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Marktheidenfeld
Schluss nach über 100 Jahren: Warum die Familie Ludwig den Babyfachmarkt in Marktheidenfeld aufgibt
Seit 1907 gibt es das Geschäft in der Obertorstraße. Vor allem durch Erweiterung in den 90ern profitierte das Familienunternehmen. Nun rollt der letzte Kinderwagen aus der Tür.
Wehmütig, aber entschlossen: Die Brüder Helmut (rechts) und Walter Ludwig geben das rund 100-jährige Geschäft in der  Obertorstraße auf.
Foto: Lucia Lenzen | Wehmütig, aber entschlossen: Die Brüder Helmut (rechts) und Walter Ludwig geben das rund 100-jährige Geschäft in der  Obertorstraße auf.
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 27.12.2023 02:51 Uhr

Einen Tag vor Weihnachten, am 23. Dezember um 14 Uhr, wird es so weit sein: An diesem Tag werden die Brüder Helmut und Walter Ludwig ihr Geschäft, den Babyfachmarkt Ludwig in der Obertorstraße in Marktheidenfeld, für immer zuschließen. "Das liegt mir schon auf dem Herzen, als letzter Vertreter der Familie Ludwig das Familiengeschäft aufzugeben", beschreibt Helmut Ludwig. "Aber wir hatten keine andere Möglichkeit."

Zusammen mit seinem älteren Bruder Walter steht er wenige Tage vor diesem Schließtermin hinter dem Kassentresen. Der Räumungsverkauf läuft schon seit Wochen. Rund 90 Prozent der Ware seien bereits abverkauft. Das Lager so gut wie leer. Rund 40 Kinderwägen habe er im letzten Monat verkauft. Viele hätten sich bereits früh eingedeckt, obwohl die Kinder teilweise erst im Frühjahr kämen. Und immer wieder kämen Stammkunden, um sich zu verabschieden und auch um zu fragen: Warum?

Einen externen Nachfolger zu finden gestaltete sich schwierig

"Gedanklich mit dem Thema Ausstieg beschäftigt haben wir uns eigentlich erst vor rund fünf Jahren, als unser ältester Bruder Herrmann starb", erzählen die Brüder. Er hatte bis dahin Vollzeit zusammen mit Helmut Ludwig im Geschäft gearbeitet. Walter Ludwig stieg erst 2013 ein und macht seitdem die Buchhaltung. In die Zukunft geschaut, wurde schnell klar: Mit einem Nachfolger wird es schwierig. Hermann und Helmut Ludwig haben keine Kinder. Tochter und Sohn von Walter Ludwig hatten sich bereits früh beruflich anders orientiert und arbeiten in Berlin und München.

Schnappschuss aus den 50ern: Rosel Ludwig, geborene Blank, vor dem Geschäft in der Obertorstraße.
Foto: Foto Otto Blank | Schnappschuss aus den 50ern: Rosel Ludwig, geborene Blank, vor dem Geschäft in der Obertorstraße.

Einen externen Nachfolger zu finden, gestaltete sich schwierig. "Wir hatten und haben bereits Interessenten, aber es ist nicht einfach. Ob wir das Ladenlokal letztlich vermieten, verkaufen oder umbauen, entscheidet sich wohl erst in zwei, drei Monaten", so Helmut Ludwig. Fakt ist: Sie selbst wollen und können nicht mehr jeden Tag im Laden stehen. Walter Ludwig ist mittlerweile 70 Jahre und gesundheitlich angeschlagen. Helmut Ludwig ist 61 Jahre und seit über 40 Jahren im Geschäft.

Erweiterung des Ladens 1992 brachte neue Möglichkeiten 

"Ich habe Raumausstatter gelernt und bin 1981 bei meinen Vater Otto Anton Ludwig eingestiegen", erzählt er. Der Großvater, Otto Ludwig, hatte das Geschäft 1907 gegründet, damals noch als Sattlerei und Polsterei. Bis zum Krieg wurden hier Couches, Sessel und Stühle aufgepolstert. Auch Otto Anton lernte bei seinem Vater, bis er 1939 in den Krieg eingezogen wurde. "Er ist er 1949 aus russischer Gefangenschaft zurückgekehrt", erzählt Walter Ludwig. Kurz danach heiratete er Rosel Blank aus Homburg und eröffnete mit ihr in den 50er Jahren das Geschäft wieder. Neu war: Neben der Polsterei wurden auch Möbelstücke verkauft. 

