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Alzenau
Überfall auf Goldtransport bei "Aktenzeichen XY": Während die Polizei die Täter jagt, gibt es Kritik am Unternehmen
Von der ZDF-Sendung erhofft sich die Polizei Hinweise auf die Täter von Alzenau. Aber warum wurde Gold in einem Kleinwagen transportiert? Das sagen Branchenkenner.
In diesem Toyota Aygo transportierte ein Dienstleister das Goldgranulat.
Foto: Polizei Unterfranken | In diesem Toyota Aygo transportierte ein Dienstleister das Goldgranulat.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 20:23 Uhr

Der Überfall auf einen Goldtransport in Alzenau (Lkr. Aschaffenburg) war am Mittwochabend Thema bei "Aktenzeichen XY". Gleich zu Beginn der ZDF-Sendung stellte Moderator Rudi Cerne den Fall vor, der der Polizei Rätsel aufgibt.

Am vergangenen Freitag gegen 10.45 Uhr hatten zwei Bewaffnete den Transport in einem Industriegebiet überfallen. Verletzt wurde niemand. Laut derzeitigem Ermittlungsstand waren die Unbekannten als Polizisten verkleidet: Sie trugen dunkle Westen mit der Aufschrift "Polizei", auf ihrem späteren Fluchtwagen – einem schwarzen Jaguar – war ein Blaulicht angebracht.

Der Fluchtwagen: ein schwarzer Jaguar XF mit dem Kennzeichen GG-FO 215
Foto: Polizei Unterfranken | Der Fluchtwagen: ein schwarzer Jaguar XF mit dem Kennzeichen GG-FO 215

Die Täter hielten den Transport – einen silbernen Toyota Aygo – mit einer Polizeikelle an, fesselten die Insassen an das Auto und stahlen zwei Behälter mit Goldgranulat aus dem Kofferraum. Zum Wert der Beute macht die Polizei bislang keine Angaben.

Fluchtwagen wurde in Frankfurt gestohlen

Etwa eine halbe Stunde später fanden die Ermittler an der A45 den Jaguar brennend, von den Tätern fehlt seitdem jede Spur. Bei dem Fluchtauto handelte es sich laut Polizei um eine sogenannte Fahrzeugdoublette: Die Täter hatten sich einen baugleichen Pkw in der gleichen Farbe gesucht und ließen sich die Kennzeichen des Originalfahrzeugs nachmachen. 

Feuerwehrleute löschten am 19. August den Jaguar in der Nähe der Anschlussstelle Alzenau-Nord.
Foto: Ralf Hettler, dpa | Feuerwehrleute löschten am 19. August den Jaguar in der Nähe der Anschlussstelle Alzenau-Nord.

Bei "Aktenzeichen XY" wurde bekannt, dass der Jaguar XF im Juni bei Frankfurt gestohlen worden sei. Später habe man das Auto in Berlin geortet.

Branchenverband: Kein professioneller Transport

Während die Polizei die Täter jagt, wird Kritik an dem Unternehmen laut, das den Transport organisiert hat. Grund ist der eingesetzte Toyota – laut Polizei ein Kleinwagen, der keine zusätzliche Sicherheitsausstattung aufwies. Ist es üblich, solche Fahrzeuge für derlei Touren zu nutzen?

"Der Einsatz eines serienmäßigen Kleinwagens für den Transport von Goldgranulat ist sicher nicht das, was wir unter einem professionellen Werttransport verstehen", betont Silke Zöller, Pressesprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW), im Gespräch mit dieser Redaktion. Die BDGW-Mitgliedsunternehmen müssten "strenge Standards erfüllen". Dazu gehörten auch "gepanzerte Spezialfahrzeuge".

In solchen Behältern wurde das Goldgranulat bei Alzenau (Lkr. Aschaffenburg) transportiert.
Foto: Polizei Unterfranken | In solchen Behältern wurde das Goldgranulat bei Alzenau (Lkr. Aschaffenburg) transportiert.

