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MARKTHEIDENFELD
Stadtwald: Kurzfristig planen für die nächsten zweihundert Jahre
Wie Sie sehen, Sie sehen nichts mehr: Borkenkäferbefall führte zu einem Kahlschlag im Altfelder Wald. Was mit der Fläche gemacht wird, diskutierten Forstreferendare mit Stadtratsmitgliedern.
Foto: Ralf Thees | Wie Sie sehen, Sie sehen nichts mehr: Borkenkäferbefall führte zu einem Kahlschlag im Altfelder Wald. Was mit der Fläche gemacht wird, diskutierten Forstreferendare mit Stadtratsmitgliedern.
Ralf Thees, Redakteur, Main-Post, Redaktion Marktheidenfeld.
Ralf Thees
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:57 Uhr

Dass das Thema Wald größer im Marktheidenfelder Stadtrat behandelt wird, kommt nicht allzu oft vor. Alle zehn Jahre ist es aber soweit, wenn die sogenannten Revisionen anstehen. In diesem Jahr gibt es eine Zwischenrevision, die jedoch sehr umfangreich durchgeführt werden wird – Dank elf junger Forstreferendare der Forstschule in Lohr.

Stadtwald wichtig für Freizeit und Trinkwasserschutz

Dass die Forstwirtschaft in Marktheidenfeld im Gegensatz zu manch anderer Gemeinde finanziell nicht der entscheidende Faktor ist, erklärte dritter Bürgermeister Martin Harth am Mittwoch bei einem Treffen aller an der Revision beteiligter Gruppen im Rathaus. Trotzdem sei der Stadtwald sehr wichtig für die Kommune, was sowohl seinen Freizeitwert angeht, als auch als Bestandteil des Natur- und Trinkwasserschutzes.

Der Orkan Wiebke, der im März 1990 fast zehn Prozent der städtischen Waldfläche in einer Nacht „plötzlich gefällt hatte“, sei „ein heilsamer Schock“ gewesen, sagte Harth. Ein Umdenken im Stadtrat habe dann stattgefunden, weg vom Wirtschaftswald mit vor allem Fichtenbeständen, hin zu einem widerstandsfähigerem Mischwald mit hohem Laubbaumbestand.

Dass die Zwischenrevision des Marktheidenfelder Walds in diesem Jahr ansteht, sei ein Glück für beide Seiten, erklärte Wolfgang Netsch als Betriebsleiter für die kommunalen Forste am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Karlstadt. Zum einen können die Fortsreferendare „ihr großes theoretisches Wissen“ in die Praxis umsetzen. Zum anderen würde die Stadt Kosten sparen, denn normalerweise würde die Revision ein freiberuflicher Forstsachverständiger durchführen, der je nach Aufwand bis zu 50 000 Euro kosten würde, so Netsch. So muss die Stadt nur die Hälfte der Kosten für die neue Forstbetriebskarte zahlen, die andere Hälfte übernimmt der Freistaat.

Nadelbäume werden es künftig schwer haben

Dann übernahmen die Forstreferendare das Ruder beim Treffen. Im Sitzungssaal gaben sie erst einmal einen Überblick über den Stand des Stadtwalds aus den Unterlagen der Hauptrevision im Jahr 2008. 42 Prozent der Baumarten waren damals Nadelhölzer, welche die Referendare – betreut von der Forstschule Lohr – mit einem teilweise hohen Anbaurisiko für die Zukunft bewerten. Die Forstwissenschaftler rechnen mit einer 1,8 Grad höheren Durchschnittstemperatur – ein „gemäßigtes Szenario“ – in diesen Breiten und mit weniger Niederschlag während der Vegetationsperiode. Kiefer, Fichte und Tanne kämen damit schlecht zurecht, einzig bei der Douglasie als Nadelbaum sei das auf bestimmten Böden noch anders.

Dass der Bewirtschaftungsplan von Stadtförster Thomas Vogel in den vergangenen zehn Jahren nicht immer genau eingehalten werden konnte, lag an den vielen sogenannten „Kalamitätsereignissen“, also nicht vorhersehbare Ereignisse wie Stürme oder Borkenkäferbefall – und die in Zukunft wohl noch häufiger auftreten würden.

„Mercedes“ oder „Golf“ anpflanzen

Um von den zu dem Termin erschienen Stadträten ein Stimmungsbild zu bekommen, wie der Wald weiter bewirtschaftet werden soll, ging es nach den Vorinformationen im Rathaus mit dem Bus zu beispielhaften Stellen im Stadtwald in Altfeld. Verschiedene Stadien des Waldwuchses wurden gezeigt und die Forstreferendare erläuterten den Stadträten Möglichkeiten, was in diesen Bereichen weiter geschehen könnte.

Was macht man mit der knapp ein Hektar großen Fläche, die in diesem Jahr dem Borkenkäfer – „das Jahr war ein Eldorado für die Käfer“, sagte Forstschulleiter Michael Neuner – zum Opfer gefallen ist und kahl geschlagen werden musste? Pflanzt man vorwiegend teuere, langsam wachsende und anfangs aufwändig zu pflegende Eichen – der „Mercedes“ –, die jedoch eine hohe Werterwartung haben und sehr klimatolerant sind? Oder doch Edellaubhölzer wie Kirsche und Bergahorn – „der Golf“ –, die eine deutlich kürzere Produktionszeit haben, dafür später vielleicht weniger wert sind.

Extrem langfristige Planungen für den Wald

Etliche der erschienenen Stadträte gaben ehrlich zu, von Waldwirtschaft wenig Ahnung zu haben, äußerten aber ihr Vertrauen in die Forstexperten, mit dem Wunsch, lieber auf einen gesunden und widerstandsfähigen Mischwaldbestand zu setzen. Doch sie bekamen durch die Führung und die teilweise spielerischen Erklärungen der Forstreferendare ein Gefühl, wie man im Wald plant – nämlich sehr langfristig. Alles was jetzt angelegt wird, dessen Ernte erleben weder die amtierenden Stadträte noch deren Nachfolger, wurde ihnen mehrfach klar gemacht. „Aber bestimmt freuen sich die Marktheidenfelder in 200 Jahren darüber, wenn sie dann wertvolle Eichen fällen dürfen“, sagte einer der jungen Forstreferendare.

In den kommenden Wochen streifen elf Forstreferendare durch den Marktheidenfelder Forst, eine gleichstarke Gruppe durch den Karbacher Wald, wo auch eine Revision durchgeführt wird. Dabei erfassen sie den aktuellen Baumbestand und dessen Zustand und ermitteln Bewirtschaftungsvorgaben für die nächsten zehn Jahre. Am 10. Oktober sollen dem Stadtrat dann die Ergebnisse vorgestellt und soll über das weitere Vorgehen endgültig abgestimmt werden.

Eine praktische Übung in Waldwirtschaft machten Stadträte wie Christian Menig (links) und Richard Oswald: Welche Bäume würden sie entfernen lassen?
Foto: Ralf Thees | Eine praktische Übung in Waldwirtschaft machten Stadträte wie Christian Menig (links) und Richard Oswald: Welche Bäume würden sie entfernen lassen?
 
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