zurück
Zellingen
SPD-Generalsekretär Klingbeil: "Wir wollen künftig regieren ohne die Union"
Was Lars Klingbeil, der Wahlkampfleiter der Sozialdemokraten, über Afghanistan, Dorothee Bär und Markus Söder denkt. Und wie er Olaf Scholz ins Kanzleramt bringen will.
Wahlkampfbesuch bei der Firma Rainbowprint in Zellingen: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (von rechts) mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel, Sven Gottschalk und Geschäftsführer Christoph Ganz. 
Foto: Markus Rill | Wahlkampfbesuch bei der Firma Rainbowprint in Zellingen: SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil (von rechts) mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel, Sven Gottschalk und Geschäftsführer Christoph Ganz. 
Markus Rill
Markus Rill
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:11 Uhr

Auf einer Wahlkampfreise von Fulda nach Bamberg stoppte SPD-Wahlkampfleiter Lars Klingbeil in dieser Woche auf Einladung des Gemündener Bundestagsabgeordneten Bernd Rützel im Landkreis Main-Spessart. Am Rande seines Besuchs bei der Firma Rainbowprint in Zellingen hatte er 15 Minuten Zeit für ein Interview. Was sagt der 43-Jährige zum laufenden Wahlkampf und den Chancen den SPD?

Frage: Sie sind Wahlkampfleiter der SPD. Es sieht im Moment nicht schlecht aus für Ihre Partei.

Lars Klingbeil: Es sieht besser aus als vor ein paar Wochen, aber wir sind noch lange nicht da, wo ich hin will. Wir haben noch 40 Tage bis zur Wahl. Jetzt gilt es, unsere Themen klar zu positionieren und auch deutlich zu machen: Wer möchte, dass Olaf Scholz Kanzler wird, der sollte spätestens am 26. September SPD wählen.

Bisher hat Olaf Scholz eher von den Fehltritten der anderen Kandidaten profitiert.

Klingbeil: Als Wahlkampfleiter freue ich mich darüber, dass wir den einzigen Kanzlerkandidaten haben, der sich nicht permanent entschuldigen muss. Olaf Scholz hat in den letzten Monaten und Jahren seinen Job sehr gut gemacht. In der Coronakrise hat er als Finanzminister Unternehmen gerettet und gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil Millionen von Jobs gesichert. Auch in der Flutkatastrophe hat er sofort umfangreiche Hilfen organisiert. Und mit der globalen Mindeststeuer hat er etwas Bemerkenswertes auf den Weg gebracht. Amazon, Google und Apple müssen jetzt endlich Steuern zahlen, das wird dem deutschen Steuerhaushalt Milliarden bringen. 

Was sind die Themen, auf die Sie nun setzen?

Klingbeil: Olaf Scholz hat deutlich gemacht, um was es ihm geht: bezahlbare Mieten, höhere Löhne und auch um die Frage: Wie kann man ambitionierten Klimaschutz machen, der neue Arbeitsplätze schafft? Ich wünsche mir, dass wir wegkommen vom Wahlkampf der Nebensächlichkeiten, wo es um Lebensläufe, Nebeneinkünfte und Plagiate geht. Es sollte um die Themen gehen, die für die nächsten zehn Jahre des Landes wirklich wichtig sind. 

Wie schwer ist es, sich als Alternative zu profilieren, wenn man jahrelang mit in der Regierung war?

Klingbeil: Es war gut, dass die Sozialdemokraten mitregiert haben, besonders in der Coronazeit. Kurzarbeit, Familienbonus – das hätte es alles ohne die SPD nicht gegeben. Aber ich sage auch ganz klar: Wir haben damals einen Koalitionsvertrag geschlossen mit der CDU von Angela Merkel. Die gibt es nicht mehr. Die Union hat jetzt ein anderes Gesicht mit Laschet, mit Maaßen, mit Merz, mit Amthor und Co. Um es deutlich zu formulieren: Wir wollen künftig regieren ohne die Union.

Schwierig. Welche Konstellationen kommen da in Frage?

Klingbeil: Ich glaube, es war schon lange nicht mehr so spannend. Das gilt sowohl in der Frage, wer Kanzler wird, als auch für die Regierungsbildung. Für mich ist wichtig: Ich will, dass Olaf Scholz Kanzler wird. Über Konstellationen sprechen wir, wenn die Wähler entschieden haben. Klar ist, wir haben inhaltliche Grundsätze: Bekenntnis zur Nato, zur Bundeswehr, zur EU. Wir werden wirtschaftspolitisch keinen Unfug treiben, sondern Industrie und Mittelstand stärken, und wir werden an der Seite der Gewerkschaften und Sozialverbände stehen.

Zurzeit ist Afghanistan das bestimmende Thema. Die Grünen haben schon im Juni im Bundestag die "großzügige Aufnahme afghanischer Ortskräfte" beantragt. Der Antrag wurde auch von der SPD abgelehnt. Aus heutiger Sicht ein Fehler?

