Die Arnsteinerin Silke Hildenbrand-Tietz irrt durch Rom. In ihrer Verzweiflung bleibt ihr nichts anderes übrig, als den nächstbesten Passanten nach dem Weg zu fragen. Der gebürtige Römer Marco Vinicio De Simone kann ihr helfen und hinterlässt bleibenden Eindruck. Heute, zwei Jahre später, führen die beiden eine glückliche Fernbeziehung. Seit März ist jedoch alles anders. Durch die Ausbreitung des Coronavirus in Europa wird ihnen ein Treffen seit acht Wochen verwehrt.
Von Tag zu Tag leidet die 45-jährige Hildenbrand-Tietz mehr unter diesem Zustand. Zugleich wächst die Wut, nicht gehört zu werden. "Alles wird thematisiert, aber über unsere Situation hat noch niemand ein Wort verloren."
Unsicherheit war schon beim letzten Treffen im März zu spüren
Eine ähnliche jähe Pause ihrer Liebesbeziehung dürften zurzeit viele Menschen erleben. Rund 16 Millionen grenzübergreifende Paare leben laut Zahlen der EU-Kommission in der EU. Eine stetig wachsende Gruppe, die aktuell mit den Einschränkungen der Corona-Krise zu kämpfen hat. In vielen Ländern herrschen Einreisebeschränkungen, der Grenzübertritt ist an Bedingungen geknüpft und macht vielen europäischen Paaren eine Zusammenkunft unmöglich.
"Normalerweise treffen wir uns alle zwei bis vier Wochen", erzählt Silke Hildenbrand-Tietz. Die Situation bei ihrem letzten Besuch in Rom am 9. März sei aber eine andere gewesen. Das Paar überlegte schon damals, ob sie besser gemeinsam zurück nach Deutschland fahren sollten – die Unsicherheit aufgrund der Corona-Krise war überall zu spüren. Letztlich musste der gelernte Zahntechniker Marco Vinicio De Simone jedoch in Italien bleiben: Er musste arbeiten, zwei Tage noch, danach schloss seine Arbeitsstelle. Seitdem sitzt der 56-Jährige aufgrund der in Italien verhängten Ausgangssperre in seiner Wohnung fest.
Rechtliche Bestimmungen lassen keinen Spielraum
An eine Einreise nach Italien ist für Silke Hildenbrand-Tietz aktuell nicht zu denken. Bei der italienischen Botschaft wurde die Arnsteinerin abgebügelt. Familienzusammenführungen stellen keinen dringenden Einreisegrund dar. "Privatleute sind am Ende die Leidtragenden der Beschränkungen", klagt sie.
Etwas lockerer handhabt es die deutsche Bundesregierung. Das Bundesinnenministerium stellt ebenfalls klar, dass Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit nur mit einem dringenden Grund nach Deutschland einreisen dürfen. Hierunter zählt jedoch ausdrücklich auch die Zusammenführung von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern.
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Diese Regelung mag manchen Eheleuten helfen, verkennt jedoch die Lebenswirklichkeit vieler Paare. Immer mehr Menschen leben wie Silke Hildenbrand-Tietz und ihr Lebensgefährte unverheiratet zusammen. Dieser Tatsache wurde auch bei den aktuellen Beschränkungen in Deutschland Rechnung getragen. Waren in Bayern wochenlang Treffen zweier haushaltsfremder Personen komplett untersagt, stellten Paare dennoch eine Ausnahme dar, national.
International ist das kein Thema. "Mangels brauchbarer Nachvollziehbarkeit sollen andere Lebenspartnerschaften ohne Trauschein grundsätzlich jedoch kein triftiger Grund im Sinne des Einreiseregimes sein", lässt das Bundesinnenministerium hierzu verlauten. Verständnis hat Silke Hildenbrand-Tietz hierfür nicht. Man könne doch vor der Einreise einen Test machen, schlägt sie stattdessen vor. "Bei Fußballern wird das vor Spielen ja auch diskutiert."
Mangelnde Perspektive sorgt für Unverständnis
In ihrer Verzweiflung wendete sich die Arnsteinerin mit einer Online-Petition an den Bayerischen Landtag. Sie möchte endlich gehört werden. Auch um betroffene Paare zu animieren, sich ihrem Protest anzuschließen. Aus München kam bereits die Antwort. Ihr Anliegen werde zwar umgehend den Mitgliedern des Ausschusses für Gesundheit und Pflege und der Staatsregierung vorgelegt, ein genauer Termin zur Beratung könne jedoch noch nicht genannt werden. Geduld sei gefragt.
Hiervon hat die 45-Jährige aber mittlerweile wenig. "Alle reden von Geduld. Genau diese Unsicherheit ist unerträglich, niemand gibt mir eine Perspektive", sagt die 45-jährige. Bis Bewegung in die Sache kommt, bleibt den tausenden betroffenen Paaren in Europa vorerst weiterhin nur der tägliche Videoanruf und das verzweifelte Warten auf einen Ausweg.
....natürlich vor Corona