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Gemünden
Vor Gericht: Steuerberater soll betrogen und Schätzungen vor Kunden vertuscht haben
Er soll Steuererklärungen in Rechnung gestellt, aber nie beim Finanzamt eingereicht – das wird einem ehemaligen Steuerberater vorgeworfen. Die Anklage vor dem Amtsgericht Gemünden lautet auf Betrug.
Die Inhaber eines Autohauses bezahlten eine Kanzlei für ihre Steuererklärung - der Steuerberater hat die Erklärung aber wohl nie beim Finanzamt eingereicht. (Symbolbild)
Foto: Oliver Berg | Die Inhaber eines Autohauses bezahlten eine Kanzlei für ihre Steuererklärung - der Steuerberater hat die Erklärung aber wohl nie beim Finanzamt eingereicht. (Symbolbild)
Jürgen Kamm
 |  aktualisiert: 11.02.2024 14:59 Uhr

"Wenn man seinem Steuerberater nicht vertrauen kann, wem dann?", fragte die Mitinhaberin eines großen Autohauses aus dem Landkreis Main-Spessart als Zeugin vor dem Amtsgericht Gemünden. Sie und ihr Mann fielen Anfang 2021 aus allen Wolken, als sie ein Mitarbeiter der Steuerkanzlei anrief und riet, beim Finanzamt nachzufragen. Vermutlich hätten sie für die Erstellung von Steuererklärungen bezahlt, die nie beim Finanzamt eingereicht wurden.

Das bewahrheitete sich auch, deshalb ist ein 50-jähriger ehemaliger Steuerberater vor dem Amtsgericht Gemünden angeklagt. Konkret geht es dabei um Steuererklärungen des Autohauses für die Jahre 2016 bis 2018 und eine Rechnung über 37.000 Euro.

Im Mai 2022 wurde in Gemünden schon einmal über den Fall verhandelt. Damals hatte sich der Angeschuldigte geäußert, sein Verteidiger nach der Beweisaufnahme aber ein Gutachten beantragt, nachdem er die Zeugenaussagen der ehemaligen Kollegen aus der Steuerkanzlei und des Inhaber-Ehepaars des Autohauses als nicht neutral bezeichnet hatte. Gleichwohl kamen sie in der nun wieder aufgenommenen Verhandlung erneut zu Wort. Diesmal schwieg der Angeklagte.

Kanzlei hat 37.000 Euro zurückgezahlt

Die rund vierstündige Verhandlung ergab zumindest zweifelsfrei, dass dem Finanzamt für die drei Jahre keine Steuererklärungen vorlagen und es Bescheide auf Basis von Schätzungen erließ. Als der Inhaber nach den Bescheiden fragte, die er benötigte, weil die Bank Druck machte, erhielt er sie per Fax von der Kanzlei. Dass es Schätzungen waren, konnte er nicht erkennen, weil die Textstellen unkenntlich gemacht waren. "Schätzungen hätte ich nie akzeptiert", so der Autohändler.

Dabei soll es durchaus Steuererklärungen gegeben haben. Sowohl auf Papier vom Ehepaar unterschrieben, als auch im Computer der Kanzlei. Korrekt waren sie alle nicht, zudem muss der Gewerbebetrieb die Erklärungen elektronisch übermitteln. Inzwischen hat die Kanzlei die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen nachträglich kostenlos erstellt, teils in mühevoller Kleinarbeit, und 37.000 Euro zurückbezahlt.

Bei der Kanzlei sind weitere, ähnliche Fälle aufgefallen

Für Richter Sven Krischker ist wesentlich, ob die Rechnungen gerechtfertigt waren. Das verneinte die Sachverständige bei der Vorstellung ihres Gutachtens. Die Jahresabschlüsse seien nicht ordentlich gemacht gewesen, darauf basierende Steuererklärungen und Bilanzen konnten nicht stimmen. Die Leistungen aus dem Werkvertrag seien damit bis auf Ausnahmen, wie das Verzeichnis zum Anlagevermögen (da änderte sich von Jahr zu Jahr wenig), nicht erbracht. Eine nicht übermittelte Steuererklärung dürfe keinesfalls in Rechnung gestellt werden. Sie beschrieb auch, wie der Angeklagte vom Finanzamt geforderte Nachzahlungen vertuscht hatte.

In die Jahresabschlüsse hätte eigentlich das Ergebnis einer Betriebsprüfung von Vorjahren eingearbeitet werden müssen. Das wäre problemlos möglich gewesen, erklärte die damit betraute Diplom-Kauffrau aus der Steuerkanzlei. Der Angeklagte habe ihr die nötigen Angaben aber nicht gegeben. Er habe auch Buchungen vorgenommen, die den Grundsätzen der Buchhaltung widersprächen.

Zwei Partner der inzwischen umfirmierten Kanzlei sagten aus, mit ihrem ehemaligen Kollegen sei nicht zu reden, er halte alles für in Ordnung. Inzwischen seien weitere Fälle aufgefallen, zuletzt am 30. Dezember, "das Gleiche in Grün", der Gesamtschaden liege inzwischen bei 150.000 Euro. Dazu laufe ein zivilrechtliches Verfahren.

Nach über drei Stunden Beweisaufnahme mit Zeugen und Gutachterin sowie einem Rechtsgespräch, in dem die Staatsanwältin die Einstellung des Verfahrens ablehnte, wurde die Verhandlung vertagt. Ende Januar soll es nun weiter gehen.

 
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