
Er war Konstrukteur, Erbauer und Besitzer des größten privaten Spiegelteleskopes in Deutschland mit einem Spiegeldurchmesser von 61 Zentimetern und einer Brennweite von drei Metern. Heute befindet es sich im Besitz der Johann Kern Sternwarte Wertheim. Weltweit hatte lediglich ein Augenarzt auf Kuba ein noch größeres Teleskop in privater Hand. Dieses hatte einen Spiegel mit 65 Zentimetern Durchmesser. Johann Kern hatte sich auf die Beobachtung von Nebeln, Spiralnebeln und Galaxien wie unsere Milchstraße spezialisiert.
Er konnte von seinem Wohnort im Esselbacher Gemeindeteil Steinmark mit diesem Spiegler bis zirka 100 Millionen Lichtjahre in die Tiefen des Weltalls vordringen und dort die fernen Weltensysteme im Raum schweben sehen. Ein Lichtjahr entspricht gerundet 9,5 Billionen Kilometer. Wurde er gefragt, weshalb er sich so für das Weltall interessierte, gab er als Antwort: „Es ist ein Geburtsfehler“. Es war ihm quasi angeboren.
Johann Kern wurde 1895 als zweites Kind des Bauern, Holz- und Kohlenhändlers Peter Kern geboren. Dieser war im damaligen Landkreis Marktheidenfeld auch als „Kernschwarz“ bekannt. Johann besuchte lediglich die Schule in Steinmark. Eine weiterführende Schule war nicht möglich, da in der damaligen Landwirtschaft jede arbeitsfähige Hand gebraucht wurde. Johann hätte viel lieber Maschinenbau studiert, als Bauer zu werden. Er hatte ein angeborenes technisches Verständnis, das für einen Bauernjungen um die Jahrhundertwende nicht alltäglich war, doch sein Vater unterstützte es nicht.
1906, mit zehn Jahren hatte er schon aus einer Zigarrenkiste einen Platten-Fotoapparat gebaut. Von diesem sind heute noch einige Aufnahmen vorhanden. Das Fotografieren ließ ihn nicht mehr los. So hielt er zu Beginn des II. Weltkrieges das dörfliche Leben auf Farbdias und 16-mm-Film fest.

Mit 14 Jahren bastelte Johann ein kleines E-Werk, welches über ein wasserführendes Rohr angetrieben wurde und Strom für eine einzige Glühbirne lieferte. Der Zulauf des Rohres konnte mit einem Stöpsel geschlossen werden. Brauchte man Licht, wurde der Stöpsel herausgezogen. So gab es bereits 1910 das erste elektrische Licht in Steinmark.
1913 hatte er sich freiwillig zum Militär gemeldet und trat seinen Dienst in Würzburg im 9. Infanterieregiment an. Im Frühjahr 1914 wurde er für 14 Tage vom Dienst beurlaubt, um für den anstehenden Festzug anlässlich des Besuches des bayerischen Königs Ludwig III. in Würzburg einen Kohlenmeiler auf einem Wagen herzustellen. Anschließend gab es nochmals Urlaub, um eine Hochzeit in alter Tracht zu organisieren. Als am 28. Juni der Festzug bereitstand, um an Ludwig III. an der Residenz vorbeizuziehen, gab es eine lange Verzögerung, da bekannt wurde, dass der österreichische Thronfolger Ferdinand in Sarajewo ermordet worden war.

