
Humor haben sie bei der SPD ja. Er hätte sich ein anderes Bild von sich zur Ankündigung seines Besuchs gewünscht, sagt Hubertus Heil am Anfang seine Rede, so dünn wie er da aussehe, würde es ihn an seinen Neujahrsvorsatz erinnern: "Weniger Kilos, mehr Prozente". Der Witz schlägt im überfüllten Karlstadter Pfarrsaal "Zur Heiligen Familie" ein, genauso wie die seiner Vorredner, der Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel und Landratskandidatin Pamela Nembach. Vor mehr als 200 Genossen (und den beiden CSU-Powerwahlkämpfern Thorsten Schwab und Sabine Sitter) zeigten die drei Redner: Die SPD ist noch da.
Frauen in die Politik und kommunales Wohnbauunternehmen: So war die Rede von Pamela Nembach
"Wir haben auf unserer Kreistagsliste neben tollen Kandidaten auch viele tolle Kandidatinnen", sagt Pamela Nembach in ihrer Eröffnungsrede. Besonders zwei "Diamantinnen" hebt sie heraus: Heidi Wright und Rosemarie Richartz. Da, wo die Macht sei, müsse man die Frauen wie Nadeln im Heuhaufen suchen. Nembach: "Bald werden die Frauen der Heuhaufen sein."

Die SPD habe in den vergangenen sechs Jahren viel angestoßen, so Nembach weiter. Zwei Beispiele seien der glyphosatfreie und der energieautarke Landkreis. Dies werde unter ihr als Landrätin weitergehen. "Wenn wir vor schwierigen Projekten zurückschrecken, dann fliegen wir auch nicht auf den Mond oder verpflanzen keine Herzen." Man müsse in kluge Köpfe und schöne Schulen investieren. Im Landkreis seien in den vergangenen vier Jahren außerdem die Mieten um 35 Prozent gestiegen. Sie setze sich daher für eine landkreisweite Wohnbaugesellschaft ein.
"Wir wollen ein Daheim für alle schaffen" könnte man ihre Rede gut überschreiben. Dazu gehöre auch die Pflege und vor allem die ärztliche Versorgung. Die kleinen Gemeinden müssten echt kämpfen, sagt Pamela Nembach. Ein Witz würde das Problem gut veranschaulichen: "Geht ein Mann in Mittelsinn zum Arzt." Mobile Arztpraxen oder Telemedizin könnten da nur eine von vielen Lösungen sein.
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Gegen Hass und Arbeitnehmerausbeutung: Über das sprach Bernd Rützel
"Propheten würden im eigenen Landkreis nichts gelten", wird Hubertus Heil Bernd Rützel in seiner Rede loben. Die SPD dürfe stolz auf einen solchen Abgeordneten sein, der maßgeblich am Paketboten-Schutz-Gesetz beteiligt gewesen sei. In seiner eigenen Rede betont Rützel, dass die Deutschen Weltmeister im Bestellen seien. "Es ist billig und schnell, doch einer bezahlt immer den Preis dafür", sagt der Gemündener Bundestagsabgeordnete.

Ihn schien vor allem die Attacke auf den Parteikollegen vor wenigen Tagen zu beschäftigen. Auf das Wahlbüro des SPD-Politikers Karamba Diaby war geschossen worden. Wo Gewalt anfange, ginge es nie gut aus. In den vergangenen 20er-Jahren hätte die junge Demokratie schon einmal fürchten müssen. Das gelte nun wieder. Rützel sagt: "Wir sind die Botschafter, die Demokratie zu schützen."
Pflegenotstand trotz Vollbeschäftigung: So lief Hubertus Heils Neujahresrede
Sie würde den Bundesminister für Arbeit und Soziales in letzter Zeit öfter erwähnen, hatte Nembach noch am Ende ihrer Rede erzählt: "Immer wenn jemand zu mir sagt, wir würden keine sozialdemokratische Politik mehr machen, entgegne ich: Wir haben einen ganz tollen Arbeitsminister."
Er könnte der glücklichste Arbeitsminister der Welt sein, sagt Hubertus Heil. Eigentlich. Denn obwohl die Zahlen objektiv gut seien – niedrigste Arbeitslosigkeit seit der Wende, was sich auch an der faktischen Vollbeschäftigung in Main-Spessart zeigen würde –, seien viel zu viele Menschen abgehängt. "Arbeit ist mehr als Broterwerb, sondern viel mehr Teilnahme am gesellschaftlichen Leben", sagt Heil. Diese Teilnahme zu verlieren, auch davor hätten Menschen in Zeiten der Digitalisierung Angst. Das würden politische Scharlatane ausnutzen.
Ein weiteres Anliegen für Heil ist die Pflege: "Die Frage der Pflege entscheidet über die Menschlichkeit der Gesellschaft." Die Nachfrage werde steigen. Die Probleme, die es schon jetzt gebe, seien jedoch hausgemacht. "Wenn die so schlecht bezahlt werden, dann müssen wir uns nicht wundern, dass kein junger Mensch das mehr machen will." Sollten sich ver.di und die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche endlich auf einen Tarifvertrag einigen, werde er diesen als verbindlich für alle festschreiben oder mit einer Lohnuntergrenze arbeiten.
"Unserer Gesellschaft wird die Arbeit nicht ausgehen, aber es wird andere Arbeit sein", sagt Heil. Er werde alles dafür unternehmen, dass die Beschäftigten von heute auch die Arbeit von morgen machen können. Nach einem Leben voller Arbeit hätten die Menschen auch einen anständigen Lebensabend verdient. Deswegen kämpfe er wie ein Löwe für die Grundrente, die den Namen auch verdiene. "Wir reden von Lagerarbeitern, Frisörinnen und nicht von den 10 000en Zahnarztgattinen, von denen ich die ganze Zeit lese."
