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Würzburg
Geständnis: 92-Jähriger aus Gemünden erstickte seine Ehefrau
Vor dem Landgericht Würzburg hat ein Prozess gegen einen Mann begonnen, der seine kranke Frau nach fast 70 Jahren Ehe aus Mitleid getötet haben soll. Er gestand die Tat.
Der 92-jährige Angeklagte sitzt neben seinem Anwalt im Landgericht Würzburg. Nach 70 Jahren Ehe soll er seine schwer an Demenz erkrankte Frau erstickt haben.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Der 92-jährige Angeklagte sitzt neben seinem Anwalt im Landgericht Würzburg. Nach 70 Jahren Ehe soll er seine schwer an Demenz erkrankte Frau erstickt haben.
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:05 Uhr

Jahrelang kümmerte sich der Mann nahezu allein um seine demente Frau. Ende 2019 ist der 92-Jährige aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart) am Ende seiner Kräfte. Weil der Rentner sich nicht mehr um seine Gattin kümmern konnte, sollte sie in ein Pflegeheim. Doch dem Angeklagten zufolge wollte das Paar "gemeinsam und in Würde sterben". So fasst der Mann einen weitreichenden Entschluss.

Am Abend des 3. November 2019 erstickt er seine Frau mit einer Hasenfelldecke im gemeinsamen Bett. Eine Stunde später verständigt er den Notarzt und kündigt an, sich umzubringen. Er legt sich mit einem Föhn in eine Wanne voll Wasser und schaltet ihn an. Doch der Suizidversuch misslingt. Seit Dienstag muss sich der 92-Jährige vor dem Landgericht Würzburg wegen Totschlags verantworten, "ohne ein Mörder zu sein", wie Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach sagt.

"Ich habe mich in all den Jahren bestmöglich um meine Frau gekümmert", verliest der Verteidiger eine Erklärung seines Mandanten. Dieser habe nicht aus Eigennutz oder Feindseligkeit gehandelt, sondern aus Liebe. "Ich habe verstanden, dass ich eine schwere Straftat begangen habe", lässt er verlauten. Fragen zur Tat wollte der Angeklagte am ersten von voraussichtlich zwei Verhandlungstagen nicht beantworten. Während des Prozesses und bei der Betrachtung der Tatortfotos macht der Mann einen gefassten Eindruck.

Intensive Pflege war erforderlich

Das Umfeld des 92-Jährigen beschreibt ihn als sehr fürsorglich. Der langjährige Hausarzt des Paares nennt ihn einen "rüstigen Rentner, der sich liebevoll um seine Frau gekümmert hat". Die demenzkranke Frau habe dem Arzt zufolge über viele Jahre hinweg körperlich und geistig abgebaut. Der Pflegeaufwand sei zuletzt sehr hoch gewesen. Von gemeinsamen Suizidplänen der Eheleute habe er nichts gewusst.

Kinder hat das Paar keine. Unterstützung kommt nur zweimal in der Woche von einer Sozialstation. "Die letzten Jahre waren sie wie eineiige Zwillinge", sagt der Schwager der Getöteten über die Eheleute. Ein anderer Bekannter bestätigt, dass die beiden "immer für einander da waren" und der 92-Jährige "den Haushalt geschmissen" habe.

Abschiedsbrief verfasst und Unterlagen bereitgelegt

Die Polizisten, die am Tatort waren, berichten von einem gebrochenen Menschen. "Ich fand einen völlig verzweifelten, erschöpften und lebensmüden Mann vor mir", sagt ein Beamter. Der Angeklagte habe noch in der Wanne sitzend gesagt: "Ich kann meine Frau nicht mehr versorgen. Es geht nicht mehr. Wir wollen nicht mehr leben." Der Angeklagt gab an, zusammen mit seiner Frau entschieden zu haben, einmal gemeinsam aus dem Leben zu scheiden. Der 92-Jährige traf dafür einige Vorbereitungen: Er verfasste Abschiedsbriefe, legte Unterlagen für die Beerdigungen bereit, heftete Warnhinweise an die Tür: "Bad bitte nicht betreten. Sofort die Polizei rufen."

Die Staatsanwaltschaft hält es für möglich, dass der Rentner seine Frau aus Aussichtslosigkeit erstickte, weil er mit ihr kein gemeinsames Leben in Gesundheit und Selbstbestimmung mehr führen konnte. Ein vorläufiges Gutachten geht laut Staatsanwaltschaft davon aus, "dass der Angeklagte zur Tatzeit an einer schweren depressiven Verstimmung litt und daher vermindert schuldfähig gewesen sein könnte". Das Urteil könnte am Donnerstag gesprochen werden.

Hinweis der Redaktion: In der Regel berichten wir nicht über Selbsttötungen, außer die Umstände erlangen besondere Bedeutung in der Öffentlichkeit. Wenn Sie Gedanken quälen, sich selbst das Leben zu nehmen, dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

 
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  • saf.wuerzburg@t-online.de
    Es gibt Prozesse, da möchte ich weder Richter noch Schöffe sein.
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