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Gemünden
Prozess um Unfall an Bahnübergang in Hasloch: Zusammenstoß mit Regionalzug kommt Autofahrer teuer zu stehen
Wie durch ein Wunder gab es keine Verletzten, als in Hasloch im November 2021 ein Zug mit einem Auto kollidierte. Warum der Unfallverursacher die Strafe dennoch für zu hoch hält.
Das Amtsgericht in Gemünden.
Foto: Michael Mahr | Das Amtsgericht in Gemünden.
Jürgen Kamm
 |  aktualisiert: 09.02.2024 06:09 Uhr

Weil er im November 2021 in seinem Auto an einem unbeschrankten Bahnübergang in Hasloch einen Zug übersehen hatte, musste sich ein 59 Jahre alter Polizist nun vor dem Amtsgericht Gemünden verantworten. Bei der Kollision wurde niemand verletzt, der Zugführer erlitt allerdings einen Schock. Der Angeklagte war sich bewusst, wie knapp er einem Unglück entkommen war: "Ein halber Meter mehr, und ich wäre tot gewesen."

Die vom Gericht verhängte Geldstrafe von 6600 Euro wegen fahrlässiger Gefährdung der Sicherheit des Schienen- und Bahnverkehrs sowie der Bereitung von Hindernissen nebst drei Monaten Fahrverbot empfand der 59-Jährige jedoch als ungerecht – und legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Am Ende reduzierte Richterin Maike Richter in ihrem Urteil die Strafe von 60 auf 50 Tagessätze und damit um 1100 Euro, das Fahrverbot verkürzte sie auf zwei Monate. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.

Angeklagter entschuldigte sich nach Zusammenstoß bei Zugführer

In seiner Einlassung schilderte der 59-Jährige, dass er am 28. November morgens mit Bekannten im Schutzhafen von Hasloch verabredet gewesen war. Am Bahnübergang habe er erst nach rechts geschaut, dann geradeaus und dann nach links. Da habe er drei Lichter des Zuges gesehen, sofort gebremst und den Rückwärtsgang, der an seinem Wagen oft gehakt habe, einlegen wollen. Doch da habe es schon gekracht.

Der Angeklagte verwies auch auf die schlechte Sicht aufgrund eines Pavillons und eines mit Werbeplanen abgehängten Bauzaunes. Dazu hatten er und sein Verteidiger sogar ein Video dabei, das jedoch nicht gezeigt wurde. Nach dem Zusammenstoß kam der Zug zum Stehen. Da sei er ausgestiegen und zum Zugführer gegangen, um sich zu entschuldigen, sagte der 59-Jährige.

Am Auto entstand bei dem Unfall ein Totalschaden, der Sachschaden am Schienenfahrzeug betrug 48.000 Euro, der Triebzug war aber noch fahrbereit.

Zugführer: "Für mich wäre es schlimmer gewesen, wenn er nicht überlebt hätte"

Der Zugführer der Westfrankenbahn gab an, dass er an jenem Sonntagmorgen auf der Strecke Weikersheim-Aschaffenburg unterwegs gewesen und vom Haltepunkt in Hasloch auf den Bahnübergang zugefahren sei. Dabei habe er ein dunkles Auto den Berg herunterkommen sehen. Dieses sei zwar langsam gefahren, aber nicht stehengeblieben. Deshalb habe er erst eine Bremsung eingeleitet und später eine Schnellbremsung, als der Wagen teilweise auf dem Bahnübergang stand. In der Regionalbahn hätten sich ein Zugbegleiter und zwei Fahrgäste befunden. Er sei sehr froh, dass keine Personen zu Schaden kamen: "Für mich wäre es schlimmer gewesen, wenn er nicht überlebt hätte".

Inzwischen gibt es jenen Bahnübergang in Hasloch nicht mehr. In der Verhandlung kam zur Sprache, dass sein Rückbau wenige Tage nach dem Unfall geplant gewesen sei.

Staatsanwältin: Strafbefehl war eher noch moderat

Die Verteidigungsstrategie des Anwalts bestand vor allem darin, den Sinn von Paragraf 315 des Strafgesetzbuches zu hinterfragen. Darin geht es um gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr. Im Straßenverkehr sei eine Vorfahrtsverletzung gegenüber einem Reisebus ähnlich gefährlich, dennoch würden dafür lediglich 350 Euro Bußgeld und ein Monat Fahrverbot drohen. Tatsächlich sei die Polizei im verhandelten Fall zuerst auch nur von einem Bußgeldtatbestand ausgegangen.

Die Staatsanwältin hielt dagegen: In diesem Fall habe jedoch ein Auto auf den Schienen gestanden und ein mit mehreren Personen besetzter Zug eine Notbremsung einleiten müssen. Ihrer Ansicht nach hätte der Autofahrer zumindest anhalten oder sogar aussteigen müssen, um bei der eingeschränkten Sicht nach einem Zug zu schauen. Der Strafbefehl sei da eher noch moderat.

Angeklagter: Strafbefehl ist "Hammer für eine kleine Unaufmerksamkeit"

Der Angeklagte zweifelte zudem an, dass der Zugführer schon vor dem Zusammenstoß die Schnellbremsung eingeleitet hatte. Nach zwei Sitzungsunterbrechungen beschränkte der 59-Jährige seinen Einspruch aber schließlich auf die Rechtsfolgen, was einem Geständnis gleichkommt. Die Richterin hatte vorher signalisiert, dass sie sich auch zwei statt drei Monate Fahrverbot vorstellen könnte.

In ihrem Plädoyer bestand die Staatsanwältin mit Verweis auf die besondere Gefährlichkeit und den hohen Sachschaden auf die Sanktionen aus dem Strafbefehl. Der Verteidiger führte an, sein Mandant habe vor allem sich selbst gefährdet, 6600 Euro für "einen Wimpernschlag zu viel" widerspreche seinem Gerechtigkeitssinn. Er beantragte, die Geldstrafe auf 30 Tagessätze zu reduzieren sowie nur zwei Monate Fahrverbot zu verhängen. Der 59-Jährige bat um ein mildes Urteil, den Strafbefehl empfinde er als "Hammer für eine kleine Unaufmerksamkeit".

 
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