Am 2. August wurde sein Bataillon, das 3. Bataillon des Kgl 9. bayerischen Infanterieregimentes, im Hauptbahnhof Würzburg verladen. Am nächsten Morgen war er bereits an der französischen Grenze. Der I. Weltkrieg hatte begonnen. Doch bereits im Herbst erkrankte er an einer schweren Diphterie, die eine Lähmung beider Beine nach sich zog, so dass er unter den Folgen dieser Lähmung für sein ganzes Leben leicht gehbehindert war.
Johann Kern baute ein E-Werk
1919, nach Ende des I. Weltkrieges, baute er im Wachengrund mit dem Beegersmühlenbesitzer ein E- Werk. Dieses versorgte halb Steinmark mit Lichtstrom bis zum Anschluss 1921 an das damalige ÜWU. Er hatte auch mehrere geschützte Gebrauchsmuster (DPMA), die er für Verbesserungen an landwirtschaftlichen Geräten erhalten hatte.
Nach seiner Heirat kaufte er sich 1920 ein Schnapsbrennrecht mit der dazugehörigen Brennerei. Bald wurde er durch seinen Schnaps- und Likörverkauf als „Schnaps Kern“ weithin bekannt. Er fuhr mit Eisenbahn und Fahrrad bis nach Oberfranken, in die Rhön und Hessen, um sein Produkt zu verkaufen.
1922, in der Inflation, baute er sein Wohnhaus mit dazugehörigen Stallungen. Diesem folgten um 1935 eine Spiritusbrennerei und eine Scheune. Diese bestand aus zwei Scheunen, die er unter einem Dach zusammenfassen ließ. Er versah sie mit einer sogenannten „Hocheinfahrt“, wie sie im Schwarzwald und in den Voralpen heute noch vorhanden sind.
1925 machte er in Wertheim den Autoführerschein und kaufte sich dann einen Gebrauchtwagen. In einer Werkstatt ließ er ihn überholen. Als er bei der Abholung eine Anhöhe hinauf fuhr, blieb der Wagen stehen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu Fuß nach Hause zu gehen, die Pferde zu holen und das Auto damit abzuschleppen - das Gespött der Menschen ertragend, die ihn sahen. Seit diesem Erlebnis hatte er nie wieder ein Auto besessen oder gar gefahren.
Sein erstes Teleskop
Anfang des II. Weltkrieges begann er damit, einen Spiegel zu schleifen, der sein erstes Teleskop bestücken sollte. Aber es war eine Heidenarbeit und so ging es nur langsam voran. Da kam ihm ein Zufall zu Hilfe. Er konnte von dem Verfasser des Buches, das er sich gekauft hatte, um das Spiegelschleifen zu lernen, direkt ein Spiegelteleskop mit zwei Meter Brennweite erwerben
Ende der 40er-Jahre, baute er sein erstes selbst entworfenes Fernrohr. Die Teile hierzu ließ er sich in den umliegenden Werkstätten nach seinen Skizzen und Angaben anfertigen. Für verhältnismäßig wenig Geld hatte er ein sehr leistungsstarkes Fernrohr, wie wenige Sternfreunde damals eines besaßen. Er konnte den Mond sehen, als ob er nur 1ooo bis 2ooo Kilometer entfernt wäre. Ringgebirge mit wenigen hundert Metern im Durchmesser zeigten sich wunderbar. Jetzt kamen auch die ersten Besucher, um den Mond und die Planeten durch ein Fernrohr sehen zu können.

Doch bald reichte dieses Fernrohr nicht mehr aus, um seinen Ansprüchen gerecht zu werden. So baute er nach vorherigem Prinzip ein Spiegelteleskop nach dem Prinzip von Kutter (Schiefspiegler) mit einer Brennweite von 7,2 Metern und einem Vergrößerungsfaktor von zirka 700. Diesem folgte ein 42 Zentimeter Spiegelteleskop mit einem Zeiss Spiegel, mit dem er bis zu 45 Millionen Lichtjahre tief in das Weltall blicken konnte.

Als er Anfang der 50 Jahre auf einer Versammlung der „Spessartrechtler“ in Rohrbrunn war und nach dem Ende der Versammlung noch diskutiert wurde, setzte sich auch ein Reporter dazu, der sich etwas verspätet hatte. Als die Tochter des Wirtes kam, um dessen Bestellung aufzunehmen, sagte sie zu dem Herrn: "Dieser Mann hat große Fernrohre und er schaut damit in den Himmel", wobei sie auf Johann Kern deutete. Nach näherem Befragen über die Fernrohre seiner Sternwarte sagte er zu ihm: „Ich möchte zu ihnen kommen, wenn es recht ist. Ich komme mit dem Rundfunkwagen des Hessischen Rundfunks.“

Und er kam, der gute Mann mit dem Rundfunkwagen. Nach der Aufnahme fragte er Johann Kern, ob er einen Bericht über ihn in einer Frankfurter Zeitung bringen dürfte. Er bejahte dies. So begann das Bekanntwerden von Johann Kern. Die Rundfunkanstalten schickten ihre Reporter, ebenso wie das Fernsehen und die Filmbranche. Aus allen Bereichen des Volkes kamen die Menschen, vom Bauern bis zum Generaldirektor. Vom Volksschulbuben bis zum Professor. Für seine Öffentlichkeitsarbeit bekam er 1963 das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ verliehen.
1962 begann er mit der Planung seines eingangs erwähnten größten Fernrohres, das auch einen Zeiss Spiegel enthielt. 1967, nach der Fertigstellung desselben, machte er damit seine ersten Beobachtungen und war begeistert.
Johann Kern verstarb 1975.
Zum Autor: Manfred Kern ist der Enkel von Johann Kern und Verfasser der Steinmarker Ortschronik.
Quellen: Unter https://esselbach-online.de/johann-kern/ und Youtube „Spessart 1973“ sind weiterführende Informationen von Johann Kern zu finden.
Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart