An der Wand hinter dem Sofa von Kerstin Römhild hängt ein Kinderbild zwischen Collagen, Fotografien und Schnitzkunst – alles Werke befreundeter Künstlerinnen und Künstler und des längst erwachsenen Sohnes von Kerstin Römhild aus Sackenbach. Die eigenen großformatigen Arbeiten der bildenden Künstlerin lehnen am Esstisch und an den Regalen im Wohnzimmer. Ab dem 20. April werden sie im Marktheidenfelder Franck-Haus zu sehen sein.
Die Zweizimmerwohnung der Künstlerin ist zugleich auch Atelier und Büro. "Ich reise sehr gerne und viel", sagt Römhild, da brauche sie kein großes Zuhause. Seit langem fotografiert sie Eindrücke während ihrer Fernreisen. Lichten andere ihre Mitreisenden vor Sehenswürdigkeiten möglichst bildfüllend ab, legt Römhild großen Wert auf Details und Strukturen.
Experimente beim Fotografieren und der Bildbearbeitung
Sie geht mit ihrer Spiegelreflexkamera ganz nah ran, sucht die passenden Bildausschnitte. "Mich interessiert die Wurzel eines Baumes am Fuß eines Berges viel mehr als der Berg selbst", sagt sie. Beim Fotografieren und der Bearbeitung der Fotos zu Hause am Laptop experimentiert sie gerne. Sie belichtet Fotografien zum Beispiel sehr lange, um eine Bewegungsunschärfe zu erzielen, verfremdet die Fotos, verändert Farben oder fügt mehrere Bilder zu einer Collage zusammen.
Römhild sagt: "Die Motive, die ich fotografiere, die kann jeder in der Natur oder im öffentlichen Raum sehen". Sie wählt spontan aus, was ihr auf ihren Streifzügen durch die Natur und durch Städte vor die Linse kommt. Grundlage ihrer Arbeit ist das Gelernte aus dem Designstudium, etwa Bildausschnitt, Linienführung, Bildaufbau, Farbenlehre.
Vom farbigen Foto zur Schwarz-Weiß-Grafik
Um das Gesagte zu erklären, zeigt sie auf dem Computerbildschirm zwei Bilder: Links ein Foto, das 2016 in Kulmbach entstanden ist. Es zeigt ein Stück eines Baumstamms, in dem Verästelungen und die Struktur der Rinde wie ein schiefes Gesicht aussehen. Mithilfe eines Computerprogramms hat sie einen Ausschnitt des ursprünglichen Fotos so bearbeitet, dass das Gesicht auf dem rechten Bild deutlicher zum Vorschein kommt und wie eine schwarz-weiße Grafik wirkt.
"Manche Fotografien leben von ihren Farben", sagt Römhild, "bei anderen lege ich den Fokus auf die Strukturen und die kommen mitunter in Schwarz und Weiß besser zur Geltung". Das Rinden-Gesicht wird nicht in der Ausstellung zu sehen sein, aber eine Reihe anderer Werke, die auf ähnliche Weise entstanden sind.
Textiles Gestalten: Kerstin Römhild kehrt zu ihren Wurzeln zurück
Die neuesten Werke von Römhild sind in einer Mischtechnik mit Stoffen, Garnen und Fotopapier entstanden. Die genähten Fotocollagen sind für sie eine Rückkehr zu ihren Wurzeln, dem textilen Gestalten. Denn die gebürtige Thüringerin hat an der Fachschule für Angewandte Kunst in Schneeberg (Sachsen) Textildesign studiert. Grundmotiv sind jeweils Lichtreflexionen, die sie an der Wand eines Hotelzimmers in Mexiko beobachtet hatte. "Ich konnte nachts wegen des Jetlags nicht schlafen und habe die Wand fotografiert", erzählt Römhild.
Die Reflexionen hat sie mit Computerprogrammen bearbeitet, und zum Beispiel jegliche Farbe aus dem Bild herausgenommen oder die Farbsättigung erhöht. Mit verschiedenen Garnen nähte die Künstlerin die Linien, die sie auf dem Foto wahrgenommen hat, nach und verlängerte sie über das Motiv hinaus auf Nesselstoff. So entstand eine Reihe grafischer Werke.
Seit 40 Jahren im Raum Lohr zu Hause
Großen Einfluss auf Römhilds Weg zur bildenden Künstlerin hatte der Bosch Rexroth Fotoclub, dem sie 2008 beigetreten ist. Sie wohnt seit 40 Jahren im Raum Lohr und arbeitete viele Jahre bei Bosch Rexroth. Römhild gehört der Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens (VKU) an sowie dem Berufsverband bildender Künstler Unterfranken (BBK), in dem sie sich im Vorstand engagiert. Erstmals außerhalb Unterfrankens hat Römhild 2016 ausgestellt; zwei Jahre später auch in China und 2023 in Mexiko. Für dieses Jahr ist ein Kunstaustausch mit Armenien geplant, an dem sie teilnimmt.
In Marktheidenfeld werden neben Römhilds Werken auch die von Helga Schwalt-Scherer aus Mainaschaff gezeigt. Die beiden haben sich 2018 beim Deutsch-Chinesischen Kunstaustausch kennengelernt. Die prägnanten Skulpturen und Installationen Schwalt-Scherers bestehen vor allem aus NATO-Draht. Der Werkstoff ist eine Variante des Stacheldrahtes, der zu einer Drahtrolle gedreht ist.
Ihre gewebten Decken, gestrickten Socken und Kleidchen balancieren zwischen Schönheit und Schrecken. "Die vordergründige Wirkung und die präzise Gestaltung dieser eher harmlosen Gegenstände stehen in einem befremdlichen Kontrast zu dem dafür verwendeten Material, das mit messerscharfen Schneiden ausgestattet ist", so Römhild über die Werke der Kollegin.