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Main-Spessart
Bäcker-Mobil seit 50 Jahren unterwegs: Wie läuft das Geschäft in Main-Spessart?
Seit den 70er Jahren fahren die Verkaufsbusse der Bäckerei Hohmann aus Thüngen den Main-Spessartern Backwaren direkt vor die Haustür. Die Menschen schätzen den Service – nicht zuletzt seit Corona.
Brot vor die Haustür: Die Bäckerei Hohmann aus Thüngen setzt seit Jahrzehnten auf Verkaufsbusse in Main-Spessart.
Foto: Patty Varasano | Brot vor die Haustür: Die Bäckerei Hohmann aus Thüngen setzt seit Jahrzehnten auf Verkaufsbusse in Main-Spessart.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:23 Uhr

Es klingt wie ein schöner Montagmorgen-Traum: Gegen halb elf wird man durch ein lautes Klingeln vor der Haustür geweckt. Noch in Pyjama und Pantoffeln wankt man aus dem Gartentürchen und steht vor einer Auslage voller Kuchen, süßen Stückchen, Brot und Brötchen. Ob sich Reinhold Hohmann das so überlegt hat, als er damals in den 70ern die Bäckereiflitzer der Hohmann-Bäckerei in Thüngen ins Leben gerufen hat? Fakt ist, dass er schon früh darauf setzte, seine Backwaren den Menschen lieber vor die Haustür zu fahren, als nur im Geschäft zu verkaufen, erzählt seine Tochter, Ulrike Hohmann-Nickel. Seit 1998 führt sie zusammen mit Georg Höfling den Betrieb. 

An diesem Montag trifft man sie um zehn Uhr morgens in ihrem Büro hinter der Backstube. Die Bäckerbusse sind bereits alle seit dem frühen Morgen auf ihren Touren. Einige kommen zur Zwischenbeladung wieder, um dann weiterzufahren. "Mir sind die Verkaufswägen ehrlich gesagt auch lieber", erzählt sie angesprochen auf das väterliche Verkaufskonzept. Hier könne man besser einschätzen, wie viele Kunden kommen, als im festen Laden mit seiner Laufkundschaft.  

Damals wie heute sind es Stammkunden, die beim Brötchenflitzer kaufen

Schon als Kind sei sie mit Vater Reinhold auf Touren mitgefahren, damals noch mit dem VW-Bus: Schiebetür auf, Kunden bedienen, Schiebetür zu, weiterfahren. Damals wie heute sind es Stammkunden, die beim Brötchenflitzer kaufen und ihm treu sind. So treu, dass sie sich förmlich abmelden, wenn sie mal eine Woche nicht parat stehen an ihrer Haltestelle. 

Schon als Kind bei den Verkaufstouren mitgefahren: Ulrike Hohmann-Nickel, Geschäftsführerin der Bäckerei Hohmann aus Thüngen
Foto: Lucia Lenzen | Schon als Kind bei den Verkaufstouren mitgefahren: Ulrike Hohmann-Nickel, Geschäftsführerin der Bäckerei Hohmann aus Thüngen

Die VW-Busse mit Schiebetür sind allerdings schon lange Vergangenheit. Neun Sprinter, bestückt mit Regalen für Brot, Kuchen-Auslage, einer Warmhaltebox und einer Verkaufsklappe fahren durch Main-Spessart - und darüber hinaus. Neun Touren starten mehrmals pro Woche. Rund 40 Kilometer in alle Richtungen fahre man, bis nach Würzburg, Kitzingen und Schweinfurt, erzählt Hohmann-Nickel. Nur in Marktheidenfeld sei man nicht unterwegs, das habe sich einfach nie ergeben. 

