Was geschieht mit einem Steuerberater, der seine Arbeiten für ein großes Autohaus im Landkreis Main-Spessart gar nicht oder nicht vollständig erledigt, dafür aber vollumfänglich abgerechnet hat? Das muss das Amtsgericht Gemünden in mindestens einer weiteren Verhandlung entscheiden. Auf Antrag der Verteidigung soll nun wegen der umfangreichen Materie ein Wirtschaftssachverständiger der Staatsanwaltschaft ein Gutachten erstellen.
Seit 2005 betreute der 50-jährige Angeklagte das Autohaus sowie die Familie des Firmeninhabers in steuerlichen Fragen. Dazu gehörte auch das Erstellen der Jahresbilanzen, die jeweils dem großen deutschen Automobilhersteller vorgelegt werden müssen. "Es war ein großes Vertrauensverhältnis", berichteten der Autohaus-Inhaber und seine in der Buchhaltung beschäftigte Ehefrau über die jahrelange Zusammenarbeit mit dem Steuerberater.
Steuerbescheide beruhten auf Einkommensschätzungen
"Da ist schiefgelaufen, was nur schieflaufen konnte", überschrieb der Verteidiger den Teil der Zusammenarbeit zwischen Steuerbüro und Autohaus ab dem Zeitraum 2016. Dieser hatte dem jetzt Angeklagte in den Jahren 2016 bis 2018 die fälligen Steuererklärungen samt Jahresbilanz gefertigt, unterließ es aber, dem Finanzamt die entsprechenden Daten zuzuleiten. Die Folgen waren, dass das Finanzamt Lohr Steuerbescheide herausgab, die auf Einkommensschätzungen beruhten.
Als der Unternehmer die Bescheide für seine Bank benötigte, faxte ihm der Steuerberater diese zu, überdeckte jedoch die textlichen Hinweise der Finanzbehörde, dass die entsprechenden Nachweise fehlten und die Bescheide eben auf geschätzten Zahlen beruhten.
Angeklagter sucht die Schuld beim Autohändler
Der angeklagte Steuerberater suchte die Schuld dafür beim Autohändler. Er bezeichnete es als gängige Praxis, dass das Büro die Steuererklärungen erstellt, die Unternehmen aber die Unterlagen ans Finanzamt zu einem für sie günstigen Zeitpunkt übermitteln. Die Rechnung für seine Arbeit schickte der Steuerberater dem Autohaus umgehend. Insgesamt 37.000 Euro verlangte er, die auch gleich überwiesen wurden.
"Er hat dem Autohaus die Rechnung gestellt, ohne dass die Steuererklärungen fertig waren und sie waren auch nicht übermittlungsfähig", sagte ein 67 Jahre alter Kollege aus der Steuerberatungskanzlei des Angeklagten. Er selbst hatte beim Finanzamt angerufen, nachdem eine Mitarbeiterin die fehlerhaften Unterlagen im Büro des Angeklagten entdeckt und diese ihrem Chef gemeldet hatte. Auch Jahresabschlüsse für den Automobilhersteller waren seiner Meinung nach "nur teilfertig" und beinhalteten "falsche Werte".
Steuerberater holen Versäumnisse kostenlos nach
In tagelanger Kleinarbeit, berichteten der Senior der Steuerberaterkanzlei und sein 41-jähriger Sohn, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kostenlos für das Autohaus alle Erklärungen und Jahresabschlüsse neu erstellt und auch die bei einer Betriebsprüfung festgehaltenen Punkte eingearbeitet. "Die Firma ist mit dem Finanzamt im Reinen", so der Senior und der Firmeninhaber übereinstimmend.
Die Geschehnisse hatten nun zur Folge, dass die Gesellschaft abgewickelt wird und der Angeklagte in Regress genommen werden soll. Laut dem 67-jährigen Kollegen und Zeugen soll der Angeklagte auch an einer anderen Finanzgeschichte beteiligt gewesen sein. Zudem warf ihm dieser vor, mehrere andere Steuererklärungen an Mandantinnen und Mandanten geschickt zu haben und nach deren Zustimmung noch nachträglich, ohne Wissen der Kundinnen und Kunden, geändert zu haben.
Wirtschaftssachverständiger soll zur Aufklärung beitragen
Dem Verteidiger waren die verschiedenen Geschichten zu viel, sie hatten nach seiner Meinung mit einem einfachen Betrug nicht mehr viel gemein. Er beantragte, einen Wirtschaftssachverständigen der Staatsanwaltschaft hinzuzuziehen. Die Sachvorträge der meisten Zeugen, die mit ihm einst als Teilhaber in der Steuerkanzlei gearbeitet haben, hielt er nicht für neutral. Strafrichter Dr. Sven Krischker stimmte dem Antrag zu. Er will die Verhandlung nach Vorliegen des Gutachtens fortsetzen.