1966 wurde das alte Fachwerkhaus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Wirklich neue Möglichkeiten aber brachte erst die Erweiterung des Ladens 1992. Durch den Abriss und Neubau zweier Altbauten, die hinten an das Geschäft angrenzten, konnte die Familie ihre Verkaufsfläche von 100 auf 600 Quadratmeter steigern sowie gewann noch Lagerräume und Wohnfläche dazu. "Weil wir dann soviel Fläche hatten, konnten wir viel mehr Artikel zeigen und lagern", so die Brüder. 1993 verabschiedeten sie sich von der Polsterei und konzentrierten sich nur noch auf Babyartikel und Matratzen. 

Verkaufen mit Nostalgie-Effekt: Schon als Kind im Ludwig-Kinderwagen unterwegs 

Durch die Größe und Auswahl erlebte das Geschäft einen regelrechten Boom und der Kundenstamm breitete sich bis nach Würzburg und Aschaffenburg aus – was bis heute so ist. "Die Menschen kaufen bei uns generationsübergreifend ein", erzählt Helmut Ludwig. Immer wieder erzählten ihm Kunden, dass sie selbst schon in einem Ludwig-Kinderwagen spazieren gefahren wurden. Geändert habe sich auch nicht die Tradition, dass Großeltern den Kinderwagen der Eltern finanzieren. Mit dem Unterschied, dass die Großmutter früher darauf bestand, Farbe und Modell zu bestimmen – nicht immer zur Freude der werdenden Mutter. "Die heutigen Omas und Opas sind total modern und halten sich da sehr zurück", so Helmut Ludwig.  

Anlaufstelle von vielen Generationen von Eltern und Großeltern: Der Babyfachmarkt Ludwig, zuletzt geführt von den Brüdern Helmut (links) und Walter Ludwig. 
Foto: Lucia Lenzen | Anlaufstelle von vielen Generationen von Eltern und Großeltern: Der Babyfachmarkt Ludwig, zuletzt geführt von den Brüdern Helmut (links) und Walter Ludwig. 

Keinen großen Nachteil hätte die Konkurrenz durch immer mehr Online-Shops gebracht. "Die Leute kommen zu uns wegen der Beratung", so Walter Ludwig. Um dann auch alle Verstellmöglichkeiten, Schiebe-, Schlaf- und Sitzfunktionen von Kinderwägen und Autositzen demonstrieren zu können, besuchten die Brüder regelmäßig die Werke der Babyartikelhersteller, um sich die Produktion anzuschauen. "Unser Vorteil war, dass die Mehrzahl davon in Oberfranken sitzt", so Helmut Ludwig. Mit im Gepäck hatten sie auch immer Reparaturen und Reklamationen. Auf dem Rückweg waren sie dann meist auch um die Info reicher, was demnächst auf den Markt kommt. "Oft wussten wir schon vor den großen Messen, was kommt", erzählen sie. 

"Wir arbeiten einfach in einer schönen Branche"

"Du musst selbst überzeugt sein von dem Produkt", beschreibt es Walter Ludwig, was für ihn ein gutes Verkaufsgespräch ausgemacht hat. Umso mehr werden die Brüder die Beratungen vermissen. Und das Glücksgefühl, das sich einstellt, wenn man nach anderthalb Stunden intensivem Verkaufsgespräch den Abschluss macht.  

"Wir arbeiten auch einfach in einer schönen Branche: Die Kunden kommen hier meist positiv rein, freuen sich auf den Nachwuchs", beschreibt Helmut Ludwig. Auch er wird vor allem den Kundenkontakt vermissen. Nicht fehlen werden ihm die langen Arbeitstage, vor allem an den frequenzstarken Tagen freitags und samstags. "Danach war ich oft so kaputt, dass ich mich erstmal hinlegen musste." Was die Brüder nach Samstag 14 Uhr machen? Durchschnaufen: Im Urlaub und Zuhause. 

 
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