Thomas Keller, Sachgebietsleiter für Naturschutz an der Höheren Naturschutzbehörde in Würzburg, möchte die Gebietsbetreuerinnen und -betreuer nicht mehr missen: "Sie sind aus Sicht der Naturschutzbehörden unersetzlich." So heißt es in einer Pressemitteilung des Naturparks Spessart. Es gebe niemanden, der so viel vor Ort sei, eine so breite Akzeptanz genieße und immer einen Blick dafür habe, was es zu verbessern gibt. So lautet die Zusammenfassung seiner Begrüßung zum diesjährigen Jahrestreffen der Gebietsbetreuerinnen und -betreuer, das pandemiebedingt als Online-Ausgabe stattfinden musste. Der Austausch lieferte eine Aufstellung umgesetzter Maßnahmen, zeigte aber auch deutlich die Probleme der Naturschutzarbeit auf.
Seit 2002 gibt es die Gebietsbetreuerinnen und -betreuer in Bayern, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Gefördert vom Bayerischen Naturschutzfonds und gemäß dem Slogan "Naturschutz. Für Dich. Vor Ort." sind sie als Beratende, Projektmanagerinnen und -manager und Impulsgebende in 62 wertvollen Gebieten Bayerns aktiv. 2017 wurden die Gebietsbetreuer durch das Bundesministerium und das Bundesamt für Naturschutz im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet.
Acht Teilzeitstellen gibt es in Unterfranken bei verschiedenen Naturschutzverbänden und Vereinen. Die Aufgaben der Gebietsbetreuenden sind die Betreuung von Schutzgebieten, Artenhilfsmaßnahmen, Kooperation mit Landwirtinnen und Landwirten sowie Öffentlichkeitsarbeit. Allen gemeinsam ist ihre Koordinations- und Vermittlerrolle zwischen den Interessen von Naturschutz, Landnutzenden und Eigentümerinnen und Eigentümern.
In Naturschutzgebieten und der Agrarlandschaft aktiv
Christian Salomon und Torsten Ruf teilen sich eine Gebietsbetreuerstelle beim Naturpark Spessart e.V. Sie kümmern sich dort ausschließlich um Grünland. Salomon etwa um die Wiederherstellung von Wiesen mit gebietseigenem Saatgut, um die Rückdrängung des giftigen Wasserkreuzkrauts im Naturschutzgebiet Sinngrund sowie um Beweidungsprojekte zur Offenhaltung der Spessarttäler.
Torsten Ruf ist vor allem auf Streuobstwiesen aktiv. Er betreut unter anderem ein Projekt in Mönchberg mit 350 Biotopbäumen und hilft so dem dort lebenden Steinkauz, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Zu tun haben beide mehr als genug: "Jedes Jahr", so Salomon, "kommen neue Aufgaben hinzu, aber die alten hören nie auf." Personelle Konstanz, da sind sich alle einig, sei im Naturschutz wichtig, denn es geht viel um Vertrauen.
Christiane Brandt ist als Gebietsbetreuerin für die mainfränkischen Muschelkalk-Lebensräume bei den Landschaftspflegeverbänden Würzburg und Main-Spessart angestellt. Sie berät und unterstützt Weidetierhalter, damit sie ihre Tiere auf wichtigen Naturschutzflächen grasen lassen. Für den Austausch untereinander hat sie unter anderem die Gründung eines Weidetierhalter-Stammtischs organisiert. Die Stimmung sei bedenklich, so Brandt: "Viele überlegen aufzuhören. Es lohnt sich finanziell nicht." Dabei seien Weidetiere im Naturschutz unverzichtbar, so die Gebietsbetreuerin.
Birgit Binzenhöfer und Otto Elsner teilen sich in den Haßbergen eine Gebietsbetreuerstelle des Bund Naturschutz. Ihr Fokus liegt auf Natura-2000-Schutzgebieten und Wiesenknopf-Ameisenbläulingen. Weiterhin versuchen sie eine insektenfreundliche Mahd an Wegrändern zu etablieren, weg vom Mulchen. Die Präsenz vor Ort sehen die beiden als Erfolgsrezept für den Naturschutz, denn oft bräuchte es das persönliche Gespräch.
Ansprechpartnerin bei Konflikten mit Bibern
Dies bestätigt auch Gebietsbetreuerin Berit Arendt, die als Ansprechpartnerin bei Konflikten mit Bibern für ganz Nordbayern zuständig ist. "Mein Part ist das Konfliktmanagement zwischen Landwirtschaft und Naturschutz in der mainfränkischen Agrarlandschaft", sagt Marc Sitkewitz. Seine Stelle, getragen vom Landesbund für Vogelschutz sei einzigartig: Naturschutz in einem Gebiet, in das man nicht unbedingt einen Ausflug mit der Familie am Wochenende mache, das aber Top-Arten wie Feldhamster und Wiesenweihe beherbergt, so Sitkewitz. "Es gibt sonst keine direkten Ansprechpartner für die Landwirte auf diesem Gebiet", sagt er, aber wenn sich ein Vertrauensverhältnis etabliert habe, könnten beide Seiten viel gewinnen.
Auch Karl-Heinz Kolb, neuer Gebietsbetreuer für das Naturschutzgebiet Schwarze Berge und den Rhöner Sinngrund, will viel mit Landwirten zusammenarbeiten und langfristige Konzepte entwickeln. Ein großes Problem in seinem Gebiet sei etwa die Aufdüngung artenreicher Wiesen "Hier gibt es kein Düngeverbot. Die Wiesen werden aufgegüllt, Arten wie die Arnika verdrängt." Außerdem fehlten in seinem Gebiet Besucherinformationen und -lenkung. Hier gelte es unter anderem, gut mit den Rangern zusammenzuarbeiten.
"Wir haben jedoch im Gegensatz zu den Rangern eine übergeordnete Rolle", so Torsten Kirchner, Gebietsbetreuer für Unterfrankens größtes Naturschutzgebiet "Lange Rhön", wo er sich für die Vermehrung des seltenen Birkhuhnes einsetzt und versucht, die invasive Lupine zurückzudrängen. "Außerdem haben wir wieder einen Wolf. Das ist mehr als ein Nebenjob." Gebietsbetreuer-Aufgaben drehten sich für ihn immer um die Frage, wie man Lebensräume verbessern könne.
Bisher keine dauerhaften Stellen
"Wir müssen unser Profil weiter schärfen", bringt Kirchner die Bedenken seiner Kolleginnen und Kollegen auf den Punkt, damit noch klarer werde, warum es verschiedene Naturschutzstellen wie Gebietsbetreuer, Naturschutzbehörden und die recht neuen Ranger-Stellen gibt. So heißt es in der Pressemitteilung. Dem stimmt auch Thomas Keller von der Regierung zu, der am Erfolgsmodell Gebietsbetreuung ein einziges Manko sieht: "Rein fördertechnisch sind die Gebietsbetreuer ein Projekt", gefördert vom bayerischen Naturschutzfonds. Somit müssen die Stellen trotz aller Erfolge alle drei Jahre neu beantragt werden. Ziel sollte sein, so Keller, dass es mit den Gebietsbetreuern dauerhaft weitergeht. "Gott sei Dank", meint Keller, "hat die personelle Kontinuität bisher immer funktioniert."