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Bergrothenfels
Schäferin Selina Tausch besitzt 650 Schafe: "Meiner Herde zuzuschauen ist für mich schöner als Fernsehen"
Im Frühjahr sind 14-Stunden-Tage für die junge Schäferin aus Bergrothenfels ganz normal. Trotz der hohen Belastung liebt sie ihren Beruf. Zu Besuch auf ihrem Hof.
Im Frühling ist das Berufsleben von Schäfermeisterin Selina Tausch aus Bergrothenfels besonders herausfordernd: Zu Besuch bei der 30-Jährigen und ihren Tieren, die vor kurzem Nachwuchs bekommen haben.
Foto: Thomas Obermeier | Im Frühling ist das Berufsleben von Schäfermeisterin Selina Tausch aus Bergrothenfels besonders herausfordernd: Zu Besuch bei der 30-Jährigen und ihren Tieren, die vor kurzem Nachwuchs bekommen haben.
Frieda Wecklein
 |  aktualisiert: 05.06.2024 02:43 Uhr

Eine Adresse, bei der der Name Programm ist: Der Lämmerhof 1 in Bergrothenfels ist das Zuhause von Selina Tausch und ihren 650 Schafen und Lämmern. Wer den an einem Hügel liegenden Hof betritt, hört sofort Geblöke in allen Tonlagen. War da nicht gerade der Schrei eines jungen Lämmchens dabei? "Von April bis Juni haben wir Frühjahrslammzeit", erklärt die 30-jährige Schäferin. In den vergangenen fünf Wochen seien 170 Lämmer bei ihr auf die Welt gekommen. "Da haben meine Damen ordentlich Gas gegeben", meint die Bergrothenfelserin und lacht. In diesen Monaten sind Arbeitstage von 14 Stunden für die Schäferin Standard. 

Um solch eine Belastung auf Dauer durchstehen zu können, muss die Liebe zur Arbeit groß sein: "Als Schäferin musst du es nicht zu hundert, sondern zu tausend Prozent wollen", betont Tausch. Bei ihr geht die Liebe zur Schäferei wortwörtlich unter die Haut: Vor einigen Jahren ließ sie sich sogar ein Schaf auf die Rippen tätowieren. 

Die deutschen schwarzköpfigen Fleischschafe sind eine eher seltene Zuchtrasse. Selina Tausch hat sich auf diese Schafrasse spezialisiert und sich damit überregional einen Namen gemacht.
Foto: Thomas Obermeier | Die deutschen schwarzköpfigen Fleischschafe sind eine eher seltene Zuchtrasse. Selina Tausch hat sich auf diese Schafrasse spezialisiert und sich damit überregional einen Namen gemacht.

Für die Lammzeit im Frühjahr wird die Grundlage schon im Januar gelegt: Dann gibt Tausch den Schafsbock zur Herde dazu. Dieser kann, wenn alles gut läuft, fünf Monate später hundertfacher Vater werden. "Der Bock ist die halbe Herde", zitiert Tausch ein Schäfersprichwort. Der diesjährige Bock sei sehr produktiv gewesen. Sie rechnet mit insgesamt 200 Lämmern bis zum Ende der Frühjahrslammzeit. Zum Vergleich: Vor einigen Jahren kamen nach sechs Wochen Rittzeit eines Bocks gerade einmal elf Lämmchen auf die Welt. 

Emotionale Verbindung zu den Tieren

Ihren dunkelgrünen Schäferhut trägt Selina Tausch, obwohl kein Sonnenstrahl weit und breit zu sehen ist. Die Faszination für ihre Tätigkeit und der Stolz auf das, was sie sich in den inzwischen zwölf Jahren als Schäferin aufgebaut hat, ist ihr anzumerken. "Meinen Damen zuzuschauen ist für mich schöner als Fernsehen", erklärt sie. "Meine Damen", so nennt Tausch ihre Herde im Gespräch konsequent. Die 30-Jährige hat eine enge Beziehung zu ihren Tieren. Das dienstälteste Schaf bezeichnet sie als beste Freundin in der Herde. Das Abgeben der Tiere zum Schlachten falle ihr dementsprechend manchmal schwer, gibt sie zu, sei aber Teil des Berufs.