Ein wichtiger Teil der Fahrten machen die sogenannten Brotzeit-Touren aus. Der Verkaufsbus hält bei größeren Betrieben, sodass sich die Mitarbeiter in ihrer Pause eindecken können mit Belegten, Wienerle, Mettstangen, an manchen Tagen sogar mit Burgern oder Fischbrötchen. Hier heißt es: Pünktlich sein. Denn eine Pause ohne Leberkäs-Brötchen und Zeitung? Das käme nicht gut an, erzählt Hohmann-Nickel. Rund 35 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen inklusive Verkäufer, Bäcker und Fahrer. Wobei es vor allem bei letzteren schwierig sei, gutes Personal zu finden. Was ein potentieller Fahrer, eine Fahrerin können sollte? "Die sollten freundlich sein, Autofahren können und vor allem zuverlässig sein", zählt die Chefin auf. 

"Die sollten freundlich sein, Autofahren können und vor allem zuverlässig sein."
Ulrike Hohmann-Nickel über die Anforderungen an ihre Verkaufsfahrer 

Gabi Holtz ist eine der Fahrerinnen. Die 59-Jährige ist bereits seit über 20 Jahren dabei, seit 2001 in Vollzeit. Gerade ist sie von ihrer Frühtour aus Bergrheinfeld zurückgekommen und füllt ihr Sortiment in der Backstube auf. Um kurz nach zehn Uhr verlässt sie erneut den Hof. Jetzt geht es über Land: Heute stehen die Ortschaften Retzstadt, Himmelstadt, Laudenbach, Karbach, Roden, Ansbach, Rohrbach, Wiesenfeld, die Erlenbacher Höfe und Halsbach auf ihrem Plan. Allein in Retzstadt hält das Bäckermobil an fünf Haltestellen. Klingel drücken, Klappe auf.

Bereits am ersten Halt in der Wethstraße wartet Kundschaft. Barbara Eisenbacher und ihr Sohn Lennart stehen vor ihrem Hoftor. Ein Brot und ein Donut wechseln die Thekenseite. Sie ist froh über den Verkaufsbus, sagt Barbara Eisenbacher. Vor allem die Schwiegereltern profitierten, denn sie seien auf den Rollator angewiesen und nicht mehr so mobil. Zwar gibt es noch einen Bäcker im Ort, aber die Abwechslung macht es. Das findet auch Rosemarie Pfister. Die Seniorin kommt eine Haltestelle weiter in der Schulstraße aus ihrem Haus. Heute soll sie auch für ihren Enkel ein Brot mitnehmen. "Auf Samstag kauf ich auch mal einen halben Käsekuchen", erzählt sie. "Gerade die älteren Menschen kaufen oft auch nur ein Stück Kuchen", erzählt Gabi Holtz, während sie den Bus Richtung Himmelstadt steuert. Denn die Menschen wohnen zunehmend alleine. Einen ganzen Kuchen zu backen? Unter der Woche lohne sich das nicht mehr.   

Haltestelle Schulstraße in Retzstadt: Der Bäckerflitzer ist auch immer ein Treffpunkt für einen kurzen Plausch.  
Foto: Patty Varasano | Haltestelle Schulstraße in Retzstadt: Der Bäckerflitzer ist auch immer ein Treffpunkt für einen kurzen Plausch.  

Der Luxus eines Stück Kuchens für den Nachmittag, Bequemlichkeit, die Abwechslung - die Argumente, was die Kunden zum Bäckerwagen lockt, häufen sich von Haltestelle zu Haltestelle. Vor allem aber bietet der Bäckerflitzer die Chance auf einen kurzen Plausch - entweder mit den Dorfbewohnern oder mit Gabi Holtz. Für Manchen sei der Halt des Bäckerwagens einmal pro Woche richtiggehend ein Termin. "Die sitzen dann schon auf dem Bänkle, warten, reden, machen sich teilweise richtig hübsch für den Einkauf", erzählt Ulrike Hohmann-Nickel. Vor allem in Zeiten von Corona-Lockdowns erwies sich der Bäckerwagen als Glücksfall, denn für viele war der Einkauf  sozusagen der einzige Kontakt zur Außenwelt.

