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Urspringen
Telefon und TV-Gottesdienst: Wie eine Seniorin die Corona-Zeit erlebt
Vor allem für aktive Senioren war Corona ein großer Einschnitt: Plötzlich kaum Kontakte, Alltagsgewohnheiten brechen weg. Eine 95-jährige Urspringerin erzählt beispielhaft.
Eugenie Hart aus Urspringen ist 95 Jahre alt und lebt allein. Während Corona hatte sie kaum Kontakte, auch auf ihren gewohnten Kirchgang musste sie verzichten.
Foto: Tabea Goppelt | Eugenie Hart aus Urspringen ist 95 Jahre alt und lebt allein. Während Corona hatte sie kaum Kontakte, auch auf ihren gewohnten Kirchgang musste sie verzichten.
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 11.02.2024 18:33 Uhr

„Mer geht nicht fort, höchstens mal einen kleinen Spaziergang, naus an die frische Luft", sagt Eugenie Hart aus Urspringen. Sie sitzt im Wohnzimmer ihres Elternhauses, in dem sie mittlerweile alleine lebt. Früher seien sie zu fünft gewesen: Ihre Eltern, ihr Mann und ihre Tochter, die jetzt aber nicht mehr im Ort wohnt. "Ich kann kein Auto fahren, ich bin nicht beweglich", sagt Hart.

Ihre Tochter schaue jeden Samstag oder im Notfall vorbei. Harts Enkel kommt manchmal mit, sofern es die Coronalage zulässt. „Da machen wir ein bisschen Kaffee oder Brotzeit – und unterhalten uns.“ Auch die Schwägerin ist immer wieder da, gerade steht ein Korb ihrer selbstgemachten Marmelade in Harts Wohnzimmer. Doch: Viel Abwechslung hat die Seniorin zu Coronazeiten nicht. Ganz anders als ihr Leben vor der Pandemie.

Begegnungen im Dorf und in der Kirche fehlen 

„Ich bin katholisch und bin es gewohnt, immer zur Kirche zu gehen", sagt Hart. "Das habe ich dann auch unterlassen.“ Zum Friedhof gehe sie noch, weil ihr Mann dort beerdigt sei. "Das ist dann alles", sagt Hart. "Ich pflege das Grab, aber mehr ist nicht drin.“

Am Pfingstwochenende war wieder Kirchgang: „Da habe ich den Pfarrer angerufen und der hat das dann registriert. Auch wegen Corona – dass man keinen Kontakt mit dem Nächsten hat.“ Der letzte Gottesdienstbesuch davor lag „schon eine ganze Zeit“ zurück, sie erinnere sich gar nicht mehr genau. Ansonsten mussten die Fernsehgottesdienste herhalten: „Das ist auch angenehm. Ich kann schön da sitzen und mich konzentrieren“, sagt die Seniorin.

Eines können die Fernsehgottesdienste aber nicht bieten: Den persönlichen Austausch. „Das fehlt schon. Dass man sich unterhält, nach der Gesundheit fragt. Dass man sich einmal äußert, wie es einem selbst geht", sagt Hart. "Zum Glück bin ich noch gesund", sagt die rüstige Urspringerin. Auch die Coronaimpfungen habe sie gut vertragen. Die Tochter habe den Impftermin organisiert. „Das ist eigentlich an mir so vorbeigegangen. Ich habe gar nichts weiter gespürt", versichert sie. "Ich war dann froh, dass ich geimpft wurde und dass es vorüber war.“

Auch der 95. Geburtstag musste ausfallen. Wenn es bis dahin möglich ist, möchte Eugenie Hart aus Urspringen den nächsten Geburtstag wieder im großen Kreis der Familie feiern.
Foto: Tabea Goppelt | Auch der 95. Geburtstag musste ausfallen. Wenn es bis dahin möglich ist, möchte Eugenie Hart aus Urspringen den nächsten Geburtstag wieder im großen Kreis der Familie feiern.

Ausführliche Gespräche am Telefon

Über das Telefon lassen sich die fehlenden Kontakte ein wenig ausgleichen: Mit der Tochter telefoniere sie viel und auch entfernte Verwandte aus München hat sie immer wieder in der Leitung. "Da geht schon manchmal eine Stunde drauf, bis wir uns beidseitig aussprechen", sagt Hart mit einem Schmunzeln.  Eugenie Hart erinnert sich auch noch an eine Zeit ohne Telefone. Ihr Vater sei Bürgermeister gewesen und einer der ersten im Ort, der ein Telefon hatte. „Wenn dann irgendetwas Wichtiges war, kamen die Leute zu uns zum Telefonieren", erklärt sie. "Wir hatten immer ein offenes Haus. Zu uns sind immer Leute gekommen und man hat sich zusammengesetzt."

Der 95. Geburtstag fiel aus

Die Liebe zur Geselligkeit hat sie sich bis heute bewahrt. Eigentlich hätte letztes Jahr im November die Feier ihres 95. Geburtstags angestanden. "50 Personen waren wir normalerweise bei solchen Feiern", sagt Hart. Nun habe es zuhause Kuchen gegeben, die Tochter sei gekommen und der Enkel habe ihr ein Plakat gemalt mit Geburtstagswünschen. Zum 96. Geburtstag will sie aber wieder alle Nachbarn und Verwandten einladen, wenn es möglich ist.

Viele würden in Urspringen und Leinach leben, konnten aber durch Corona auch nicht zu Besuch kommen. „Nicht schön“, kommentiert Hart die Situation. Sie hoffe, dass irgendwann mit dieser Pandemie wieder Schluss sei. "Aber das läuft immer noch. Ich verfolge es immer in der Zeitung: Wie viele in Main-Spessart von dem Virus befallen sind.“

Strickstrümpfe statt Seniorentanz

Gerne wäre sie auch wieder bei einer Tanzveranstaltung für Senioren dabei gewesen, die vor Kurzem im Ort hätte stattfinden sollen. Sie fiel wegen Corona aus. "Das ist alles nicht mehr", sagt Hart mit Bedauern in der Stimme. Dann zeigt sie auf ein Bündel Wolle an der Ecke des Wohnzimmertisches. "Strickstrümpfe habe ich. Das mache ich noch gern, stricken", sagt sie. Gerade arbeitet sie an einem neuen Paar für ihren Schwiegersohn. 

"Corona fordert schon Opfer."
Eugenie Hart, alleinstehende Seniorin aus Urspringen

„Es ist schon manchmal langweilig", muss sich Hart trotzdem eingestehen. Früher habe sie sich mit den Nachbarn über das Dorfgeschehen unterhalten. Darauf freut sie sich auch wieder am meisten: „Dass man sich wieder mal trifft, mit den Nachbarn und mit den ortsansässigen Leuten.“ Nun macht sie gerne Spaziergänge zu einem kleinen Weiher in der Nähe.  Dann sehe sie manchmal, nicht oft, jemanden vom Dorf. Auf Abstand frage Hart: "Wie geht’s, was machst du?" Und das sei es dann schon wieder. "Corona fordert schon Opfer", sagt die Seniorin.

 
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Kommentare
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  • G. B.
    Schöner Artikel!
    Ich denke, mittlerweile könnte sich Frau Hart schon mal wieder länger unterhalten und den ein- oder anderen Besuch empfangen.
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