Bei 'ihren Damen' im Stall fühlt sich Selina Tausch wohl. Sie hat immer noch genau im Kopf, welches der Muttertiere wie viele Lämmer in den vergangenen Jahren bekommen hat.
Foto: Thomas Obermeier | Bei "ihren Damen" im Stall fühlt sich Selina Tausch wohl. Sie hat immer noch genau im Kopf, welches der Muttertiere wie viele Lämmer in den vergangenen Jahren bekommen hat.

Ihre Schafe und Lämmer wohnen normalerweise nicht auf dem Hof der jungen Schäferin, sondern verbringen die Zeit auf den Wiesen. 95 Prozent ihrer Koppeln befinden sich direkt in Bergrothenfels, das sei ein großer Luxus, meint Tausch. Bei den restlichen Koppeln in Haßloch und Greußenheim fährt sie jeden Tag mehrfach Kontrolle, um verletzten oder kranken Tieren schnell helfen zu können.

Stalltiere versorgen, Wasser fahren, Koppeln neu stecken, Futter machen und nach den trächtigen Muttertieren schauen sind nur einige Aufgaben, die jeden Tag anfallen – auch am Wochenende. "Ich muss alle 650 Tiere den ganzen Tag irgendwie im Auge behalten", beschreibt Tausch den täglichen Spagat zwischen ihren Herden. Neben den Erträgen vom selbst vermarkteten Bio-Lammfleisch lebt sie von den Fördergeldern für die Landschaftspflege, die ihre Herden auf Wiesen als "natürliche Rasenmäher" betreiben. 

Zweifelnde Kommentare spornen sie an

Da der Beruf des Schäfers noch immer eher von Männern ausgeübt wird, begegnet die 30-Jährige manchmal Vorurteilen. Doch das stört sie nicht. "Im Gegenteil, da packt mich erst recht der Ehrgeiz, mich zu beweisen", findet Tausch. Wenn sie mit dem Schlepper im Ort unterwegs ist, zieht sie häufig Blicke auf sich. Immer wieder wird ihr weniger zugetraut als männlichen Kollegen, so ihre Erfahrung.

Wahrhaftig 'den Hut auf' hat Schäferin Selina Tausch, wenn es um ihre Herden geht.
Foto: Thomas Obermeier | Wahrhaftig "den Hut auf" hat Schäferin Selina Tausch, wenn es um ihre Herden geht.

Doch Tausch hört nicht auf die Zweifler und macht mit Eifer weiter: Ihre Tierwirtschafts-Meisterprüfung bestand sie mit der Note 1,2. Ihr ausgeprägter Perfektionismus treibt sie weiter an, ihre vier Herden zu "optimieren": Größer und rahmiger sollen die deutschen schwarzköpfigen Fleischschafe noch werden. Um den perfekten Bock für die Nachwuchszüchtung zu finden, geht Tausch am Jahresanfang auf spezielle Auktionen. Zunächst sei für sie der optische Eindruck der Zuchtböcke entscheidend, dann achte sie auf Werte wie Genetik und Muskelmasse.

Der Wolf als ständige Bedrohung

Verluste durch Wolfsrisse hat die Schäferin bisher noch nicht beklagen müssen, trotzdem macht sie sich Sorgen und fühlt sich als Weidehalterin von der Politik allein gelassen. Als ein Wolf acht Kilometer vor einer ihrer Koppeln gesichtet wurde, hatte sie schon schlaflose Nächte, erzählt Tausch. Doch auch in stressigen Zeiten überwiegt bei der 30-Jährigen die Freude an ihrem Beruf: "Von Lebensbeginn bis -ende von jedem meiner Schafe dabei zu sein, das ist für mich erfüllend."

 
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