Manchmal ein Spagat: plauschen, verkaufen und den Zeitplan einhalten

Für Gabi Holtz aber ist es auch immer ein Spagat: Sie muss plauschen, verkaufen und den Zeitplan einhalten. Denn jeder Stopp hat seine ungefähre Uhrzeit, mit der die Kundschaft auch rechnet. Vor allem während Corona geriet ihr Fahrplan kräftig aus dem Ruder, wenn an den Haltestellen plötzlich das Doppelte an Menschen stand wie sonst. Genauso unschön sei es aber auch, wenn kaum einer kommt. "Dann fährst du den ganzen Tag spazieren und verkaufst fast nichts." Auch an diesem Montag bleibt an einigen Haltestellen die Klappe zu, weil niemand kommt. In Ferienzeiten und an Montagen sei das normal. 

An fünf Tagen die Woche ist Gabi Holtz unterwegs. Der stärkste Tag sei der Samstag, mittwochs hat sie frei. Sie mag ihren Beruf. Ist gerne ihr eigener Herr und mag den Umgang mit den Menschen. Nach ihrer täglichen Tour aber ist sie froh, wenn sie abends ihre Ruhe hat. Und auch körperlich ist die Arbeit nicht zu unterschätzen. Auch wenn die Klappe mittlerweile automatisch und nicht mehr per Hand zu öffnen ist wie früher.   

Seit über 20 Jahren schon mit dabei: Verkaufsfahrerin Gabi Holtz aus Arnstein. 
Foto: Patty Varasano | Seit über 20 Jahren schon mit dabei: Verkaufsfahrerin Gabi Holtz aus Arnstein. 

In Himmelstadt warten Helga Scheb und Christa Sauer bereits auf sie. Obwohl es in der Gemeinde noch einen Bäcker gibt, schätzen sie den Thüngener Bäckerflitzer. Fünf Lebensmittelläden und drei solcher Bäckerlieferdienste hätte es früher mal im Ort gegeben, erinnern sie sich. Heute siedeln sich die Geschäfte überwiegend in den größeren Städten, wie Karlstadt, an. So musste selbst der  Himmelstadter Dorfladen schließen. Auch Ingrid Karle, ein paar Straßen weiter, steht heute alleine am Haltepunkt vor ihrem Haus. Die Nachbarin sei in Karlstadt auf einem Termin. Vermutlich kauft sie dann auch dort gleich ein.  

"Wir versuchen humane Preise zu machen und eine Mittelschiene zu fahren."
Ulrike Hohmann-Nickel über ihre Preispolitik

Die Kundin am nächsten Stopp wiederum kauft beim Bäckerauto ein, um sich den Sprit zu sparen, der die Fahrt nach Karlstadt kostet. Apropos Tanken: Wie sieht Ulrike Hohmann-Nickel die Preissteigerungen der letzten Monate mit Blick auf ihre spritbedürftige Verkaufsflotte? Zumindest will sie die hohen Kosten für steigende Preise bei Getreide oder Öl nicht an ihre Kunden weitergeben. "Wir versuchen humane Preise zu machen und eine Mittelschiene zu fahren", so Hohmann-Nickel. Sprich, nicht so billig wie beim Discounter, aber auch nicht zu teuer dürfen die Produkte sein. So gibt es bei Hohmann noch ein Brötchen für 40 Cent. 

Um kurz vor vier Uhr ist Gabi Holtz Arbeitstag in der Regel beendet und sie biegt wieder auf dem Hof in Thüngen ein. Sollte sich nicht irgendwo eine Baustelle eingeschlichen haben, die die Fahrtzeit verzögert. Gerade im Sommer häufen sich diese ja mal gerne. Gerade erst wird direkt vor dem Bäckereigebäude in Thüngen gearbeitet. Und auch die B26 ist auf einem Teilstück vollgesperrt. Als Nahversorger dürfen die Bäckerbusse die Vollsperrung aber passieren. Ein Sommer, in dem nichts passiert? Das wäre fast ein zu schöner Montagmorgen-Traum. 

 
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