Die Inspiration war ein schlichter Kreisverkehr im französischen Nancy. Die Insel dort ist mit ein paar an Stangen befestigten Fahrrad-Speichenrädern geschmückt. Ein abstraktes Kunstwerk, dessen Anblick den Gemündener Peter Reichel fortan beschäftigte. Am 1. August wird er beginnen, in Gemünden rund 1,80 Meter hohe, bunte und dekorierte Varianten aufzustellen: Riesenblumen etwa. Sie sollen der Fahrradstadt Gemünden ein fröhliches Gepräge geben und bei Besuchern einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
"Lucky Wheel", Glücksrad oder glückliches Rad, nennt der 61-Jährige seine Idee, die in gewisser Weise die Aktion der bepflanzten alten Fahrräder des Stadtmarketingvereins "Gemünden aktiv" fortführt. Der englische Begriff ist insofern doppeldeutig, als er auch darauf hinweist, dass die ausgedienten Räder nicht nur ein Recycling, sondern sogar ein "Upcycling" erfahren, eine Aufwertung. Diese Erklärungen gibt Peter Reichel mit demselben Augenzwinkern, mit dem auch seine Kunstwerke entstehen. 2017 stellte er eine mächtige Bank in den Durchgang des Mühltorturms, im vergangenen Jahr bekam die Alte Saalebrücke einen nicht minder gewaltigen Brückenhocker-Stuhl.
Mitarbeit und Material willkommen
Jetzt also Riesenblumen – sie sollen schließlich gut zu sehen sein. Die Speichenräder – 26 Stück bis jetzt – hat Reichel vom Sperrmüll, auch das Gemündener Rad-Haus Zachleder versorgte ihn. Er hätte aber gern noch viele mehr, vor allem kleine Räder. Ebenso freut es ihn, tatkräftige Unterstützung bei der Produktion bekommen. Bastler sollen sich bei ihm melden: "Ich hab' immer ein gekühltes Bier im Haus", lockt er, wieder mit einem Augenzwinkern. Gearbeitet wird im Keller. Da steht zum Beispiel ein großer, aufgeschnittener Karton – "meine Spritzkammer". Darin werden die Räder gefärbt. Die Schweißarbeiten übernimmt als Fachmann sein Freund Miro Blaic.
In einer ehemaligen Steingutfabrik hat Peter Reichel einen Restposten Teller gefunden; sie eignen sich hervorragend als Blütenkelch. Dann kommen Zahnradkränze dazu oder figürliche Applikationen aus Sperrholz – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die Ideen fallen dem Gemündener bei der Arbeit oder auf seinen vielen Autofahrten ein – er arbeitet im Vertrieb. In Oberwiesenthal im Erzgebirge sah er einmal große, einfache aus Holz geschnitzte Blumen: "Da kommt bei mir der Vertriebler durch – ich überlege, wie man das nutzen kann." In Gemünden liege es nahe, etwas aus alten Fahrrädern zu machen; dann Wanderstiefel dran – hier kann man auch wandern –, oder ein kleines Bett – hier kann man auch übernachten.
Werbung für Gemünden
Der Kunstsinn, die Kreativität liegen in der Familie, Reichels Schwester ist die bekannte Langenprozeltener Malerin Brigitte Heck. Peter Reichel nutzt sein Können und seine Ideen nicht nur, um das Haus seiner Familie im Gemündener Grautal zu bereichern, er will auch für Gemünden werben. Von seinen Urlauben her weiß er, dass man sich oft nicht an den Namen eines durchreisten Ortes erinnert, wohl aber an die Besonderheiten dort. Die "Lucky Wheels" der Dreiflüssestadt werden garantiert ein Fotomotiv werden.
Am Samstag, 1. August, beginnt das Aufstellen. Der erste Riesenblumen-Ort wird die Huttenschloss-Kreuzung sein. Dort treffen sich fast alle Gemündener Radwege, auch die vier Fernradwege durch die Flusstäler. Später sollen die Ränder der Ausfallstraßen hinzukommen. Die Standorte sind bzw. werden mit den Behörden abgestimmt. Die Gemündener Stadtverwaltung unterstützt die Aktion. Zurzeit hat der 61-Jährige drei Räder mit Achtern in Arbeit. Auch sie sollen als "Lucky Wheel" Verwendung finden und damit eine Zukunft haben: "Weil im Leben nicht immer alles rund läuft", sagt Peter Reichel, natürlich wieder mit einem Augenzwinkern.