
Im Lohrer Rathaus hängt der Haussegen schief. Und zwar gewaltig. Rund um die Frage, ob es in den Toiletten der Grundschule Sendelbach dringenden Sanierungsbedarf gibt, ist ein Streit eskaliert, bei dem es längst nicht mehr um Urinale und Gestank geht. Stattdessen tauschen Bürgermeister und Stadtratsmitglieder sowie Stadträte untereinander reichlich Vorwürfe aus. Die Rede ist von falschen Behauptungen und unkollegialem Verhalten, vom Ignorieren von Abmachungen und von haltlosen Vorwürfen.
Aufhänger des Zwists war ein förmlicher Antrag, mit dem die Fraktionen von CSU und Grünen vor wenigen Tagen einen Ortstermin in der Sendelbacher Schultoilette gefordert hatten. Die Fraktionsvorsitzenden Clemens Kracht (Grüne) und Frank Seubert (CSU) schrieben darin von länger anhaltenden Beschwerden aus der Schulfamilie über den "desolaten Zustand" der Schultoiletten, auch von "offensichtlicher Untätigkeit" seitens der Stadt. Nachdem die Verwaltung dem mehrfach geäußerten Wunsch nach einem Ortstermin nicht nachgekommen sei, sehe man sich gezwungen, eine Ortseinsicht der Stadträte per Antrag zu erzwingen, so Kracht und Seubert.
Der über diese Aussagen merklich verärgerte Bürgermeister Mario Paul hatte bereits am Mittwoch am Ende der Stadtratssitzung mit einer Stellungnahme reagiert. Er bezeichnete die Aussagen des Antrags als "uninformiert, nicht sachgerecht und insofern falsch". Umso verwunderlicher sei der Antrag, wo doch schon Tage zuvor auf Initiative von Stadträtin Brigitte Riedmann ein interner Besichtigungstermin in der Schule vereinbart worden sei. Alle Räte hätten davon Kenntnis gehabt, so Paul.
Es wird wohl daneben gepinkelt
Riedmann schildert gegenüber der Redaktion, dass sie im Vorfeld wie alle anderen Fraktionsvorsitzenden auch von Elternvertretern auf die Zustände in der Schultoilette angesprochen worden sei. Daraufhin habe sie, wie für sie in solchen Fällen üblich, ihre Steinbacher Stadtratskollegen verschiedener Fraktionen gebeten, sich gemeinsam ein Bild vor Ort zu machen, da auch die Steinbacher Kinder die Sendelbacher Grundschule besuchen. Bei Bürgermeister Paul sei sie mit der Bitte um einen inoffiziellen Ortstermin auf offene Ohren gestoßen. Es sei ihr allein darum gegangen, zu prüfen, ob die Zustände tatsächlich desolat seien und sich der Gesamt-Stadtrat mit dem Thema befassen müsse, so Riedmann.
Der Ortstermin hat am Donnerstagnachmittag stattgefunden. Mit dabei waren Vertreter der meisten Fraktionen, der Schule, des Elternbeirats und der Verwaltung. Dem Vernehmen nach herrschte danach weitgehende Einigkeit, dass das von Eltern beschriebene Geruchsproblem nicht an Zustand und Pflege der Toiletten liegt, sondern an deren Benutzung. Im Klartext: Schüler pinkeln wohl immer wieder neben die Urinale. Auch bei anderen Geschäften werden die Toiletten anders hinterlassen, als man es erwarten könnte. Die Frage des Handlungsbedarfs in den Schultoiletten war also am Donnerstagabend geklärt: Es gibt ihn nicht. Zumindest nicht in baulicher Hinsicht.
Antrag gestellt, obwohl interner Ortstermin schon feststand
Der Streit ging tags darauf allerdings weiter. Da wies Bürgermeister Mario Paul in einem morgendlichen Pressegespräch den im Antrag erwähnten Vorwurf der städtischen Untätigkeit zurück. Im Detail zählte er auf, was die Stadt in den vergangenen Jahren in die Sendelbacher Schule investiert und auch wegen der Toiletten unternommen hat. Wenn Kracht und Seubert die von ihnen aufgegriffenen Zustände wie dargestellt schon länger bekannt seien, hätten sie doch im Zuge der Haushaltsberatungen vor wenigen Wochen Geld für entsprechende Sanierungen fordern können. Doch da sei keine Rede von dem Thema gewesen, so Paul. Auch stünden die Schultoiletten nicht auf der städtischen Prioritätenliste, deren Einhaltung gerade die CSU jüngst noch von ihm gefordert habe. Paul hielt Kracht und Seubert auch vor, den Antrag mit der Forderung nach einem Ortstermin gestellt zu haben, obwohl sie von dem bereits anberaumten internen Ortstermin gewusst hätten.
Kracht und Seubert bestreiten dies nicht. Sie betonen in Telefonaten mit der Redaktion am Freitag, dass es ihnen allein darum gegangen sei, das Thema mit einem förmlichen Antrag in die offizielle und öffentliche Beratung durch den Stadtrat zu bringen, statt es bei einem kurzfristig anberaumten inoffiziellen Termin nur für einige Stadträte zu belassen. "Es ging nur um die Sache", so Seubert. Während Paul den beiden Fraktionsvorsitzenden vorwarf, sich vor dem Stellen des Antrags nicht an die Verwaltung gewandt und so interne Absprachen außer Acht gelassen zu haben, schossen Kracht und Seubert am Freitagnachmittag per Stellungnahme zurück. Sie betonen dabei, dass ihr Antrag exakt den Vorgaben der Geschäftsordnung des Stadtrats entspreche.
"Tief enttäuscht" vom Verhalten des Bürgermeisters
Die Vorwürfe des Bürgermeisters seien haltlos, so Kracht und Seubert. Sie werfen dem Bürgermeister ihrerseits unkollegiales Verhalten vor, weil dieser sie in der Stadtratssitzung vorgeführt habe, indem er sie unter dem Punkt "Wünsche und Anfragen" an den Pranger gestellt habe. Hintergrund: Bei diesem Tagesordnungspunkt sind Erwiderungen oder Diskussionen nicht zugelassen. "Wir sind von Ihrem Verhalten tief enttäuscht", so Seubert und Kracht an die Adresse Pauls. Ihre Stellungnahme schickten sie am Freitagmittag nicht nur an den Bürgermeister, sondern auch an alle Stadträte und die Presse.
Kurz nach 15 Uhr reagierte Paul an die gleichen Adressaten. Er verwehre sich gegen den Vorwurf, unkollegial zu sein, schrieb der Bürgermeister in der Rundmail. Gegenüber der Redaktion erklärte er, in der Sitzung niemanden persönlich angegriffen, sondern nur Fakten benannt zu haben. In seiner Mail schrieb Paul an die Adresse von Kracht und Seubert: "Ich bin frustriert, dass Sie mir meinen hohen persönlichen Einsatz für ein gutes Miteinander im Stadtrat aberkennen."
Eine Stunde später kam die Retourkutsche: "Ich bitte Sie eindringlich, diese weiterführende Eskalation einzustellen", schrieb Kracht in einer ebenfalls mit großem Verteiler versehenen Antwortmail an Paul. Er forderte den Bürgermeister auf, den "einfachen Antrag" gemäß Geschäftsordnung abzuarbeiten. Man werde den Antrag nicht zurückziehen. "Im Übrigen stehen wir für ein klärendes Gespräch gerne bereit", so Kracht an Paul. Wenig später schob Seubert per Rundmail nach: "...das muss für heute reichen..."