Der in Lohr mit der »Glashütte« präsente Weltkonzern Gerresheimer ärgert sich über die Stadt Lohr. Konkret über die vor wenigen Tagen getroffene Entscheidung des Stadtrates zum Verkauf der letzten großen freien Gewerbefläche im Industriegebiet Süd.
Man sei »sehr verwundert« darüber, dass bei dieser Entscheidung nicht die als Partner von Gerresheimer aufgetretene Lohrer Gebr. Mayer GbR zum Zuge kam, sondern der Lohrer Glasofenbauer Sorg, sagt Andreas Kohl.
»Nicht nachvollziehbar«
Kohl war bis vor einiger Zeit Geschäftsführer von Gerresheimer Lohr, ist dann jedoch aufgestiegen und im Gesamtkonzern mittlerweile verantwortlich für Betrieb, Technik und Qualität aller Gerresheimer-Glashütten weltweit. Es sei für ihn »nicht nachvollziehbar, wie ein so großes, alteingesessenes Unternehmen wie die Glashütte bei ihren Erweiterungen nicht unterstützt wird«, sagt Kohl.
Gerresheimer Lohr beschäftigt rund 380 Mitarbeiter. Das Unternehmen hat für das nächste Jahr eine kräftige Investition geplant. Für einen zweistelligen Millionenbetrag soll die Produktionskapazität am Standort erweitert werden. Das erfordert zusätzliche Lagerkapazitäten.
Diese hätte die Gebr. Mayer GbR auf der 1,8 Hektar großen Gewerbefläche im Industriegebiet Süd mit einer auf rund sechs Millionen Euro veranschlagten Halle schaffen wollen.
Daneben hätte die Mayer-Seubert Umweltservice GmbH auf dem Areal als Dienstleister die Nachsortierung der Gerresheimer-Produkte übernehmen wollen. Insgesamt, so die Geschäftsführer, hätten dabei rund 40 neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Gerresheimer Lohr hatte die Bewerbung von Mayer mit einem Empfehlungsschreiben unterstützt.
Doch der Stadtrat entschied sich für einen Zuschlag an den Glasofenbauer Sorg und beauftragte die Verwaltung mit Verkaufsverhandlungen. Laut Dieter Daus, Pressesprecher der Stadt, lag der Entscheidung eine Bewertungsmatrix zugrunde.
Verschiedene Kriterien gewertet
In dieser seien Kriterien wie die Zahl der zu erwartenden Arbeitsplätze, die Lohrer Wirtschaftsstruktur, die Qualifizierung der Arbeitskräfte oder auch der Imageeffekt für den Standort gewertet und gewichtet worden. Nach Informationen der Redaktion fiel das Votum des Stadtrates für Sorg sehr deutlich aus.
Sorg beschäftigt in Lohr und Gemünden rund 350 Mitarbeiter. Dazu, was genau es mit der Fläche im Industriegebiet vorhat, äußerte sich das Unternehmen bislang nicht.
Dem Vernehmen nach ist jedoch geplant, die derzeit noch in Gemünden angesiedelte Niederlassung mit rund 50 Mitarbeitern in den Bereichen Werkstatt, Lager, Versand und Service nach Lohr zu verlagern.
Gerresheimer Lohr lässt recht deutlich erkennen, dass die Entscheidung des Stadtrates für das Unternehmen ein ziemlicher Schlag ist. Die Erweiterung der Lagerkapazität mitsamt zusätzlichen Dienstleistungen hätte nicht nur zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, so Kohl. Das nun gescheiterte Vorhaben müsse auch »im Zusammenhang mit der Erweiterungsinvestition im Werk selbst« gesehen werden.
»Das bedeutet ein Umdenken für unser gesamtes Projekt«, sagt Kohl per aus Indien geschickter Stellungnahme zu der geplanten Investition und zu der Entscheidung des Stadtrates gegen die Gebr. Mayer GbR und somit indirekt auch gegen Gerresheimer.
Die Dimension der Investition umschreibt Kohl mit »im mittleren bis hohen zweistelligen« Millionenbereich.
Mehr Lkw-Verkehr in Lohr
Die fehlenden Lagermöglichkeiten würden »wie bereits dem Stadtrat geschildert« zu einer deutlichen Erhöhung der Verkehrsbelastung durch Lastwagen in Lohr führen.
Marion Stolzenwald von der Gerresheimer-Pressestelle fügte gegenüber der Redaktion hinzu, dass höhere Transportkosten dazu führen, dass die geplante Investition in Lohr »komplett neu überlegt und gerechnet« werden müsse. Um die benötigten Lagerkapazitäten zu finden, müsse man sich nun wohl oder übel außerhalb von Lohr etwas suchen. Dies, so Stolzenwald, sei »mehr als ärgerlich«.
Mayer und Grampp suchen
Die Gebr. Mayer GbR mit den Geschäftsführern Stefan Mayer-Kastner und Alexander Dietrich war einer von drei Bewerbern für die Fläche. Neben dem Glasofenbauer Sorg hatte auch das Autohaus Grampp mit seinen rund 200 Mitarbeitern Flächenbedarf bei der Stadt angemeldet.
Auch Peter Grampp, Inhaber und Geschäftsführer der Autohäuser, kündigte gegenüber der Redaktion an, sich nun anderweitig nach Alternativen umschauen zu wollen, eventuell auch außerhalb von Lohr.