Klingbeil: Diese Anträge von Seiten der Opposition sind Showanträge. Ich bin Mitglied im Verteidigungsausschuss, und da wurde sehr frühzeitig gesagt: Holt unsere Leute da raus. Nicht nur die Bundeswehr, sondern auch Leute, die uns vor Ort unterstützt haben. Knapp 2000 sind schon hier, weitere folgen jetzt. Ich komme aus einer Soldatenfamilie, ich war in Afghanistan und habe häufig mit Rückkehrern zu tun gehabt. Niemand hat damit gerechnet, dass sich die Situation so zuspitzt. Es wird darüber zu reden sein, wie es zu einer so fatalen Fehleinschätzung der Nachrichtendienste kommen konnte. Wir haben da 20 Jahre lang Energie reingesteckt und jetzt verliert man das Land innerhalb weniger Tage an die Taliban. Diese Bilder belasten mich sehr.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Gespräch.
Foto: Markus Rill | SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Gespräch.

Sie setzen sich stark für die Digitalisierung ein. Dorothee Bär, die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, stammt aus Unterfranken. Inwieweit gibt es da eine Zusammenarbeit?

Klingbeil: Doro Bär, Kanzleramtsminister Helge Braun und ich haben den Koalitionsvertrag zum Thema Digitalisierung miteinander verhandelt. Das geht nur, wenn man ein Vertrauensverhältnis hat. Aber es war damals ein Fehler, das Thema ans Verkehrsministerium anzuknüpfen. Wenn sich Minister Andi Scheuer weniger um die Maut gekümmert hätte und stattdessen um schnelleres Internet, wäre Deutschland heute weiter.

Wie schauen Sie als Nordlicht auf Unterfranken und Bayern?

Klingbeil: Als ich Markus Söder mal als Bayern bezeichnet habe, wurde mir sofort entgegengerufen, dass er Franke ist. Mir ist klar, dass es hier wie auch in Niedersachsen unterschiedliche Regionen und Befindlichkeiten gibt. Ich weiß nicht, ob es hier Applaus erntet, wenn ich bekenne, dass ich Fan von Bayern München bin. Als Söder neulich sagte "der Hauptgegner im Wahlkampf ist die SPD", habe ich mich gewundert. Bisher hatte ich manchmal den Eindruck, Söders Hauptgegner sei Armin Laschet.

Lars Klingbeil

Der SPD-Politiker, 1978 in Soltau (Niedersachsen) geboren, ist Mitglied des Bundestags und seit 2017 Generalsekretär der SPD. Bei den letzten Bundestagswahlen gewann Lars Klingbeil das Direktmandat in der Lüneburger Heide (Wahlkreis Rotenburg I/Heidekreis) - mit dem bundesweit besten Ergebnis aller Sozialdemokraten. Er lag damit 14,1 Punkte über dem Bundesdurchschnitt seiner Partei. Der studierte Politikwissenschaftler und Soziologe gilt als Spezialist für Digitalisierung und war an der Aushandlung des Koalitionsvertrags beteiligt. In diesem Jahr ist er Wahlkampfleiter des Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.
mac
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Zellingen
Markus Rill
Amazon
Amthor
Apple
Arbeitsminister
Armin Laschet
Bernd Rützel
Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Bundestagswahl
Bundeswehr
CDU
Deutscher Bundestag
Dorothee Bär
FC Bayern München
Finanzminister
Gewerkschaften
Google
Hubertus Heil
Kanzler
Kanzleramtsminister
Kanzlerkandidaten
Lars Klingbeil
Markus Söder
Minister
Nato
Olaf Scholz
Politikerinnen und Politiker der SPD
Regierungen und Regierungseinrichtungen
SPD
Sozialdemokraten
Taliban
Verteidigungsausschuss
Wikipedia
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. Z.
    Man muss auch noch bedenken, hinter dem Scholz stehen noch die Schreckgespenster Borian und ganz besonders Esken. Wenn diese Personen an die Macht kommen bzw. Minister werden , dann ist das Chaos perfekt.
    OOOHHH übergeordnete Macht beschütze uns davor!
    Bei dem kleinen Laschet steht noch der große Söder dahinter, der ihn mit Sicherheit lenken wird. Dies ist das kleinere Übel.

    Ohh Merkel verlass uns nicht, Deutschland braucht dich heute noch mehr !!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • T. D.
    Er sollte mal über die Leistung des Außenministers nachdenken und dann in aller
    Ruhe überlegen , was wir Bundesbürger dann zu erwarten haben.
    Vielleicht auch darüber wieviel Kurzarbeitergeld bei großen Firmen sein Finanzminister immer noch gewährt und wer die Zeche zu zahlen hat .
    Und da regt sich aber keiner in dieser so sozialen Partei auf !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    "Wir wollen künftig regieren ohne die Union"! Wenn es auf diesem Planeten irgend eine übergeordnete Macht gibt, dann wird diese ein solches Schreckensszenario verhindern.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. G.
    "Diese Anträge von Seiten der Opposition sind Showanträge. "

    ist es nicht im allgemeinen so?
    ob die anträge von der opposition oder der regierung kommen, es geht rein um die show.

    denn wenn das freie mandat und das "gewissen" dem sich die abgeordneten verpflichtet haben vom fraktionszwang untergebuttert werden, dann bleibt nur noch show übrig.

    und wenn man den fraktionszwang einmal aufhebt, dann kann man "eine sternstunde der demokratie" erleben, der rest bleibt show.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten