Aus mehreren brutalen Angriffen auf Personen am Bezirkskrankenhaus Lohr hat das Würzburger Landgericht die Konsequenz gezogen: Es ordnete für einen 33-Jährigen die Zwangsunterbringung in der Psychiatrie an. Geschehe dies nicht, so sei schon bald mit weiteren schweren Straftaten zu rechnen, begründete Vorsitzender Richter Thomas Schuster den Schritt: "Es ist völlig unabsehbar, wer das nächste Opfer ist." Es sei mit schweren Folgen bis hin zum Totschlag zu rechnen. Der Täter hat seit 2014 die Diagnose, dass er unter paranoider Schizophrenie leidet.
Das Gericht folgte damit der Klageschrift des Staatsanwaltes. Ein erster Versuch eines Sicherungsverfahrens war 2018 gescheitert. Das Aschaffenburger Landgericht sah damals keine ausreichende Begründung. Verteidiger Thomas Amann, der dem Mann schon seit vielen Jahren rechtlich zur Seite steht, verwies diesmal jedoch vergeblich darauf, dass eine Zwangsunterbringung das "Mittel der letzten Wahl" sein müsse. Er hält es noch immer für möglich, dass doch noch ein Medikament gefunden wird, auf das der Mann anspricht.
Angeklagter unterbrach Richter mit wüsten Beschimpfungen
Nur mit Mühe gelang es dem Vorsitzenden die Anordnung zu begründen: Der 33-Jährige unterbrach ihn mit wüsten Beschimpfungen. Zuvor hatte er die Verhandlung ruhig verfolgt. Es war jedoch schon in den Pausen zu beobachten, wie sich seine Anspannung steigerte. Ein Pfleger des Lohrer Krankenhauses begleitete die gesamte Verhandlung. Er hatte die Aufgabe, den Patienten mit Getränken und gegebenenfalls mit Medikamenten zu versorgen. Schon am ersten Verhandlungstag hatte er einschreiten müssen. Er verabreichte ihm ein Beruhigungsmittel und führte mit ihm meditative Atemübungen durch.
Ausschlaggebend für die nun veränderte Einschätzung der gesundheitlichen Situation des 33-Jährigen waren drei Gewalttaten im Bezirkskrankenhaus: Im April fügte er einem Mitpatienten mit einem Faustschlag und Tritten gegen den Kopf erhebliche Gesichtsverletzungen mit einer Nasenbeinfraktur zu. Wenig später schlug er einen Pfleger nieder. Vor Gericht schilderte zudem der behandelnde Oberarzt, wie er einen weiteren Angriff auf sich selber erlebt hatte. Alle Angriffe kamen unvermittelt. Der 33-Jährige erklärte sein Handeln selber mit einer Fernsteuerung und Stimmen, die er hört.
Erste psychotische Erscheinungen mit Konsum von Cannabis und Kokain
Der Sachverständige Joachim Haas, am Lohrer Bezirkskrankenhaus Experte für forensische Psychiatrie, geht von dem "klassischen Fall" einer Schizophrenie aus. Schon als Jugendlicher seien im Zusammenhang mit Cannabis und Kokain erste psychotische Erscheinungen aufgetreten, 2011 erfolgte die erste stationäre Einweisung in Lohr. Schon früh seien unterschiedliche Medikamente erfolglos ausprobiert worden. Die Erkrankung sei zunehmend in einen chronischen Zustand übergegangen. Beruflich sei es dem Mann nach dem Hauptschulabschluss nicht gelungen, Fuß zu fassen. Stattdessen kam es zu einer Vielzahl an stationären Aufenthalten in der Psychiatrie.
Für die Zukunft macht das Gutachten wenig Hoffnung: Die Erkrankung sei so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr zu heilen ist. Ohne Zwangsunterbringung sei mit einem baldigen Rückfall zu rechnen.
Die Anordnung zur Zwangsunterbringung ist noch nicht rechtskräftig.
Alles Gute für den angeklagten jungen Mann, dem man möglicherweise „selbst schuld“ entgegenwerfen möchte. Als junger Mann Unfug getrieben, hat er wohl mittlerweile dank gesundheitlicher Umstände bzw. dank des Zusammenspiels aus Drogen und seiner Genetik den „Jackpot“ fürs Leben gezogen.
Die "Sicherungsverwahrung" in der Überschrift und im letzten Satz schnell streichen: Sicherungsverwahrung wird angeordnet, damit Straftäter nach Verbüßung ihrer Strafe nicht wieder in die Freiheit entlassen werden müssen, Unterbringung bedeutet Psychiatrie, wenn man wie in diesem Lohrer Fall einen Beschuldigten, der krankheitsbedingt schuldunfähig ist, nicht verurteilern kann, aber die Allgemeinheit vor ihm schützen muss. .
B. Kohlhepp, Redaktion