Die Entscheidung ist gefallen: Die Stadt Lohr will die letzte große und freie Gewerbefläche im Industriegebiet Süd an den Lohrer Glasofenbauer Sorg verkaufen. Der Stadtrat beauftragte im nichtöffentlichen Teil seiner jüngsten Sitzung die Verwaltung damit, Verhandlungen mit dem Unternehmen aufzunehmen. Neben Sorg hatten sich noch zwei andere Lohrer Unternehmen beworben: die Gebr. Mayer GbR und das Autohaus Grampp.
Die Fläche an der Bürgermeister-Dr.-Nebel-Straße ist rund 18000 Quadratmeter groß. Ausschlaggebend für die Vergabe an Sorg waren laut Dieter Daus, Pressesprecher der Stadt, die in den städtischen Richtlinien zu Grundstücksverkäufen festgeschriebenen Kriterien.
Bei der Bewertung habe insbesondere der Aspekt der zu erwartenden Arbeitsplätze eine Rolle gespielt, so Daus. Aber auch die Verbesserung der Lohrer Wirtschaftsstruktur, die Qualifizierung der Arbeitskräte und der Imageeffekt für den Standort seien bei der Entscheidung von Bedeutung gewesen.
Deutliches Votum für Sorg
Über den Diskussionsverlauf und dazu, ob die Entscheidung deutlich war, wolle das Rathaus sich nicht äußern, da es sich um eine nichtöffentliche Sitzung gehandelt habe, so Daus. Nach Informationen der Redaktion war das Votum des Stadtrates für Sorg jedoch überaus deutlich. Das Ergebnis der Bewertungsmatrix sei klar gewesen, so ein Stadtratsmitglied.
Der Glasofenbauer mit Stammsitz in der Lohrer Stoltestraße beschäftigt weltweit rund 450 Menschen. In Lohr sowie am Standort Gemünden bietet er aktuell rund 350 Arbeitsplätze. Auf Anfrage der Redaktion wollte sich das Unternehmen jetzt noch nicht dazu äußern, welche Pläne es für die Fläche im Industriegebiet Süd hat. Zu einem früheren Zeitpunkt machten Aussagen die Runde, wonach Sorg mit dem Gedanken spielt, seine Gemündener Niederlassung mit Werkstatt, Lager und Versand nach Lohr zu verlegen. In der Dreiflüsse-Stadt beschäftigt Sorg rund 50 Mitarbeiter.
Stadträte wollen Baugebot
Die Stadt Lohr dürfte jedenfalls darauf drängen, dass auf der Gewerbefläche im Industriegebiet zeitnah etwas vorwärtsgeht. Es werde auf jeden Fall ein Baugebot geben, ist aus dem Stadtrat zu hören. Als Frist seien drei Jahre im Gespräch. Auf keinen Fall wolle man sich nochmals darauf einlassen, dass diese Frist immer wieder verlängert wird und die Fläche über viele Jahre brach liegt.
Diese Erfahrung hat die Stadt bekanntlich mit der Bosch Rexroth AG gemacht. Für den größten Arbeitgeber vor Ort hatte die Stadt vor vielen Jahren die Fläche zusammengekauft und sie an Rexroth weitergereicht. Das Unternehmen spielte seinerzeit mit der Idee, auf dem Areal einen großen Bürokomplex zu errichten.
Jahrelange Vorgeschichte
Doch daraus wurde nichts. Die Stadt gab die Hoffnung jedoch über Jahre nicht auf und ließ die Möglichkeit auf einen Rückkauf verstreichen. Erst als offensichtlich geworden war, dass Rexroth für die Fläche keine konkrete Verwendung hat, zog die Stadt 2018 die Rückkaufoption.
Die Entscheidung für Sorg zwingt nun zwei andere Lohrer Unternehmen zur Suche nach Alternativen:
Die Gebr. Mayer GbR hätte die Fläche verwendet für ein Kooperationsprojekt mit dem Glashersteller Gerresheimer. Der will die Kapazität seines 380 Mitarbeiter zählenden Lohrer Werkes im kommenden Jahr für einen zweistelligen Millionenbetrag deutlich erweitern.
Das erfordert zusätzliche Lagerkapazitäten. Die hätte die Gebr. Mayer GbR durch den Bau einer auf sechs Millionen Euro veranschlagten Halle schaffen wollen. Außerdem hätten auf der Fläche auch eine Nachsortierung als Dienstleistung für Gerresheimer unterkommen und so rund 40 Arbeitsplätze entstehen sollen.
Nach der Absage von der Stadt gehe es bei dieser Planung »zurück auf Null«, sagt Alexander Dietrich, einer der Geschäftsführer der Gebr. Mayer GbR. Die Suche gehe weiter, wobei in Lohr keinerlei Fläche in der benötigten Größe in Aussicht sei.
Auch Peter Grampp, Inhaber der gleichnamigen Autohäuser mit rund 200 Mitarbeitern, hatte im Rathaus Flächenbedarf angemeldet. Er benötige rund 6000 Quadratmeter, unter anderem für die Autoaufbereitung und die Auslieferungslogistik. Der Platzmangel sei für sein Unternehmen »stark wachstumshemmend«, hatte Grampp vor einigen Wochen gesagt.
Da er nun auf der städtischen Fläche nicht zum Zug komme, müsse er sich nach Alternativen umsehen, so der Geschäftsmann gegenüber der Redaktion. Denkbar sei eine Verlagerung von Teilbereichen auch von Lohr weg. Er habe jedoch Verständnis für die Stadt: »Sie kann bei einer solchen Entscheidung nur einen glücklich machen.«
Sich selbst kann die Stadt Lohr durch den Grundstücksverkauf auch ein bisschen glücklich machen. Zwar äußert sie sich nicht zu Verkaufspreisen. Im städtischen Haushalt sind für 2019 unter der Rubrik »Verkauf unbebauter Grundstücke« jedoch 940000 Euro veranschlagt. Der überwiegende Teil davon dürfte auf die Fläche im Industriegebiet entfallen.