zurück
Gemünden
Totschlag-Prozess: Verzweifelter 91-jähriger Ehemann vor Gericht
Tragischer Fall am Landgericht Würzburg an diesem Dienstag: Ein Ehepaar hatte gemeinsam aus dem Leben scheiden wollen. Die Frau starb, ihr Mann ist wegen Totschlags angeklagt.
Nach 70 Jahren Ehe hatte ein Paar aus Gemünden gemeinsam aus dem Leben scheiden wollen . Die Frau starb. Der Ehemann ist jetzt vor dem  Landgericht Würzburg angeklagt.
Foto: Oliver Berg, dpa | Nach 70 Jahren Ehe hatte ein Paar aus Gemünden gemeinsam aus dem Leben scheiden wollen . Die Frau starb. Der Ehemann ist jetzt vor dem  Landgericht Würzburg angeklagt.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 13.11.2020 02:19 Uhr

Viel Fingerspitzengefühl verlangt an diesem Dienstag der Fall eines 91-jährigen Angeklagten aus Gemünden (Lkr. Main-Spessart). Der frühere Kaufmann ist angeklagt, aus Verzweiflung und Hilflosigkeit seine Frau umgebracht zu haben, mit der er 70 Jahre verheiratet war. Danach soll er vergeblich versucht haben, ebenfalls aus dem Leben zu scheiden.

Tatverdächtiger rief selbst den Notarzt

Retter hatten den entkräfteten 91-Jährigen in jener Novembernacht 2019 aus der Badewanne gezogen. Nun muss sich der Rentner vor dem Landgericht Würzburg dem Vorwurf stellen, seine Frau getötet zu haben. Der Angeklagte hat am betreffenden Abend kurz nach 22 Uhr selbst Hilfe gerufen. Obwohl der Rettungsdienst schnell vor Ort war, kam für die Frau jede Hilfe zu spät. Ein Notarzt konnte nur noch ihren Tod feststellen. Den unverletzten Ehemann nahm die Polizei in der Wohnung fest.

Verteidiger: Tat aus Liebe und Überforderung

Der Angeklagte habe unmittelbar zuvor noch Abschiedsbriefe verfasst, so Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen. Den Notarzt habe er telefonisch gebeten, die Leichname unauffällig zu bergen. Außerdem habe er am Telefon um "schonenden Umgang mit den Hinterbliebenen“ gebeten.

Auch für ihn sei es „ein sehr außergewöhnlicher Fall,“ sagt Verteidiger Norman Jacob. „Denn wir haben hier – im Gegensatz zu anderen Fällen – nicht Feindseligkeit als Triebfeder, sondern Liebe und Überforderung.“

Der Oberstaatsanwalt ist tendenziell der gleichen Auffassung: „Die Tat steht vor dem Hintergrund nicht ausschließbarer Überlastung des Angeklagten mit der Demenz sowie der häuslichen Pflege seiner Frau“, so Raufeisen. Der Angeklagte und seine Frau hätten sich offenbar in der Vergangenheit versprochen, „einmal gemeinsam aus dem Leben scheiden zu wollen“.

Wegen psychischer Situation vermindert schuldfähig?

Erwartet wird deshalb ein relativ kurzen Prozess. Ein vorläufiges Gutachten geht laut Staatsanwaltschaft davon aus, "dass der Angeklagte zur Tatzeit an einer schweren depressiven Verstimmung litt und daher vermindert schuldfähig gewesen sein könnte". 

Dass der Fall mit den Mitteln des Strafrechts allein kaum zu fassen ist, weiß auch die Staatsanwaltschaft. Das zeigt allein die Tatsache, dass der Angeklagte schon einen Monat nach der Tat Anfang Dezember 2019 aus der Untersuchungshaft wieder frei kam.

Wenn Sie Gedanken quälen, sich selbst das Leben zu nehmen, dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können. Der Krisendienst am Kardinal-Döpfner-Platz 1 in Würzburg ist Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr geöffnet, Tel. (0931) 571717, und täglich von 18.30 bis 00.30 Uhr ist unter derselben Nummer ein telefonischer Bereitschaftsdienst erreichbar. Zudem bietet die TelefonSeelsorge auch Hilfe online unter www.telefonseelsorge.de an.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gemünden
Manfred Schweidler
Angeklagte
Ehegatten
Ehepartner
Frauen
Hinterbliebene
Landgericht Würzburg
Liebe
Oberstaatsanwälte
Polizei
Staatsanwaltschaft
Untersuchungshaft
Verdächtige
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Auf eigenen Wunsch entfernt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • stahl01@t-online.de
    Mh - aber sie selber hat wohl keinen Abschiedsbrief geschrieben. Woher weiß man dann, dass sie sterben wollte?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Lebenhan1965
    @ Dezember

    Kennen Sie eine/n schwer Demenzkranke/n?

    Wenn ja dann würden Sie diese Frage hier nicht stellen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • dbuettner0815@gmail.com
    Beide Kommentare sind aufgrund der Tragik voll daneben und tragen nicht zur Diskussion bei!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Albatros
    Na da wird doch sicherlich unsere Gesetzgebung mit voller Härte agieren und das vor einem Würzburger Gericht. Wenn man sonst schon gegen Kriminelle nur Kuschelurteile fällt, in so einem Fall kann man sich doch mal richtig austoben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • jebusara@web.de
    @Albatros

    Genau das habe ich auch gedacht!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten