißen Holzhauses in der Gräfendorfer Friedenstraße 2 und man merkt sofort: Hier hat jemand etwas grundlegend anders gemacht. Nichts mehr zu hören von der vorbeiführenden Staatsstraße, der Zugstrecke, der Saale – doch mehr noch: In der durch die massigen Holzbalken etwas beengt wirkende Diele, in der sich die Treppen zum ersten Stock respektive Keller kreuzen, herrscht eine ungewöhnliche, fast greifbare Stille. Und es riecht – logisch – nach Holz.
Der natürliche Baustoff dominiert das Holzblockhaus von Elmar Fürst und seiner Ehefrau Eva-Barbara Fürst-Wiesmann bis in den letzten Winkel. Während die Stämme der Außenhülle schwarz gestrichen wurden, um Wärme anzuziehen, erstrahlt das Innere im Licht der großflächigen Fenster in natürlichem Hellbraun. Ein Herzensprojekt der Eheleute, das der 69-jährige Fürst zehn Jahre lang detailliert geplant hat.
Nachhaltigkeit war erst Thema im Beruf, dann bei der privaten Hausplanung

Ausschlaggebend für die Idee, ein Holz- oder Holzblockhaus zu bauen, war der berufliche Background der promovierten Diplomholzwirtin Fürst-Wiesmann. Bei der Firma hinter den Marken Tempo und Zewa war sie zuständig für das Thema Umweltschutz. "Das war die Inspiration, sich auch im Privaten einmal grundlegender mit seinem ökologischen Fußabdruck zu beschäftigen und wie man möglichst umweltfreundlich, ökologisch, aber auch gesund bauen könnte", erinnert sich die 65-Jährige.
Ein Grundgedanke, den Fürst in seiner Planung für das Haus akribisch in jedes Detail hat einfließen lassen. So zieren statt Ziegel Ziegeln nachgeformte Stahl-Aluminium-Platten das Dach, da sie in der Herstellung und im Transport weniger Energie benötigen. Aus dem gleichen Grund finden sich in den Bädern des Hauses keine herkömmlichen, sondern Latexfliesen – Böden und Wände bestehen dort wie überall im Haus aus unverkleideten Polarkieferstämmen und -dielen.
Stämme sind mit lebensmittelechter Farbe gestrichen

Gestrichen sind die Stämme der Außen- und Innenhaut des Hauses mit lebensmittelechter Farbe, um chemische Ausdünstungen zu vermeiden. Der isolierende Glasschaum dazwischen wurde aus Altglas gewonnen. Die südliche Fensterfront mit ihrem weiten Dachüberstand ist darauf ausgelegt, die Einstrahlung der Sonne im Verlauf des Jahres optimal zu nutzen. "Wenn die Sonne im Sommer hochsteht, wird sie dadurch abgeschirmt, im Winter scheint sie herein und kann wärmen", erklärt Fürst – seines Zeichens Betriebswirt und nicht Architekt, wie er auf die Frage nach seiner Qualifikation als Hausplaner lachend betont. In der letzten Wintersaison hätten zum Heizen der 150 Quadratmeter Wohnfläche dadurch eineinhalb Festmeter Holz ausgereicht.
"Wir haben uns über zehn Jahre lang mit dem Thema beschäftigt und auch einige Blockhäuser angeschaut. Da kommt man auf ganz andere Gedanken und das ist das Ergebnis." Und das Ergebnis ist nicht irgendein Blockhaus. Nicht nur das Baumaterial, sondern auch die spezielle Fräsung der Stämme in Nut-Feder-Profile stammt aus Sibirien und laut Fürst vom einzigen Sägewerk, das diese Art der Verarbeitung vornimmt.
Russischer Anbieter überzeugte mit effektivster Holzblockbauweise
Gründe, warum sich der gebürtige Stuttgarter und ehemaliger Verkaufsleiter eines Fertighausherstellers für den Anbieter in Sibirien entschieden hat, gibt es mehrere. Zum einen sei das Holz der 120 bis 130 Jahre alten Kiefern langsam gewachsen und habe eine sehr geringe Restfeuchte von circa 15 Prozent besessen. Dies beugt der Entstehung von Rissen vor. Anders als bei anderen Holzblockhäusern liegen die Stämme zudem nicht einfach aufeinander auf, sondern sind durch die Nut-Feder-Profile ineinander verzahnt. Beim Nachtrocknen können sie sich nicht verdrehen, es entsteht kein Spalt, keine undichten Stellen, sondern die Verzahnung wird nur umso fester.

Dass Material und Technik diese Versprechen auch halten, kann das Ehepaar gute zweieinhalb Jahre nach seinem Einzug zu Pfingsten 2022 bestätigen. Von dem Anbieter aus St. Petersburg spricht Fürst deshalb in hohen Tönen – auch wenn ihm beim Leisten der ersten Anzahlung durchaus etwas mulmig zumute gewesen sei: "Da haben wir schon mal kalte Füße bekommen und gedacht: hoffentlich funktioniert das jetzt alles so – weil wo wollen Sie das Geld wieder einklagen? Geht ja nicht. Das war nur auf Vertrauensbasis, aber es hat funktioniert."
Neun 40-Tonner lieferten fristgerecht die Stämme, aus denen vier moldawische Zimmerleute dann das Haus aufbauten. Bauzeit vom Anlegen des Fundaments bis zur Anbringung der letzten Steckdosenleiste: etwa ein Jahr, Kostenpunkt: 420.000 Euro. "Das war so erstaunlich und hat so gut funktioniert", lobt Elmar Fürst die erfreuliche Zusammenarbeit mit seinem russischen Vertragspartner. Die wollte er sogar noch deutlich ausweiten. "Wir wollten erst ziemlich alle Grundstücke hier kaufen und nach meinem Plan bebauen." Das habe jedoch nicht geklappt, weshalb sich die Planung zunächst auf das Nachbargrundstück beschränkte. Dort sollte das weiße Pendant zu seinem schwarzen Vorgänger entstehen. "Die Planung war fertig, die Baugenehmigung da, aber dann hat Herr Putin leider die Türe zugemacht", sagt Fürst und seufzt.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine legte weitere Bauprojekte auf Eis

Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den daraus resultierenden Sanktionen ist der Markt für diese Art der Hausbauweise aktuell nicht mehr zugänglich. "Schade. Wirklich schade", findet Fürst, der mit seinem Haus gerne in Produktion gegangen wäre, "aber geht halt nicht". Das sagt er auch den Menschen, die hin und wieder vor seiner Türe stehen, weil ihnen das Haus beim Vorbeifahren aufgefallen war. Das Interesse an seinem Meisterstück freut ihn trotzdem.
Und nachdem es nun zunächst ein Einzelstück bleiben wird, genießt das Ehepaar zusammen mit Hündin Amelie jetzt seinen Ruhestand im ländlichen Unterfranken. Nach knapp 30 gemeinsamen Jahren in Stuttgart war die Wahl ihres Alterssitzes aufgrund der Gemündener Wurzeln Fürst-Wiesmanns auf Gräfendorf gefallen. "Wir fühlen uns wohl hier", bilanziert Fürst. Einziges Manko: Der Windgenerator, den sie am südlichen Grundstücksrand aufgestellt haben, funktioniert nicht. "Hier ist zu wenig Wind", erklärt Fürst schulterzuckend und scherzt: "Aber jetzt haben wir ihn mal stehen und wir sagen, das ist unser kleiner Eiffelturm."