Beim Transport von Geld oder Wertgegenständen gebe es "viele Facetten": Letztlich sei "auch eine Verkäuferin, die abends die Tageeinnahmen zur Bank bringt, eine Geldbotin", erklärt Zöller. "Ob es aber sinnvoll ist, mit einem normalen Pkw Gold durch die Gegend zu fahren, sei mal dahingestellt."

Verdi: Transport in Kleinwagen "grob fahrlässig"

Deutlicher wird man auf Gewerkschaftsseite. "Das ist grob fahrlässig", sagt Sonja Austermühle von Verdi. "Wir finden es verwerflich, Mitarbeiter so auf dem Präsentierteller zu servieren." Der Job sei schließlich "auch in gepanzerten Fahrzeugen schon gefährlich".

Mit Sorge blicke die Gewerkschaft auf jüngste Entwicklungen in der Branche: Im Zuge von Sparmaßnahmen würden Unternehmen zuletzt häufig darauf drängen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Werttransporte auch alleine durchführen dürfen. Spätestens wenn das Fahrzeug zum Be- und Entladen von Wertgegenständen verlassen werden muss, drohe dann Gefahr, so Austermühle.

Im Einzelfall dürfen Werttransporte auch in normalen Autos durchgeführt werden

Unterdessen weist die zuständige Berufsgenossenschaft VBG auf Nachfrage darauf hin, dass Geld- und Werttransporte prinzipiell "nur mit hierfür besonders gesicherten Fahrzeugen" durchgeführt werden dürfen. So schreibt es die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) vor. Es gibt jedoch Ausnahmen: Wenn zum Beispiel "im Einzelfall ein einmaliger Geld- oder Werttransport durchgeführt wird, der für Außenstehende nicht als solcher erkennbar ist" dürfen solche Fahrten "auch in sonstigen Fahrzeugen durchgeführt werden". Ob diese Kriterien in dem Fall von Alzenau griffen, ist unklar.

Offen ist indes auch, ob die Polizei den Tätern nach der Ausstrahlung von "Aktenzeichen XY" wieder auf der Spur ist. Es seien mehrere Hinweise eingegangen, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag auf Nachfrage. Diese müssten allerdings erst noch ausgewertet werden.

Zeugenaufruf der Polizei

Die Polizei sucht nach Zeuginnen und Zeugen und fragt:
  • Wer kann Hinweise zum Fluchtfahrzeug der beiden Täter geben? Ist jemandem der schwarze Jaguar mit dem Kennzeichen GG-FO 215 vor der Tat aufgefallen? Kann jemand Angaben zu den Kennzeichen machen, insbesondere darüber, wer sie hergestellt hat?
  • Hat jemand Personen beobachtet, die den Werttransporter, einen silberfarbenen Toyota Aygo mit dem Kennzeichen GN-CD125, ausgekundschaftet haben?
  • Wer hat im Tatzeitraum in der Borsigstraße in Alzenau und am Brandort des Jaguars an der Anschlussstelle Alzenau-Nord Verdächtiges beobachtet? Die Polizei spricht hier auch Fahrzeugbesitzer an, die im Bereich des Tatorts oder des Brandorts unterwegs waren und möglicherweise Bildmaterial mittels Dash-Cam angefertigt haben.
  • Wer kann Hinweise zur Beute machen? Wo sind größere Mengen Gold zum Verkauf angeboten worden? Wem sind die bei der Tat entwendeten Transportbehälter aufgefallen? Möglicherweise wurden diese durch die beiden Täter entsorgt?
  • Wer kann Hinweise zur Verkleidung der Täter geben?
Hinweise nimmt die Kriminalpolizei Aschaffenburg unter Tel. (06021) 857-1733 entgegen.
Quelle: Polizei Unterfranken
 
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  • P. K.
    Die wichtigste Frage ist doch wer aus dem Transportunternehmen mit den Tätern unter einer Decke steckt. Kein Mensch überfällt einen Kleinwagen ohne zu wissen was da im Kofferraum ist. Die Täter müssen auch gewusst haben wann und wo der Transport unterwegs ist.
    Anders wäre es bei einem gepanzerten Geldtransporter, so einen könnte man schon mal auf gut Glück überfallen.
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